US-Berufungsgericht schränkt Softwarepatente ein

Das US-Bundesberufungsgericht in Washington hat entschieden, dass ein Verfahren auch durch die Verwendung eines maschinenlesbaren Mediums nicht den prinzipiellen materiellen Anforderungen an den Patentschutz genĂĽgt.

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Das US-Bundesberufungsgericht in Washington hat die Hürden für die Patentierbarkeit von Software und Geschäftsmethoden deutlich angehoben. Laut einem am Dienstag ergangenen Urteil (PDF-Datei) des "Court of Appeals for the Federal Circuit" reicht es für eine Schutzwürdigkeit eines Verfahrens nicht aus, wenn dieses auf einem Computer abläuft oder in einem rechnergestützten Datennetz wie dem Internet eingesetzt wird. Die Richter stellten so klar, dass weitere Kriterien für den Ausschluss von der Patentierbareit wie die Neuheit und das Erreichen einer entsprechenden Erfindungshöhe bei der fehlenden technischen Ausrichtung eines Anspruchs erst gar nicht geprüft werden müssen. Damit werden bisher aktuelle Ansätze zur Erteilung gewerblicher Schutzansprüche im Computerbereich in den USA und in Europa geradezu auf den Kopf gestellt.

Laut Paragraph 101 des US-Patentgesetzes sind neue und nützliche Prozesse, Maschinen, Fertigungsarten oder Anordnungsweisen schutzwürdig. Die US-Rechtsprechung hat daraus über die Jahrzehnte hinweg abgeleitet, dass Naturgesetze, physikalische Phänomene und abstrakte Ideen nicht patentierbar sind. In dem Rechtsstreit zwischen den Zahlungsdienstleistern CyberSource und Retail Decisions bekräftigte nun das Berufungsgericht, dass die Beschreibung eines Verfahrens auch durch die Verwendung eines maschinenlesbaren Mediums nicht den prinzipiellen materiellen Anforderungen für einen Patentschutz genüge.

Die Jurisdiktion in den USA tendierte jahrelang aber auch in die andere Richtung. 1998 hatte das Berufungsgericht im "State Street Bank"-Prozess noch geurteilt, dass auch eine Geschäftsmethode patentwürdig sein könne, solange das beanspruchte Verfahren nur "konkret, fassbar und nützlich" sei. In der viel beachteten Auseinandersetzung um einen Anspruch des Programmierers Bernard Bilski stellte der gleiche Gerichtshof 2008 aber klar, dass reine Geschäftsmethoden oder Computerprogramme ohne Bezug zu einer Maschine oder Transformationswirkungen nicht patentierbar sind. Zugleich stellte er ein Testverfahren zum Ausschluss entsprechender Monopolansprüche auf. Demnach müssen patentierbare Programme oder Verfahren auf eine spezielle Maschine oder einen Apparat bezogen sein oder einen bestimmten Gegenstand in einen anderen Zustand oder eine andere Sache umwandeln.

Der Supreme Court wollte diesen Prüfansatz 2010 zwar nicht als "alleiniges" Mittel zur Bewertung der Schutzwürdigkeit einer "prozessbasierten Innovation" mittragen. Das höchste US-Gericht stellte es der niederen Instanz aber anheim, im Rahmen von Paragraph 101 weitere Kriterien zur Verdeutlichung der Ziele des Patentgesetzes festzusetzen. Im CyberSource-Verfahren urteilte das Berufungsgericht nun, dass der von der US-Firma erhobene Anspruch auf ein Verfahren zur Überprüfung von Online-Transaktionen per Kreditkarte mithilfe von Informationen wie IP- oder MAC-Adressen prinzipiell nicht die Verwendung einer Maschine erforderlich mache und auch keine Umwandlung eines Stoffes bewirke. Allein die Sammlung von Informationen reiche nicht aus, um von einem schutzwürdigen Gegenstand zu sprechen. Auch wenn es um die Erleichterung von Bezahlvorgängen im Internet gehe, könnten die beanspruchten Datenstrukturen wie eine Übersicht von Kreditkartennummern auch einfach "mit Papier und Bleistift" erstellt und so nicht als technisch angesehen werden.

Auch den Anspruch von CyberSource, wonach ein "computerlesbares Medium" mit Programminstruktionen in das Verfahren zum Aufdecken von Kreditkartenbetrug eingeschlossen sei, ließen die Richter nicht gelten. Die Patentanmelder hatten sich darauf berufen, dass ein auf einem Rechner laufendes Programm automatisch die erste Hürde der Patentierbarkeit überspringe und höchstens anhand von Zusatzkriterien wie der erforderlichen Neuheit als nicht schutzwürdig erklärt werden könne. Das Berufungsgericht wies diesen Anspruch auf Technizität des Verfahrens aber zurück und legte sein Augenmerk vielmehr auf die "darunterliegende Erfindung". Und dabei handle es sich letztlich um eine Idee und nicht um ein Werkzeug zum Speichern maschinenlesbarer Informationen. Der Patentanmelder habe nicht gezeigt, dass der beschriebene "Apparat" eine einzigartige, von anderen Rechnern nicht ausführbare Funktion ausübe. Insgesamt bestätigten die Berufungsrichter so die Entscheidung der niederen Instanz, dass das zunächst vom US-Patentamt gewährte Schutzrecht mit der Nummer 6,029,154 nichtig sei.

Der US-Jurist Dennis Crouch spricht in seinem Blog von einer "wichtigen Entscheidung", die "viele breit angelegte Softwarepatente" für ungültig erkläre. In Europa und in Deutschland tendiert die Rechtsprechung derweil genau in die andere Richtung. So festigte der Bundesgerichtshof jüngst seine Spruchpraxis zu gewerblichen Schutzrechten für computergestützte Erfindungen: Im Februar hatte der BGH geurteilt, dass ein Verfahren, das mit einem Client-Server-System arbeitet, von sich aus die für den Patentschutz erforderliche Technizität aufweise und die eingesetzten "Apparate" im Patentanspruch nicht ausdrücklich genannt werden müssten. "Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche" können laut Artikel 52 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) und Paragraph 1 des deutschen Patentgesetzes nicht patentiert werden. Die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts legen diese Klausel so aus, dass sie etwa bei der effizienteren Aufteilung von Arbeitsspeicher durch ein auf einem Computer laufendes Programm von einem "technischen Effekt" ausgehen. (vbr)