Unterhaltungs-, Propaganda-, Informationsmedium: 100 Jahre Radio in Deutschland​

Seite 3: Die aktuelle Lage in Deutschland

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Knapp 76 Prozent (53,5 Millionen Personen) hörten 2022 täglich Radio – im Schnitt über vier Stunden (249 Minuten) pro Tag. Obwohl die meisten der aktuell neun ARD-Mitglieder vier bis sechs Hörfunkwellen unterhalten (die drei Programme des Deutschlandradios sind ebenfalls öffentlich-rechtlich, gehören aber nicht zur ARD), liegt die Zahl der Privatradiohörer mit rund 28,9 Millionen dicht an der von Nutzern öffentlich-rechtlicher Angebote (34,6 Millionen). Dass die Summe mehr als die genannten 53,5 Millionen ausmacht, liegt an Hörern, die über den Tag mehrere Angebote nutzen.

Mit mehr als der Hälfte regelmäßiger Nutzung liegt UKW im Jahr 2022 noch unangefochten vorn, mit fast 20 Prozent ist die Nutzung von Webradio deutlich vor der von DAB+. Wegen des immer noch hohen UKW-Anteils sagt ARD-Sprecherin Stefanie Germann gegenüber heise online: "Die Diskussion um die UKW-Verbreitung führen wir gemeinsam mit den kommerziellen Anbietern." Nur gemeinsam wolle man über ein mögliches Ende der UKW-Verbreitung entscheiden.

Der oft vorgetragenen Kritik gegenüber den ARD-Popwellen, sie seien den Angeboten der Privaten zu ähnlich, entgegnet Germann: "Gerade unsere Popwellen sind die Radioangebote, die von den Menschen in den jeweiligen Sendegebieten besonders geliebt werden. Sie kreieren ein Wir-Gefühl und haben eine Themenvielfalt, die sich sehr an der Lebenswirklichkeit und den Wünschen unserer Hörerinnen und Hörer orientiert." Sieben der ARD-Sender unterhalten eigene Klangkörper – zehn professionelle Orchester, fünf professionelle Chöre und vier Big Bands.

Noch immer beliebt: Radio in Deutschland

(Bild: SWR-Medienforschung)

Beim Sound der Popwellen stehen nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender vor einem Dilemma. Fürs typische Auto- oder Küchenradio ist eine möglichst gleichmäßige Lautheit gefordert. Die Nutzer sollen nicht ständig am Lautstärkeregler drehen müssen, dennoch alles hören und verstehen. Unter hochwertigen Kopfhörern oder über gute Lautsprecher klingen die derart behandelten Töne aber grenzwertig.

Wegen der internen Pegelangleichung haben die früher auch zur Dynamikkompression genutzten "Optimods" des US-Herstellers Orban nur noch wenig zu tun und pumpen auch kaum noch. Unabhängig von Dynamikkompression: Wer Radio digital hört, erhält die höchste Bitrate und damit potenziell die beste Qualität bei den Internetstreams der Sender.

Wenig überraschend: Frei von Einflüssen und Entscheidungen von Staat und Politik sind auch die nach den Erfahrungen der Nazi-Zeit entworfenen öffentlich-rechtlichen Konstrukte nicht. Die Frage, ob kleine Sender wie Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk noch zeitgemäß seien, reicht ARD-Sprecherin Germann weiter: "Diese Entscheidung treffen die jeweiligen Landesregierungen."

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es, UKW-Signale folgten der Erdkrümmung. Wir haben den Fehler behoben.

(dahe)