14 Hirnelektroden gegen Depressionen: "Als wäre mein Hirn wieder normal online"

Seite 3: Keine Gehirn-Elektroden für die Massen

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Stattdessen hofft Sheth, unter seinen zwölf Freiwilligen Trends zu erkennen und diese dann zu nutzen, um eine verbesserte Form der DBS zu entwickeln, die nahezu jedem helfen kann, der sie braucht. "Wir hoffen, dass wir dabei einige Erkenntnisse gewinnen, die wir verallgemeinern können", sagt er. Sheth und seine Kollegen haben bisher nur die Gehirnaufzeichnungen von drei Personen analysiert, aber sie fanden bereits Trends. Eine Hirnregion, der so genannte cinguläre Kortex, feuert in einer bestimmten Weise, wenn alle drei der Probanden in besserer Stimmung sind. Sie zeigt das gegenteilige Aktivitätsmuster, wenn die Patienten emotional "down" sind, sagt Sheth.

Neurologe Riva Posse sagt, die Ergebnisse seien "sehr ermutigend" und meint: "Wir beginnen zu verstehen, dass es elektrische Signale für Depressionen gibt, die ziemlich einheitlich zu sein scheinen." Dies werde das Verständnis der Erkrankung erheblich voranbringen und dazu beitragen, neue Neurostimulationsansätze zu entwickeln. Dennoch sei es noch zu früh, um zu sagen, ob sich diese Ergebnisse auch auf eine größere Gruppe von Menschen übertragen lassen. "Es handelt sich nur um drei Patienten", sagt auch Darin Dougherty, Psychiater am Mass General Research Institute in Boston, der sich auf Neurochirurgie bei Depressionen spezialisiert hat.

Dougherty hält Sheths Forschungsarbeit dennoch für "wesentlich". Er meint: "Hoffentlich erhalten sie genügend Daten von einer kleinen Gruppe von Menschen, so dass wir von der [Implantation mehrerer temporärer Elektroden] wegkommen." Er geht davon aus, dass Sheths Ansatz eine Hirnregion identifizieren könnte, die bei den meisten Menschen mit behandlungsresistenten Depressionen ins Visier genommen werden sollte. Nicht-invasive Hirnscans könnten die genaue Stelle für die Implantation der Elektrode auffinden.

Sheth und seine Kollegen fanden allerdings auch einige Unterschiede zwischen den drei Freiwilligen. Und der "Stimmungsdecoder" des Teams konnte anhand der Hirnaktivität feststellen, wie sich die einzelnen Freiwilligen fühlten. Das Team hofft, dass neue Technologien es ihm und anderen in Zukunft ermöglichen werden, diese Informationen auch ohne Implantate zu erfassen, vielleicht mit einem Gerät, das auf dem Kopf einer Person platziert wird. Mit einem solchen Gerät könnte man auch den Schweregrad der Symptome einer Person messen, sagt er.

Heutzutage wird Menschen mit depressiven Symptomen in der Regel eine Reihe von Fragen gestellt, um den Schweregrad der Erkrankung zu ermitteln. Eine Art objektives Maß – wie die Ergebnisse eines Gehirnscans – wäre eine wichtiges Hilfe für die Psychiatrie, sagt Dougherty.

Allerdings dürften diese nicht perfekt sein. Hirnscans sind – zumindest bislang – nie empfindlich genug, um die individuellen Unterschiede in den Gehirnen von Menschen zu berücksichtigen, wenn es um die Symptome einer Depression geht. Sie könnten zudem Anzeichen bei einigen Menschen übersehen und sie bei anderen überschätzen. Sheth sieht auch die Gefahr, dass Hirnscans aufgrund von Forschungsarbeiten wie seiner eines Tages dazu verwendet werden könnten, Depressionen bei Personen zu diagnostizieren, die nicht offensichtlich krank sind – oder sie bei Personen aufzudecken, die dies gar nicht wollen.

John zum Beispiel möchte nicht, dass andere – insbesondere potenzielle Arbeitgeber – wissen, dass er an Depressionen leidet. "Die Leute verstehen Depressionen nicht, und leider sehen sie sie als Schwäche an", sagt er.

Trotzdem müsse man den Millionen von Menschen mit Depressionen helfen, meint Sheth, "auch wenn es die Möglichkeit des Missbrauchs gibt." Es müssten Wege gefunden werden, um diesen Menschen zu helfen. "Der Rest der Gesellschaft kann uns dabei helfen, Leitplanken für den Einsatz dieser Technologie zu setzen."

Johns Elektroden geben immer noch elektrische Stimulationsimpulse tief in sein Gehirn ab. Er lädt die in seiner Brust eingebettete Batterie jede Woche auf. "Soweit ich sagen kann, fange ich wieder bei Null an, wenn die Stimulation aufhört", sagt er. Und auch wenn die DBS nicht bei jedem Depressionspatienten funktioniert, "hat sie mir das Leben gerettet", betont er.

(jle)