40 Jahre Blue Thunder – Das fliegende Auge

Seite 3: Die Zäsur

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Nie zuvor hat man so realistische Hubschrauber-Szenen gesehen. Und nie wieder danach. Aufnahmen, in denen die Schauspieler selbst in einen Hubschrauber steigen und in die Lüfte heben, sind heute kaum noch denkbar.

Wenige Wochen nach dem Start des Films passiert das schrecklichste Unglück in der Geschichte Hollywoods. Bei den Dreharbeiten des Episodenfilms "Unheimliche Schattenlichter", im Original "Twilight Zone – The Movie", wird der Vietnam-Krieg nachgestellt. Ein brennendes Dorf, Explosionen, Rauchschwaden, ein niedrig fliegender Hubschrauber. Und mittendrin Vic Morrow (der Vater von Jennifer Jason Leigh), der zwei Kinder aus der Apokalypse retten will. Die Explosivgeschosse treffen den Hubschrauber, der auf die drei Darsteller stürzt. Morrow und ein Kind werden von einem Rotorblatt regelrecht geköpft; das andere wird von einer Kufe durchbohrt. Ursache ist Leichtsinn – Regisseur John Landis will spektakuläre Aufnahmen, fordert immer mehr Explosionen und einen immer tieferen Hubschrauber. Es gibt zu wenig Absprachen und der Pilot ist nicht erfahren genug.

Nach der Tragödie ruft John Badham seinen Chef-Piloten Jim Gavin an und bedankt sich für dessen Umsicht, die ihn während des Drehs noch zur Weißglut treibt. Wie etwa sein Verbot, von einem Kamerakran aus zu filmen.

Dabei gibt es auch in "Das fliegende Auge" mehr als genug gefährliche Momente. Beim Finale lösen sich die Gurte des Kameramanns, der außen auf den Kufen von Blue Thunder steht. Pilot Jim Gavin muss ihm helfen, während Roy Scheider das Steuer übernimmt und den Vogel landet. Bei einem anderen Helikopter explodiert der Motor. Badham befürchtet das Schlimmste, doch der Pilot hat Abstürze in Vietnam oft genug geübt und kann den Hubschrauber landen, mit einem Feuerlöscher in der Hand herausspringen und den Brand löschen. Ein Kameramann wird um Haar von einem Polizeiwagen überfahren und der Fahrer eines Polizei-Motorrads, das unter einen Laster schlittert, bricht sich dabei den Knöchel.

Die flotte Synthesizer-Musik wertet "Das fliegende Auge" stark auf. Sie ist zu dieser Zeit immer noch auffällig ungewöhnlich, wenngleich sie nur Filmen wie "Blade Runner" und "TRON" folgt. Komponist ist Arthur B. Rubinstein, der zunächst klassische Soundtracks schreibt und 1980 den Einstieg ins Elektronische findet – und beide Welten gern miteinander verbindet.

Der Film ist für Ende 1982 anvisiert, aber startet in den USA erst am 13. Mai 1983: Das Zusammenschneiden der vielen, von mehreren Kameras gleichzeitig aufgefangenen Action-Szenen ist ein Alptraum.

"Blue Thunder" landet mit 42 Millionen Dollar Einspielergebnissen nur auf Platz 17 der Jahres-Charts. Aber er löst, zusammen mit der Serie "Knight Rider", eine Welle aus. Nur wenige Monate später, Anfang 1984, erscheint die Serie zum Film. Mit anderen Schauspielern und vor allem mit viel weniger Budget, das keine Aufnahmen aus der Luft erlaubt, wirkt es eher wie eine Parodie. Nur 11 Folgen werden ausgestrahlt. Ein Jahr später probiert es ABC erneut mit der Serie "Street Hawk" um ein Super-Motorrad, mit der Musik von Tangerine Dream; doch auch sie wird nach 13 Folgen eingestellt. Mehr Erfolg hat 1984 die Serie "Airwolf" mit einem umgebauten Hubschrauber von Bell; sie schafft es auf vier Staffeln. Nicht zu vergessen, der Spielfilm "Black Moon" von 1986 mit Linda Hamilton und Tommy Lee Jones um ein Hightech-Auto. Einen kleinen Auftritt hat Blue Thunder zudem im Pilotfilm der Serie "MacGyver".

In der Bundesrepublik startet "Blue Thunder" bereits drei Monate eher, am 5. Februar 1983, unter dem hübschen deutschen Titel "Das fliegende Auge". Damit steht man allein: In den meisten anderen Ländern hat man den Originaltitel erhalten oder "Blauer Donner" in die Landessprache übersetzt. Denn während in der deutschen Version "Das fliegende Auge" als Spitzname für "Blue Thunder" genannt wird, ist im Original "Blue Thunder" bereits der Spitzname (für die offizielle Bezeichnung "The Special").

Das spöttische Kürzel JAFO auf Lymangoods Mütze, im Original für Just Another Fucking Observer (Nur ein weiterer verdammter Beobachter) wird im Deutschen hingegen zum fragwürdigen "Junger Arsch Fliegt, Oh Gott". Inwieweit die Abkürzung ihren Ursprung bei Aufklärern im Vietnam-Krieg hat, bleibt unklar; vieles spricht dafür, dass sie erst durch den Film populär wird.

In der Bundesrepublik kommt er auf Platz 9 der Kino-Charts 1983, mit 2,3 Millionen Zuschauern ungefähr gleichauf mit "Rambo" und dem Oscar-Gewinner "Gandhi".

Auch in der DDR läuft der Film ab dem 20. Juli 1984. Wenngleich Blockbuster aus Hollywood hinter dem eisernen Vorhang nichts Ungewöhnliches mehr sind, ist so viel Action auf ostdeutschen Kino-Leinwänden selten. Während sich die Besucher an einem coolen Helden mit Digitaluhr und einem schicken Sportwagen (einem Pontiac Firebird Trans Am Turbo) erfreuen, geht es der Staatsführung eher um den Beleg, dass der Westen neue Technik am ehesten für Kriege einsetzt. Und vielleicht auch um die Rechtfertigung, dass der Ostblock die Olympischen Spiele 1984 boykottiert.