50 Jahre Atari: Pong – und sonst?

Seite 5: Lynx, Jaguar und die Wechseljahre

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1989 überrascht Atari mit einer tragbaren Konsole, dem Handheld Lynx. Entwickelt wird es von einem Team um Robert J. Mical und David Needle, die bereits beim Amiga mitwirken (und später beim 3DO). Es schlägt den gleichzeitig angekündigten Game Boy technisch durch einen beleuchteten Farbbildschirm, hat aber dadurch einen hohen Batterie-Verbrauch. Zudem ist es klobiger und deutlich teurer. Die Spiele orientieren sich an den Atari-Automaten, etwa die Umsetzung von "Gauntlet"; auch "Lemmings" erscheint für das Gerät. 1991 kommt eine etwas schmalere Version zum halben Preis. Mit drei Millionen verkauften Exemplaren ist der Lynx kein Flop; allerdings verkauft sich das Gegenstück von Sega, der Game Gear, dreimal so oft. Ganz zu schweigen vom Game Boy mit seinen 120 Millionen.

Als letzte Konsole von Atari erscheint 1993 der Jaguar. Er wird von einem zunächst unabhängigen Team ehemaliger Sinclair-Entwickler entworfen und basiert auf einem komplexen Arrangement aus einem 32-Bit-Chip-System vorwiegend für den Sound und einem 64-Bit-Chip-System für die Grafik. Ihnen wird der mittlerweile in die Jahre gekommene und als Steuer-Chip degradierte Motorola 68000 zur Seite gestellt.

Atari Lynx (Gamescom 2013)

(Bild: René Meyer)

Damit wird sie vollmundig als 64-Bit-System angepriesen. In der Praxis erweist sich das ungewöhnliche und schwer zu programmierende Arrangement an Prozessoren als Pferdefuß. Der Amiga und das Mega Drive haben ebenfalls den 68000 als Hauptprozessor, und Entwickler machen sich nicht die Mühe, bei der Umsetzung auf den Jaguar die neuen (Tom & Jerry genannten) Systeme auszureizen.

Hinzu kommt die große Konkurrenz durch die neuen CD-Konsolen Anfang der Neunzigerjahre. CDTV, CDi, 3DO, später der Sega Saturn und die PlayStation. Zwar reicht Atari ein CD-Laufwerk als Zubehör nach, aber dafür erscheinen in erster Linie müde Umsetzungen von Spielen wie "Myst".

Der Jaguar besiegelt das Ende von Atari. Schätzungsweise 250.000 Geräte werden weltweit verkauft – ein kolossaler Flop. Heute ist der Jaguar ein begehrtes Sammlerstück und beschäftigt eine kleine Fangemeinde. Sie trifft sich einmal im Jahr zum European Atari Jaguar Festival in Korschenbroich, dem ejagfest. Dort sieht man nicht nur Spiele von früher. Organisator Björn Baranski sagt: "Heute darf jeder für die letzte echte Konsole von Atari entwickeln. Das sorgt für die regelmäßige Veröffentlichung von Homebrew-Spielen bis in die Gegenwart. Der Jaguar ist mit seinem Multi-Prozessor-Design nicht leicht zu programmieren; wenn es aber gelingt, zeigt sich seine Leistungsfähigkeit besonders im 2D-Bereich."

Centipede (E3 2011)

(Bild: René Meyer)

Der Misserfolg von Falcon, Lynx und Jaguar lässt Atari aufgeben. Seit Mitte der Neunzigerjahre gibt es das ursprüngliche Unternehmen nicht mehr. Nur die Marke ist geblieben; und sie wechselt seitdem immer wieder Besitzer. Zunächst kommt es 1996 zu einer seltsamen Fusion mit dem kurzlebigen Festplatten-Hersteller JT Storage. Der verkauft wenige Monate vor seiner Auflösung, 1998, die Marken-Rechte an Hasbro. Der Spielwaren-Hersteller veröffentlicht seit einigen Jahren unter dem Label Hasbro Interactive Software-Versionen seiner Brettspiele wie "Monopoly" und "Risiko" und ringt um neue Inhalte. Die kommen nun durch fragwürdige 3D-Versionen von VCS-Klassikern wie "Centipede" und "Breakout". Und gar dem Ur-Spiel "Pong".

2001 verkauft Hasbro seine Interactive-Sparte samt den Atari-Rechten an den französischen Publisher Infogrames. Der nutzt die Marke Atari zunächst als Label und nennt sich 2009 schließlich in Atari um. Eher aus der Not heraus: das Unternehmen hat schon länger Schwierigkeiten, die zum Verkauf mehrerer Studios wie Reflections ("Driver") an Ubisoft und Shiny ("Enter the Matrix") an Foundation 9 führen. Es hilft nichts. 2013 muss Atari Insolvenz anmelden, kann sich aber dank Investoren noch einmal retten.

Seitdem probiert man mal dies und mal jenes. Man versucht sich an Free-to-Play- und Smartphone-Spielen. Kündigt 2021 an, wieder hochwertige Vollpreis-Spiele zu entwickeln, verzettelt sich mit einer Kryptowährung und träumt von NFTs. Und übernimmt vor wenigen Wochen die Spiele-Enzyklopädie Mobygames.