50 Jahre später: Das ewige Hin und Her der NASA auf dem Weg zurück zum Mond

Seite 2: Flexibler Pfad nach nirgendwo

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Nicht so für den Präsidenten, der das Geld aus dem Bundeshaushalt bereitstellt. So berief Obama eine Kommission von Fachleuten unter der Leitung des ehemaligen Lockheed-Martin-Direktors Norman Augustine ein, die Vorschläge unterbreiten sollte, wie man die NASA wieder auf Kurs bringen könnte. Diese entwarf mehrere Szenarien, darunter den "flexiblen Pfad", der vorsah, die Ares I zu streichen und eine abgespeckte Variante der Ares V, genannt "Space Launch System" SLS, zu entwickeln. Man solle auf die Mondlandung verzichten, so dass die Kosten der Mondlandefähre Altair eingespart werden könnten, und statt dessen Flüge um den Mond, zu Asteroiden und langfristig zu den kleinen Marsmonden durchführen, für deren Besuch keine Landefähre benötigt würde.

Space Launch System (SLS) der NASA (9 Bilder)

Weit hinaus

Die ambitionierten Pläne der NASA für das SLS
(Bild: NASA/MSFC)

Auf diese Weise solle der Marsflug schrittweise entwickelt werden. Die ISS solle mit Rücksicht auf internationale Partner noch bis 2020 weiter betrieben werden, aber möglichst durch private Raumfahrtanbieter beliefert und das Shuttle 2011 eingemottet werden. Obama folgte weitgehend dieser Empfehlung und stockte das NASA-Budget sogar um eine Milliarde Dollar pro Jahr auf. Die Shuttles wurden stillgelegt und private Firmen wie Boeing, SpaceX und Orbital ATK wurden beauftragt, die ISS mit Fracht zu beliefern und langfristig auch Crew dorthin zu befördern, planmäßig ab 2017.

Orbital und SpaceX beliefern die ISS seit 2013 mit Fracht, aber die Crew-Kapseln von SpaceX und Boeing sind mehr zwei Jahre hinter dem Plan, so dass die NASA dem Monopolisten Roskosmos mittlerweile 82 Millionen Dollar pro Sitzplatz in der Sojus zahlt, um Astronauten zur ISS zu bringen (zu Shuttle-Zeiten waren es noch 21 Millionen). Das Projekt, Asteroiden irgendwo auf dem Weg zum Mars mit Astronauten zu besuchen wurde von der NASA zu einer bei wenigen beliebten Variante pervertiert, von einem erdnahen Asteroiden mittels einer vollautomatischen Sonde einen großen Felsen ablösen zu lassen und ihn in den Mondorbit zu schleppen, wo ihn Astronauten hätten besuchen sollen (Asteroid Redirect Mission).

Das SLS sollte seinen ersten Testflug um den Mond (Exploration Mission 1) mit der unbemannten Orion auf einer provisorischen Oberstufe, der Interim Cryogenic Propulsion Stage ICPS, die auf einer vorhandenen, für die Beförderung von Menschen nicht zugelassenen Oberstufe der Delta-Raketen beruht, ursprünglich schon 2017 absolvieren, aber dieser verschob sich beständig weiter bis zuletzt Ende 2020. Astronautische Flüge wären nur mit der an Boeing beauftragten neuen Oberstufe Exploration Upper Stage (EUS) möglich, die frühestens 2023 für die astronautische Exploration Mission 2 zur Verfügung stehen könnte. Die ursprünglich veranschlagten 18 Milliarden US-Dollar für das gesamte Projekt beliefen sich Ende 2018 bereits auf 22,5 Milliarden (ohne die EUS, die rund 6 Milliarden kosten soll, und die für Constellation vor 2011 angefallenen Kosten), und jedes Jahr verbrennen Orion und SLS zusammen weitere 3,5 Milliarden. Obamas Mars rückte in weite Ferne.

Im Januar 2017 kam dann Donald Trump ins Amt und der bisherige NASA-Administrator Charles Bolden nahm umgehend seinen Hut. Sein Nachfolger unter Trump, Jim Bridenstine, wurde erst im April 2018 eingesetzt. Ziemlich überraschend kam daher im März 2017 die Ankündigung, dass die NASA, Roskosmos, die europäische Raumfahrtorganisation ESA, die japanische JAXA, und die kanadische CSA gemeinsam eine Raumstation, genannt "Deep Space Gateway", in der Nähe des Mondes planten, die von bis zu 4 Astro- bzw. Kosmonauten temporär über 1-3 Monate bewohnt sein würde und den Mond in einem großen Abstand auf einer elliptischen Bahn senkrecht zur Ebene der Mondbahn umkreisen solle ("Cislunarer Orbit", zwischen 1.500 km und 70.000 km Mondentfernung bei ca. 6 Tagen Umlaufzeit).

Dort könne man Langzeitaufenthalte außerhalb des schützenden Erdmagnetfelds erproben, Robotermissionen auf dem Mond fernsteuern, die Russen könnten von dort aus irgendwann Kosmonauten auf dem Mond landen und die Amerikaner gegen Ende der 2020er ein "Deep Space Transport" genanntes, noch zu entwickelndes Raumschiff mit sparsamem Ionenantrieb testen, das in den 2030ern vom Gateway aus zum Mars aufbrechen und diesen passieren oder seine Monde besuchen könne, um danach zum Gateway zurückzukehren. Einige namhafte Fachleute, unter anderem Buzz Aldrin und Ex-NASA Administrator Griffin, hielten wenig vom Gateway, weil es keinerlei Treibstoff auf dem Weg zu Mond oder Mars spare und einfach nur riesige Finanzmittel binde, die man besser in Hardware für das Erreichen der Oberfläche oder wissenschaftliche Geräte gesteckt hätte. Aber: es hält die an der Entwicklung der ISS-Komponenten beteiligten NASA-Standorte und Firmen in verschiedenen Bundesstaaten beschäftigt, was den Senat freut.

Mittlerweile wurde das Deep Space Gateway in "Lunar Orbital Platform -Gateway" (LOP-G) umgetauft. Nach letzten Plänen (März 2019) soll die Station wie folgt aussehen:

  • Ein US-Wohnmodul der NASA, basierend auf der ISS-Hardware.
  • Ein internationales Wohnmodul von ESA und JAXA mit einem Roboterarm von der CSA.
  • Ein Vielzweckmodul mit Andockstellen für Raumschiffe von Roskosmos.
  • Ein ähnliches Vielzweckmodul der NASA.
  • Ein Antriebs- und Versorgungsmodul der NASA mit Solarzellen, chemischen Triebwerken und von der ESA gelieferten Ionentriebwerken.
  • Ein Versorgungsmodul "ESPRIT" ("European System Providing Refuelling, Infrastructure and Telecommunications"), das einen wieder befüllbaren Treibstoffvorrat für den Antrieb bereit stellt, sowie Antennen für die Kommunikation mit Geräten auf der Mondoberfläche, mit anderen Raumschiffen und der Erde und eine Luftschleuse für das Be- und Entladen von wissenschaftlichen Experimenten.

Vorgeschlagener Aufbau des Gateways

(Bild: NASA)

Im Hintergrund hatten die Partner schon mehrere Jahre an dem Konzept gearbeitet. Durch die Beteiligung der ESA, die bereits das Service-Modul des Orion-Raumschiffs stellt, können sich auch deutsche Astronauten die Hoffnung machen, den Mond einmal aus der Nähe zu sehen. Die Asteroidenrückholmission war damit endgültig tot, aber ein paar Komponenten davon würde man in das neue Konzept hinüber retten, zum Beispiel entstammt das bereits in der Entwicklung befindliche Antriebsmodul der Asteroidensonde. Die Station soll nun zwischen 2022 und 2028 schrittweise aufgebaut werden, ähnlich dem Aufbau der ISS, wobei russische (Angara-, Proton) und amerikanische kommerzielle Raketen (Falcon Heavy, Delta Heavy) zum Einsatz kommen könnten. Mit dem LOP-G wäre astronautischen Flügen des SLS und Orion ein Ziel gesetzt und ein Hafen für spätere Marsflüge gegeben. Da zunächst keine Mondlandefähre vorgesehen oder budgetiert war, wäre in den 2020ern auch keine amerikanische Mondlandung vorgesehen gewesen. Geschweige denn eine auf dem Mars im folgenden Jahrzehnt.