Auf dem Weg zur grünen Großmacht

Seite 2: Ökologie und Wirtschaft sind kein Widerspruch mehr

Inhaltsverzeichnis

Saubere Technologien sollen nun der Ausweg sein. "Anfang der 2000er-Jahre hat China Umweltschutz und ein hohes Wirtschaftswachstum als Widerspruch verstanden", sagt Li. Heute wisse die Regierung: "Umwelttechnik und erneuerbare Energien sind Grundlage für weiteres Wachstum." Seit 2011 sind Investments in grüne Technologie deshalb Kernelemente der Fünfjahrespläne. In der Folge ist Chinas Kohleverbrauch in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich gefallen. Der CO2-Ausstoß ist mindestens gleich geblieben oder gesunken, ebenso der Ölverbrauch. Dazu werden Umweltgesetze verschärft und erneuerbare Energien gefördert. Kein Land investiert mehr in Solar- und Wasserenergie als China.

Bisher bezieht das Land zwar nur rund ein Prozent seines Stromverbrauchs aus Solarenergie. Doch das könnte sich rasch ändern. Bereits vor zwei Jahren hat China Deutschland mit seinen rund 42 Gigawatt Solarleistung überholt, heute sind im Reich der Mitte landesweit Photovoltaikanlagen mit 77,42 Gigawatt Leistung installiert. In den kommenden 15 Jahren soll sich die Gesamtleistung noch einmal verdoppeln. Im Großen und Ganzen eine beeindruckende Bilanz, räumt selbst Berufskritiker Li ein.

Soziale Spannungen nimmt China dabei in Kauf. Das Schließen von Kohleminen und Kraftwerken kostet Hunderttausende Menschen den Job. Betroffen sind häufig schlecht ausgebildete Arbeiter, und das in ohnehin beschäftigungsschwachen Regionen. Das führt vielerorts zur Verschleppung von Reformbemühungen. "Implementierung ist eine der größten Herausforderungen im Land", sagt Li. Dass die Entwicklung nur ein Strohfeuer ist, glaubt dennoch kaum jemand. Wenn die chinesische Führung ein Wirtschaftsziel als wichtig erkannt hat, dann verfolgt sie es in einer nationalen Kraftanstrengung.

Fachleute erstellen eine Kaskade von Plänen, die für Ministerien, Provinzen, Gemeinden und Staatsunternehmen bindend sind. 2015 etwa veröffentlichte Präsident Xi Jinping die Initiative "Made in China 2025". Der Fahrplan für die zukünftige Wirtschaft des Landes erklärt erneuerbare Energien und Umwelttechnik zu Schlüsselindustrien. Dafür stellt die Regierung großzügig Fördergelder zur Verfügung und pusht Universitäten zu mehr Forschung in diesen Bereichen. Allein 360 Milliarden Dollar sollen bis 2020 in den Ausbau der Ökoenergien fließen. Mehrere Hundert Millionen Dollar gehen in die Forschung.

Auch die Elektromobilität steht in zahlreichen dieser Masterpläne ganz oben. Der "Mittel- und Langfristplan für die Entwicklung von Wissenschaft und Technik" hat 2006 bereits die Grundlagen gelegt. Schon damals begünstigte eine Kombination aus Subventionen und Protektionismus den Aufbau eigener Anbieter. Der bekannte Autoproduzent BYD aus Shenzhen ging beispielsweise aus diesem Konzept hervor. Vier Jahre später definierte der chinesische Staat Elektromobilität als eine von sieben "strategischen Wachstumsbranchen".

Derzeit ist der Markt für Lithium-Ionen-Batterien noch in der Hand von japanischen oder südkoreanischen Firmen wie Tesla-Partner Panasonic, LG oder Samsung. Doch die chinesische Regierung hat konkrete Pläne, um die Japaner und Koreaner zurückzudrängen. "China will eine Vormachtstellung in der Produktion von Elektroautos aufbauen", sagt Wirtschaftsprofessor Ulf Henning Richter von der renommierten Tongji-Universität in Shanghai. "Dazu gehört auch ein Ausbau der Produktion von Batterien." Damit könnte sich eine Entwicklung wiederholen, wie sie die Solarbranche bereits erlebt hat. Massiv fallende Preise drängten nahezu alle nichtchinesischen Hersteller aus dem Markt.

Gleichzeitig jedoch gab sie der globalen Energiewende den entscheidenden Schwung. "Das Geschäft mit Fahrzeug-Akkus nimmt gerade richtig Fahrt auf", sagt Qin Xingcai, Chef des Staatsunternehmens Lishen aus der nordostchinesischen Stadt Tianjin. Der Manager erwartet ein "gewaltiges Wachstum und eine sehr konsequente Förderung" für den Markt für Elektroautos. Er muss es wissen, schließlich erfährt er als Parteimitglied und Topmanager eines Staatsunternehmens frühzeitig, was kommt. Das vereinfacht ihm die Entscheidung, Milliarden in den Aufbau neuer Produktionslinien zu investieren. Bis 2020 strebt er eine Produktionskapazität von 20 Gigawattstunden pro Jahr an.