Branson gibt Gas im Weltraum-Wettbewerb

Seite 2: Branson gibt Gas im Weltraum-Wettbewerb

Inhaltsverzeichnis

Gelingt es Branson und Rutan, ihren ehrgeizigen Plan einzuhalten und ab voraussichtlich 2010 den ersten Linienflug ins All zu schießen, wären sie die ersten kommerziellen Anbieter in einer boomenden Industrie für private, bemannte Raumfahrt. Bis Ende Juli hatten nach Firmenangaben rund 270 Passagiere eine Anzahlung für den 200.000 Dollar teuren Flug geleistet, weitere 85.000 Menschen aus 125 Ländern haben ihr Interesse an der mehrstündigen Reise bekundet. In den ersten zehn Jahren seines Geschäftsbetriebes will Virgin rund 100.000 Hobby-Astronauten befördern.

Dazu entsteht gerade in der Wüste von New Mexiko ein erster Raumbahnhof. Entworfen hat das futuristische Projekt mit einem Bauvolumen von 250 Millionen Dollar der Stararchitekt Sir Norman Foster. Virgin steht zudem mit weiteren Regierungen in Verhandlungen, um eine ganze Kette von Raumbahnhöfen in aller Welt anzulegen. Als nächste Standorte nannte Will Whitehorn, Präsident von Virgin Galactic, Kiruna im hohen Norden Schwedens sowie einen Standort im Norden Schottlands und ein Gelände außerhalb Barcelonas. Gespräche laufen außerdem zu nicht näher bestimmten Standorten im Nahen Osten und Asien.

Bransons Unternehmen verfolgt allerdings weiter gehende Pläne, als nur ein elitäres Shuttle mit einer maximalen Reisehöhe von 110 Kilometern zu betreiben. Prominente Passagiere sind die Testkandidaten, um eine umfassende Raumspedition zu entwickeln. Whitehorn pries die offene Architektur des Systems, die es anderen Herstellern erlauben werde, Satelliten mit wiederverwertbaren Triebwerken oder andere Nutzlasten einzuklinken. „Eine Riesenrakete mit einer schmutzigen Explosion vom Erdboden aus zu starten, das war 50 Jahre lang die vorherrschende Option. Das lag auch am Mangel an neuen Werkstoffen.“

Mit dem neuen Virgin-Trägerflugzeug hätten Luft- und Raumfahrthersteller nun ein Vorbild und Ansporn, um verstärkt Verbundstoffe und effizientere Triebwerke einzusetzen. Selbst neueste Passagierflugzeuge wie Boeings 787 Dreamliner bestünden nur zu 50 Prozent aus Verbundstoffen.

„Wenn unser System nur Menschen ins All befördern würde, wäre mir das persönlich genug“, erklärte Branson. „Das würde bereits einer Menge Menschen die Augen öffnen, wie wichtig der Weltraum für die Zukunft unserer Zivilisation und unseres Planeten ist.“ So hofft Branson, dass Forscher unter anderem Solarkraft im All ernten werden, um den wachsenden Bedarf auf Erden zu decken.

Verglichen mit einer Reise zur Internationalen Raumstation (ISS) oder zur Umlaufbahn von Satelliten ist die maximale Flughöhe des Virgin Doppelpacks nur ein winziger erster Schritt. Gleichwohl bietet der Start eines Forschungssatelliten oder anderer Nutzlasten aus 15 Kilometer Höhe Vorteile, was die Kosten, Flexibilität und den Energieverbrauch angeht.

Das Trägerflugzeug, von dem Rutan in den kommenden 12 Jahren rund ein Dutzend bauen will, plus weitere 40 bis 50 Raumfähren, um täglich mehrere Starts und Landungen durchzuführen, ist dabei nur der Anfang. Eine lukrative Nutzung des neuen Trägersystems ist der Flug zwischen zwei Punkten auf der Erde in einer bislang unerhörten Reisehöhe. Sowohl Branson als auch Rutan erwarten solche Linienflüge in nicht allzu ferner Zukunft.

Diese Pläne werden eine ganze Branche ins Leben rufen. „Wir müssen wirtschaftlich erfolgreich sein, um das Potential einer neuen Industrie zu entfachen“, so der Virgin-Gründer. Er verglich die Wachstumsmöglichkeiten mit dem Boom der Mobilfunkbranche und des Internets, die ebenfalls erst von ihrem militärischen Erbe befreit werden mussten, um sich voll zu entfalten.

Das sieht Peter Diamandis, Gründer der X-Preis-Stiftung, ebenso. „Ich hoffe, dass mit diesem Raumfahrzeug der Funke überspringt, um Investoren und Unternehmer zu überzeugen, dass sich private Raumfahrt lohnt.“ Diamandis betreibt unter anderem die Zero Gravity Corp. und ist einer der Mitgründer von Space Adventures, die vermögende Passagiere mit der russischen Raumfähre Sojuz zur ISS fliegt. Er erwartet, dass sich in wenigen Jahren ein halbes Dutzend privater Betreiber von suborbitalen Flügen am Markt behaupten werden. „Wir brauchen einen Netscape-Effekt – eine Art Börsengang bei der privaten Raumfahrt“, so der Unternehmer, dessen Stiftung gerade einen Preise für die erste private Mondsonde ausgelobt hat.

Diamandis glaubt, dass sich eine solche Initialzündung in den nächsten zwei bis drei Jahren ereignet. Branson ist nicht der einzige vermögende Unternehmer mit Weltraum-Ambitionen. So haben auch der Internet-Milliardär Elon Musk und Amazon-Gründer Jeff Bezos ihre eigenen Raumfahrtfirmen gegründet. Bezos hüllt sich allerdings in Schweigen, wenn es um den Fortschritt seiner Firma Blue Origin und des senkrecht startenden Raumschiffs namens New Shepard geht, das in der Einöde von Texas entwickelt wird. Auf einer Technologie-Konferenz in Silicon Valley verriet Bezos vergangene Woche lediglich, dass man vor einem ersten Teststart noch jede Menge Experimente vor sich habe.

Bis zur Aufnahme seines Geschäftsbetriebs, dem eine Zulassung durch die US-Behörden für Luftfahrt und Raumfahrt vorangeht, bereitet sich Virgin intensiv auf die ersten Hobby-Astronauten vor. So stellt das Unternehmen gegenwärtig seine Mannschaft von Raumpiloten zusammen, die aus den Rängen seiner vier internationalen Fluglinien rekrutiert werden. Ein erstes Team von drei Virgin-Piloten erarbeitet die Rahmenbedingungen der 27 Monate dauernden Ausbildung, um sowohl den WhiteKnight als auch das SpaceShip zu fliegen.

Anfangs werde man bei einem Start täglich mit vier Piloten auskommen, erklärt Betriebsleiterin Julia Tizard. Mittelfristig werde man einen Pool von 20 bis 30 Raumkapitänen aufbauen. „Inzwischen bewerben sich Piloten bei uns, weil sie darauf hoffen, auch bei Virgin Galactic fliegen zu können.“ Der erste Simulator für Trägerflugzeug und Raumfähre, die beide ein identisches Cockpit besitzen, hat in der Mojave-Wüste bereits seinen Betrieb aufgenommen. (wst)