Bremsklötze: Wie Politik und Wirtschaft den Breitbandausbau verzögern
Seite 4: Kritik an der Baubranche
Aus Sicht der Länder und Kommunen kann der Betrag kaum hoch genug sein. Ganz anders sehen das die Telekommunikationsunternehmen: "Die Wirtschaft hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass drei Milliarden Euro Fördermittel nicht zeitnah verbaut werden können", sieht VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner hier das Hauptproblem. Sie habe auch immer wieder gewarnt, dass mit der Förderung nicht sinnvoll ausgebaut werde: Statt sukzessive Orte anzuschließen, die entlang einer Trasse liegen, seien bislang einzelne Orte durch die Förderung vorgezogen und die Kosten damit erhöht worden.
Dass die Mittel nicht verbaut werden könnten, kreidet Grützner hauptsächlich der Baubranche an. Die baue kaum zusätzliche Kapazitäten auf und verhindere lieber schnellere Verlegemethoden, statt neue Maschinen anzuschaffen. Was der Interessenvertreter damit meint: Maschinen, mit denen vor allem neue Verlegetechniken wie das Trenching schneller möglich werden. Um solche "mindertiefen Verlegetechniken" tobt seit Jahren ein wilder Kampf, denn es geht um eine der vielleicht deutschesten aller Fragen: Wer haftet, wenn die Bauausführung binnen zehn Jahren Schäden verursacht?
Diskussion statt Ausbau
Nicht nur, dass die Realität im Untergrund des Straßenlandes gerade in altem Siedlungsbestand nicht immer normgerecht ist, Gas-, Wasser-, Abwasserrohre, Telefon- und Stromkabel also nicht in der jeweils vorgesehen Tiefe liegen. Auch von einem "kaum darstellbaren Preisniveau", das sich die Telekommunikationsanbieter wünschten, berichtete etwa der Rohrleitungsverband 2020. Der Kostendruck führe zu unqualifizierten Auftragnehmern und Schäden an den Füllstellen aufgefräster Straßen.
Das Problem liege darin, dass es bislang keine "anerkannten Regeln der Technik" für solche Verfahren gebe, berichtet Alexander Handschuh vom Städte- und Gemeindebund. Betroffene Kommunen könnten Schadensersatzansprüche daher kaum durchsetzen: "Niemand will sich seine Straße zerstören lassen und dann auf den Schäden sitzenbleiben, weil der Nachweis eines Fremdverschuldens nicht erbracht werden kann." Denn die Kommunen sind für die Instandhaltung der Straßen auch dann zuständig, wenn diese durch Dritte beschädigt werden – zugleich aber müssen sie die Verlegung von Telekommunikationsinfrastruktur im Regelfall erlauben.
Haftungs- und Normierungsfragen
Bayerns Digitalstaatsministerin Judith Gerlach etwa fordert von Volker Wissing deshalb einen Haftungsfonds. "Die Finanzierung des Haftungsfonds soll dabei durch den Bund ohne Beteiligung der Netzbetreiber erfolgen", so Gerlach in ihrem Brief an den Minister. Ob ein solcher kommen soll, wird von Wissings Haus derzeit geprüft. Doch auch ein anderer Weg könnte das Problem reduzieren.
Denn eine deutsche Lösung für dieses sehr deutsche Problem ist natürlich die Normierung: Bereits seit zwei Jahren arbeitet der DIN-Normenausschuss Bauwesen an der Norm "NA 005-10-11 AA Trench-, Fräs- und Pflugverfahren zur Legung von Glasfaserkabeln". Sie soll nun Frieden schaffen zwischen den Beteiligten und festlegen, wie Trenching in Deutschland fachgerecht ausgeführt sein muss.
Von dieser Norm erhoffen sich die Beteiligten einen großen Schub: "Eine anwenderfreundliche Normierung alternativer Verlegemethoden ist ein wichtiger Schritt, um bestehende Vorbehalte in den Bauämtern abzubauen und so zur Vereinfachung und Beschleunigung der vielen aktuell anstehenden Genehmigungsverfahren beizutragen", sagt Sven Knapp vom Breitbandverband Breko. Alexander Handschuh vom Städte- und Gemeindebund sieht in der DIN-Norm gemeinsam mit neuen Regelungen im Telekommunikationsgesetz auch einen ausreichenden Haftungsrahmen. Wenn diese Norm kommt, sei ein Haftungsfonds nicht mehr ganz so dringlich.