CNG im Auto: Die Abrechnung für Erdgas-Fahrzeuge

Mit dem absehbaren Erdgas-Ausstieg von Volkswagen stehen Erdgas als Treibstoff-Alternative zu Benzin und Diesel schwere Zeiten bevor. Hat CNG noch eine Chance?

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CNG im Auto: Die Abrechnung für Erdgas-Fahrzeuge

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Erdgas als Alternative zu Benzin und Diesel ist im Prinzip ein toller Zwischenschritt, die Emissionen schnell signifikant zu senken. Doch die Feststellung, dass die deutschen Kunden das nie in großem Umfang honoriert haben, wäre eine maßlose Untertreibung. 2019 wurden hierzulande 7623 Neuwagen mit Erdgasantrieb verkauft, was einem Rückgang von fast 30 Prozent entspricht. Hat CNG (Compressed Natural Gas) noch eine Chance?

Nun, bekanntermaßen ist die Oper erst aus, wenn die dicke Frau aufhört zu singen. Doch allzu kräftig ist die Stimme nicht mehr, denn kein Fahrzeughersteller verfolgt das Thema noch mit Leidenschaft. Volkswagen kündigte im Mai 2017 eine große Erdgas-Initiative an, zahlreiche neue Modelle sollten erscheinen, flankiert vom Plan, ein Netz mit rund 2000 CNG-Tankstellen im Bundesgebiet zu schaffen. Drei Jahre danach ist davon nichts mehr übrig, woran der Volkswagen-Konzern gewiss nicht allein die Schuld trägt.

Doch ein Teil des Dramas geht fraglos auf das Konto der Konzern-Strategie. Der CNG-Antrieb in Audi A4 und A5 startete mit gewaltiger Verspätung. Der VW Polo TGI (Test) war kaum auf dem Markt, da sickerte durch, dass Volkswagen binnen Jahresfrist den Erdgastank vergrößern wird. Der kleinste Erdgas-Antrieb wird nur noch im VW Up angeboten, Seat und Skoda bieten Mii und Citigo inzwischen ausschließlich als E-Auto an. Wird die Förderung von Industrie und Steuerzahler für E-Autos eingerechnet, ist ein VW eco Up mit Erdgasantrieb teurer als ein e-Up (Test), was eine Aussage zu seinem mittelfristigen Verbleib einfach macht: Den wird es nicht geben. Und zwar ganz unabhängig davon, wie groß die Schnittmenge der potenziellen Käuferschicht ist.

All das hat der großen Volkswagen-Erdgas-Initiative sicher keinen Rückenwind verschafft. Der endgültige Todesstoß kam dann Anfang März 2020. Volkswagen beklagt eine mangelnde Kundenresonanz auf Erdgas-Autos und kündigt an, die aktuellen Modelle werden deshalb keine Nachfolger mehr bekommen. Wenn der Marktführer das Geschäft nicht rentabel gestalten kann, wird das für die kleineren Anbieter noch schwerer.

Erdgas-Modelle (10 Bilder)

Erdgas ist als Alternative zu Benzin und Diesel hierzulande leider nie so recht in Fahrt gekommen. Nun schwinden die Chancen, dass sich das noch einmal ändert. (Bild: Aral)

Wie dominierend Volkswagen ist, zeigt das Bild in den Autobörsen. Knipst man dort den Marktführer mit seinen Konzernmarken aus, sind schätzungsweise 95 Prozent des Angebots an Neuwagen und Tageszulassungen verschwunden. Fiat ist noch mit wenigen Modellen dabei, Opel stieg 2019 aus, Mercedes schon vor Jahren. Zwar verteilt sich der winzige Anteil der Neuwagenkunden, die auf Erdgas schwören, nun auf noch weniger Anbieter. Doch der Kuchen ist so klein, dass trotzdem keiner davon ein profitables Geschäft aufbauen kann.

Mit dem Ausstieg von Volkswagen gerät zudem die Situation der Tankstellen endgültig auf eine schiefe Ebene, die das Abrutschen beschleunigen wird. Etwas mehr als 800 Tankstellen sind es bundesweit noch, und selbst die größten Optimisten werden inzwischen mutmaßlich die Hoffnung aufgegeben haben, diesen sich Trend wieder umkehren zu können. Erdgas im Pkw ist Geschichte, die Frage ist nur noch, wie lange das Sterben dauern wird.

Mit dem sich erst abzeichnenden Ende des Neuwagenangebots und einem Bestand von knapp 100.000 Fahrzeugen könnte es noch etwas dauern. Doch dem Konzept fehlt mehr denn je das entscheidende: Die Zukunft. Fehlt diese aber, werden interessierte Käufer, die schwanken, nicht auf Erdgas setzen. Genau diese Käufer bräuchte es aber, um die CNG-Idee in die Breite zu tragen. Die Chance dafür strebt gerade zügig Richtung Null. Das große Elektrolyse-Projekt in Brunsbüttel zur Herstellung von synthetischen Gasen wird andere Bereiche der Energieversorgung abdecken, im Verkehr sind die Weichen längst in eine andere Richtung gestellt.

Dabei waren die Ansätze durchaus vielversprechend. Erdgas lässt sich synthetisch herstellen. Eine entsprechende Anlage hatte Audi in Betrieb genommen zusammen mit dem Versprechen, für jedes Kilogramm, das Erdgas-Audis tanken, die entsprechende Menge an synthetischem Erdgas ins Netz zu speisen. CNG könnte so einen Schritt in Richtung Dekarbonisierung machen und Lücken dort schließen, wo E-Autos sie derzeit noch übrig lassen. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn ein Vielfahrer lange Strecken schnell zurücklegen muss. Doch diese Klientel setzt auf Dieselmotoren oder neuerdings auch auf Plug-in-Hybride, weil diese steuerlich gefördert werden. Erdgas war und ist hier kaum ein Thema.

Die Vorteile von Erdgas als Treibstoff liegen auf der Hand und sind seit Jahren bekannt. In monovalenten CNG-Fahrzeuge lässt sich die im Vergleich zum Benziner höhere Klopffestigkeit von 130 Oktan für eine höhere Verdichtung nutzen, was der Effizienz zugutekommt. Zudem verbrennt Erdgas viel sauberer als Benzin oder Dieselkraftstoff. Feinstaub und NOx müssen hier nicht in einer Abgasnachbehandlung aufwendig beseitigt werden.

Heftig ist auch der Unterschied bei den CO2-Emissionen im WLTP. Ein VW Polo TGI ist dort mit 103 Gramm CO2 je km angegeben, Polo TDI und TSI mit 127g/km. Ähnlich auch das Bild beim Seat Arona (Test), der mit Erdgas 104 g/km emittiert, mit Benzin 128 g/km und im Audi A5, der mit Erdgas (Test) ab 120 g/km, mit Benzin ab 150 und mit Diesel ab 134 g/km angegeben ist. Wobei im A5 Benziner und Dieselmotor 20 PS mehr leisten.

Auch der ADAC untermauerte kürzlich die Vorteile von Erdgas als Kraftstoff. Das Ranking im Ecotests führen die Erdgasversionen von VW Polo und VW Golf an. Günstiger ist das Ganze auch noch: Ein Kilogramm H-Gas enthält die Energie von rund 1,28 Litern Diesel beziehungsweise 1,44 Litern Benzin. Mit rund 4 kg Erdgas lassen sich Autos wie ein Seat Leon ST TGI (Test) locker 100 km bewältigen, das entspricht derzeit etwa 5 Euro Kraftstoffkosten.

All diese Vorteile haben die Kunden nicht überzeugen können, rostige Tanks samt den schrecklichen Folgen haben das Vertrauen ebenso erschüttert wie alte Schilder in Tiefgaragen verunsichern, die eine Einfahrt mit Erdgas verbieten. Dazu kommt der deutlich höhere Kaufpreis, der erst einmal wieder eingefahren sein will. Kritiker werfen zudem den Methanschlupf in die Diskussion. Das Umweltbundesamt führt aus, dass Methan, bezogen auf den Treibhauseffekt, 25-mal so wirksam ist wie Kohlendioxid. Der Verkehr trägt im Vergleich zur Fleischproduktion allerdings kaum nennenswert zu einer Methanfreisetzung in der Atmosphäre bei.

Politik und Industrie haben sich längst für eine batterieelektrische Zukunft entschieden, die, auch durch den Abgasbetrug von Volkswagen, nun sehr viel früher beginnt als ursprünglich vorgesehen. Erdgas als Zwischenlösung für den Ersatz von Benzin und Diesel kam hierzulande nie groß in Fahrt und ist jetzt einfach von der Zeit überholt worden. Trotz Einschränkungen liegen die Verkaufszahlen von Elektroautos schon jetzt über denen von CNG-Modellen, und die Spanne geht immer weiter auf, angetrieben durch ein Subventionsfeuerwerk und zahlreichen neuen E-Autos.

(mfz)