Countdown für Containerriesen

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Noch aber liegen die Triple-E-Frachter in den Trockendocks der Daewoo-Werft in Okpo, Südkorea. Stählerne Gerippe, auf die allmählich vorgeformte Bleche geschweißt werden, die als Sektionen anschließend zum fertigen Ozeanriesen montiert werden. Zwölf Schiffe werden hier gleichzeitig produziert. Hunderte Kilometer Rohrleitungen und Tausende Kilometer Kabel verlegen die Arbeiter in jedem Schiff. 60000 Tonnen Stahl benötigt einer der Frachter, das wäre genug, um daraus acht Eiffeltürme zu bauen. Diese Größe hat ihren Preis: Rund 152 Millionen Euro, so heißt es in der Branche, koste ein einziges Schiff. Nicht viel mehr als eine "Emma Maersk". Gleich 20 Triple-E-Schiffe hat Maersk bestellt.

Von der Größe her – dem ersten der drei Es – setzen die Triple-E zwar einen neuen Rekord, aber nur einen hauchdünnen: Mit 400 Metern Länge und 59 Metern Breite sind sie lediglich drei Meter länger und 2,6 Meter breiter als Noch-Rekordhalterin "Emma Maersk". Dennoch macht die kleine Änderung den großen Unterschied: Statt 22 passen nun 23 Container nebeneinander. Wegen der neuen Rumpfform – die "Emma Maersk" ist im Querschnitt V-förmig, Triple-E hat die Form eines Us – läuft die zusätzliche Containerreihe über die gesamte Schiffslänge und bis zu 20 Lagen hoch. "Länge läuft, Breite verdient", bringt es Carlos Jahn, Leiter des Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg-Harburg, auf den Punkt. Der stumpfe U-Querschnitt des Rumpfes erlaubt es, im Schiffsbauch mehr Container zu verstauen. Ein weiterer Trick der Ingenieure bringt ein zusätzliches Plus an Zuladung: Sind bei der aktuellen Generation Brücke und Maschinenhaus noch vereint, so sind sie bei den Triple-E-Frachtern räumlich getrennt. Die 50 Meter hohe Brücke ist auf dem Schiff nach vorn gerückt.

Dadurch können die Container hinter der Brücke höher gestapelt werden, ohne dem Kapitän die Sicht zu verstellen. Insgesamt trägt die Triple-E-Serie so 2500 Container mehr als die "Emma Maersk" – ein Plus von 16 Prozent. Die spezielle Form der Schiffe dient auch dem zweiten E, der Energieeffizienz: Weil der U-förmige Rumpf aufgrund seines hohen Widerstands nicht so schnelle Geschwindigkeiten zulässt wie der V-Querschnitt der "Emma Maersk", begnügt sich der Triple-E-Frachter mit einer Dienstgeschwindigkeit von 19 Knoten (35 km/h), und auch die Maximalgeschwindigkeit ist mit 23 Knoten (42 km/h) relativ langsam. Die "Emma Maersk" pflügt mit bis zu 27 Knoten (50 km/h) durch die Weltmeere. Die Entdeckung der Langsamkeit hat positive Folgen: Ein Triple-E-Frachter verbraucht 20 Prozent weniger Treibstoff pro Container. Slow steaming nennen Schiffsingenieure diesen Fahrtmodus. "Die Relation zwischen Geschwindigkeit und Leistung verläuft nicht linear", erklärt Maersk-Mann Rens Groot, Projektmanager der Triple-E-Schiffe. "Ist die Geschwindigkeit halbiert, reduziert sich der Verbrauch deutlich stärker." Trotzdem sind die Verbräuche absolut betrachtet noch immer gewaltig: Täglich schluckt Triple-E bis zu 200 Tonnen Diesel aus den 14000 Tonnen fassenden Treibstofftanks.

Weitere technische Neuerungen erhöhen die Effizienz: Die bis zu 260 Grad Celsius heiße Abwärme der Schornsteine wird zur Stromerzeugung genutzt. Die Wärmerückgewinnungsanlage liefert bei Vollgas zehn Megawatt. An Land könnte man damit eine Kleinstadt versorgen, an Bord eines Schiffes, auf dem nur 20 Personen arbeiten, unterstützen E-Motoren die Antriebsmaschinen bei der Arbeit – im Prinzip genauso wie den Radler auf einem Pedelec. Siemens liefert die Systeme für die 20 Triple-E-Schiffe und ist stolz auf den 50-Millionen-Euro-Deal.

Der größte Unterschied zu allen anderen Schiffsgenerationen wird sich erst tief unten, im Bauch der Riesenfrachter, zeigen. Dort dröhnen statt eines einzelnen Dieselmotors gleich zwei. Die Aggregate sind kleiner und schwächer als der 110000 PS starke 14-Zylinder der "Emma Maersk". Sie bringen es zusammen auf "nur" 86000 PS, mit denen zwei Wellen und zwei Propeller angetrieben werden – ein Novum im Containerschiffbau. Weil ein einzelner Propeller schlicht zu groß geworden wäre, um den nötigen Schub zu erzeugen, entschieden sich die Konstrukteure für zwei kleine mit je vier Schaufeln und einem Durchmesser von 9,8 Metern. So sieht das Schiff im Heckbereich aus, als wären es zwei. Die neue Bauart, Fachleute nennen sie Twin-Skeg, sorgt dafür, dass die vom Rumpf verdrängten Wassermassen den beiden Propellern zugeführt werden – und zwar ohne Verwirbelungen, die wiederum Energie fressen würden. Auch daran haben die Ingenieure lange getüftelt und vorab unzählige Versuche im Schlepptank durchgeführt. "Der Wirkungsgrad von Twin-Skeg-Zweischraubern ist einfach besser", sagt Uwe Hollenbach von der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt, wo die Schiffe als Modelle getestet wurden. "Das ist seit Längerem bekannt, etwa von den Stena-Max-Tankern mit dem gleichem Antriebskonzept." Trotzdem findet es Hollenbach mutig, dass Maersk auf ein für Containerschiffe völlig neues Antriebskonzept setzt.

Der doppelte Antriebssatz bietet auch in puncto Sicherheit Vorteile. Wenn ein Motor ausfällt, bleibt das Schiff einsatzbereit. Außerdem kann jeweils eine Maschine während der Fahrt gewartet werden, das spart wertvolle Liegezeit im Hafen. Allerdings ist die Redundanz auch teurer: Die vielen gebogenen Stahplatten im Heck treiben den Preis hoch.

Diese Effizienz setzt neue Maßstäbe, darin sind sich alle Experten einig. Doch über die Frage, ob solche Riesenschiffe sicher und wirtschaftlich sinnvoll sind, gehen die Meinungen auseinander. Bislang hat die "Economy of Scale" funktioniert, sonst wären die Containerfrachter über die Jahre nicht immer größer geworden: Galten 1995 noch 6500 TEU als groß, hat sich die Kapazität inzwischen fast verdreifacht (siehe Grafik). In einigen Jahren werden vielleicht schon Schiffe mit 24000 TEU die Meere befahren. Technisch machbar sind solche Giganten, da ist sich die Fachwelt einig. Doch die Statik solcher Riesenschiffe ist kompliziert: "Lange Schiffe müssen eine gewisse Flexibilität mitbringen", sagt Jan-Olaf Probst. "In der Mitte haben sie wegen des voluminösen Bauchs mehr Auftrieb als an den Enden. Dadurch biegen sie sich durch und machen einen Katzenbuckel."