Das Problem mit dem Rebound

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Dabei ist es augenfällig: Technik wird effizienter, seit es sie gibt; noch nie ging deshalb der globale Energieverbrauch zurück. Wie effizient (fossile) Energie genutzt wird, ist für das Klima vollkommen irrelevant: Es kommt allein darauf an, wie viel davon verbraucht wird. Und deshalb ist Effizienzsteigerung keine Klimaschutzmaßnahme. Sondern eine ökonomische Maßnahme, um mit weniger Energie umzugehen. Es ist eine gute Nachricht, wenn die Energieökonomen sagen, dass das Potenzial von Effizienzsteigerungen riesig sei: Das bedeutet, dass die Wirtschaft eine Energieverknappung leicht vertragen dürfte. Man darf aber nicht erwarten, dass Effizienzsteigerung automatisch zu Minderverbrauch führt.

Substitution – oder Zusatzfutter?

Das zweite Lieblingskind der Energiepolitik ist die Substitution, die Ersetzung fossiler durch erneuerbare Energiequellen (je nach politischer Präferenz auch durch Atomenergie). Weltweit werden derzeit achtzig Prozent des Energiebedarfs mit fossilen Energieträgern gedeckt. Können erneuerbare Energiequellen diesen Anteil übernehmen? Diese Frage zerfällt in zwei Teilfragen. Denn Substitution – Ersetzung – geschieht in zwei Schritten: Etwas Neues wird hinzugefügt, etwas Altes entfernt. Deshalb lauten die Teilfragen: Ist das Potenzial vorhanden? Und: Was bewirken neue Energieangebote aus erneuerbaren Quellen auf dem Energiemarkt? Die erste Teilfrage betrifft das Hinzufügen, die zweite Teilfrage betrifft das Entfernen. Worauf es fürs Klima ankommt, ist einzig das Zweite – die Entfernung fossiler Energieträger aus der Wirtschaft. Die politische Diskussion dreht sich aber einzig um das Erste – die Förderung erneuerbarer Energien. Ob erneuerbare Energieangebote, die neu auf den Markt gelangen, die fossilen tatsächlich ersetzen – oder ob sie zusätzlich konsumiert werden – scheint empirisch noch nicht untersucht worden zu sein. Aber man kann sich mit theoretischen Überlegungen behelfen.

Ein zusätzliches Angebot drückt zunächst auf den Preis. Wenn der Preis sinkt, werden einige Anbieter nicht mehr Gewinn bringend produzieren können und aufgeben. Substitution findet also statt. Aber der tiefere Preis kurbelt die Nachfrage an, es wird insgesamt mehr nachgefragt . In welchem Verhältnis diese beiden Reaktionen zueinander stehen, hat mit der Marktsituation und mit den Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage zu tun. Kapitalintensive Großkraftwerke mit hohen Fixkosten und tiefen variablen Kosten werden bis zu einem gewissen Punkt auch zu Dumpingpreisen weiter produzieren. Verdrängt werden zuerst kleinere Anlagen mit niedriger Marge und geringem Kapitalpolster. Es besteht die Gefahr, dass neue Angebote zuerst bestehende Angebote erneuerbarer Energien vom Markt drängen.

Politszenarien gehen heute in der Regel davon aus, dass Substitution zu hundert Prozent stattfindet. Das führt zu einer ähnlichen Überbewertung des Substitutionspotenzials erneuerbarer Energien, wie das Vernachlässigen von Rebound zu einer Überbewertung der Energieeffizienz führt. Auch die Methodologie zur Bewertung so genannter »Klimaschutzprojekte«, die Reduktionszertifikate für den Emissionshandel generieren, ignoriert alle Reboundeffekte. Deshalb sind diese Zertifikate systematisch überbewertet (selbst wenn es bei der Zertifizierung mit Rechten Dingen zugeht, was sehr häufig nicht der Fall ist) und haben mithin keinen Klimaschutz, sondern Mehremissionen zur Folge.

Bleibt die Suffizienz. Natürlich ist auch ihr Potenzial riesig: Es gibt ein menschenwürdiges Leben ohne Flugreisen und elektrische Wäschetrockner, und niemand braucht Hundert-und-mehr-PS-Fahrzeuge zum Glücklichsein. Man könnte also an die Bürger appellieren, sie sollten sparen, und den Moralfinger erheben. Doch auch Suffizienz unterliegt, wie bereits erwähnt, einem gewissen Rebound – wer sparsam lebt, riskiert, dass ein anderer verbraucht, was er spart. Es ist das Problem der Allmende, das sich nicht auf der Ebene des Induviduums lösen lässt. [http://dieoff.org/page95.htm]

Den Hahn zudrehen

Kinder spielen mit einem Brunnen, der aus vielen Rohren Wasser speit. Halten sie ein Rohr zu, speien die anderen um so stärker. Das ist lustig. Was aber, wenn der Brunnen aus Milliarden Rohren speit? Die Energieeffizienz zu steigern und erneuerbare Energieträger zu fördern gleicht dem Versuch, den Wasserdurchfluss durch einen solchen Brunnen zu reduzieren, indem man einzelne Rohre zuhält. Was wäre besser? Man sollte nicht zu weit nach einer Antwort suchen: Man muss den Wasserhahn der Zuleitung zudrehen. Nur wenn weniger Kohlenstoff in die Wirtschaft rein geht, kommt weniger Kohlendioxid hinaus.

Auszug aus:
Marcel Hänggi, Wir Schwätzer im Treibhaus. Warum die Klimapolitik versagt, Rotpunktverlag, Zürich 2008, 285 Seiten, 21,50 Euro. (nbo)