Der Mann, der den Alkohol zähmt

Seite 3: Akzeptanz des Alkoholersatzes?

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"Ich wünsche mir, wenn die Leute das statt Alkohol trinken und keine schlechten Erfahrungen damit machen, dass sie es vielleicht wirklich bevorzugen", sagt Nutt. Aber er weiß, wie lang der Weg bis dahin sein kann. Allein die gesetzlichen Hürden sind immens. Seine Erfahrungen mit anderen Substanzen haben den Psychopharmakologen zum gebrannten Kind gemacht. Nutts Institut hat als eines von wenigen weltweit Patienten mit behandlungsresistenter Depression Psilocybin gegeben, um dessen Sicherheit zu testen – mit bemerkenswerten Ergebnissen, die 2016 veröffentlicht wurden.

Psilocybin ist der Wirkstoff aus "Magic Mushrooms". Eine einzige niedrige Dosis führt zu einem mehrstündigen Trip, befreite aber ein Drittel der Teilnehmer für sechs Monate von den Beschwerden. Sie berichteten zwar über Angstgefühle während des Trips, schwere Nebenwirkungen gab es aber keine. Beinahe wäre es allerdings nicht zu dieser Entdeckung gekommen. "Psilocybin wird wie Plutonium behandelt und ich wie ein Drogendealer", beschreibt Nutt den Beschaffungsprozess. "Die Regularien sind so irre, dass diese Art Forschung fast unmöglich ist." Der Wissenschaftler hatte Fördermittel für drei Jahre erhalten. 32 der kostbaren 36 Monate musste er für das Einholen einer speziellen Erlaubnis opfern.

Großes Potenzial im medizinischen Bereich sieht Nutt für Psilocybin und LSD darüber hinaus in der Suchtbehandlung sowie im Falle von Ecstasy bei posttraumatischem Stress. Daher kämpft er für die Enttabuisierung dieser Drogen. Wenn ihr medizinischer Einsatz gefahrlos möglich sei, zum Beispiel in niedrigen Dosen, sollten sie seiner Meinung nach zugelassen werden. Deutschland sei mit der Freigabe von Cannabis für die Schmerzbehandlung von Schwerkranken und in der Palliativversorgung auf dem richtigen Weg.

Die häufig geäußerte Befürchtung, Cannabis sei eine Einstiegsdroge, lässt der Wissenschaftler nicht gelten. "Die meisten Konsumenten machen nicht mit harten Drogen wie Heroin weiter", sagt er. Wenn doch, dann deshalb, weil das Cannabis von einem Dealer kam, der seine Kunden bewusst angefüttert hat. "Genau deshalb wurden in Holland die Coffee Shops eingerichtet, um die Märkte für Cannabis und harte Drogen voneinander zu trennen – mit gutem Erfolg", sagt Nutt. Dem stimmt auch Jan van Amsterdam zu. Bei medizinischen Anwendungen wäre diese Trennung sogar noch rigoroser.

Nutt hofft, dass es für die nächsten Generationen nicht nur in der Drogenpolitik zu vernünftigen Änderungen kommt. Sondern dass sie auch seinen Alkoholersatz goutieren. Mein Glas Bourbon hat zwar keinen großen Effekt gehabt. Aber Nutt versichert, dass ich nach fünf weiteren Drinks verstehen würde, wie groß der Unterschied gegenüber echtem Whiskey sei. "Sie wären nach dem sechsten Bourbon total betrunken. Nach sechs Alcosynths aber nur ziemlich happy."

(bsc)