Der Weltraum-Tourismus ist (fast) da – für Superreiche

Seite 2: SpaceX braucht die Werbetrommel nicht zu rühren

Inhaltsverzeichnis

SpaceX hat sich selbst nie so penetrant als weltraumtouristisches Unternehmen präsentiert wie die Konkurrenten Blue Origin und Virgin Galactic. Während die Crew Dragon den ganzen Weg bis in die niedrige Umlaufbahn zurücklegt, reisen die SpaceShipTwo-Rakete von Virgin Galactics und die New Shepard von Blue Origin nur bis in den suborbitalen Raum. Hier bekommen Passagiere einen Eindruck von Mikrogravitation und können die Erde für einige Minuten von sehr weit oben betrachten – und das für deutlich weniger Geld.

Trotzdem: Geht es darum ein Business aufzubauen, das sich weiter hervorwagt und mit höheren Kosten und mächtigeren Raketen aufwartet, dann ist SpaceX jedem anderen Unternehmen mit diesen vier Missionen voraus. Als die Crew Dragon erstmalig Astronauten der NASA im vergangenen Jahr in den Weltraum beförderte, war eine der größten Fragen, ob es überhaupt Kunden außerhalb der NASA geben würde, die an einer solchen Unternehmung interessiert wären.

"Viele Menschen glauben, dass es einen Markt für Weltraumtourismus gibt", sagt Howard McCurdy, Experte für Raumfahrtpolitik an der American University in Washington, DC. "Aktuell betrifft das jedoch nur eine Oberschicht. Sobald Transportmöglichkeiten sich verbessern, hofft man, dass die Kosten sinken. Da bleibt abzuwarten, ob sich ein neues Unternehmen allein mit Weltraumtourismus halten könnte. Ich halte das für fraglich."

Warum aber laufen die Vorstöße von SpaceX im Bereich der Privatmissionen bislang so gut? Teilweise dürfte es daran liegen, dass es sich bei der "Marke" zurzeit um einen attraktiven Partner handelt. Doch selbst wenn der Markt es nicht hergeben würde, dass Privatmissionen zu einem profitablen Unternehmen werden, braucht SpaceX sich nicht zu sorgen: Es hat genug andere Wege, um Einkommen zu generieren.

"Ich bin mir nicht sicher, ob es Elon Musk viel kümmert, mit diesem Geschäft Geld zu machen", sagt McCurdy. "Aber er ist sehr gut darin, seine Unternehmen zu nutzen und zu finanzieren." SpaceX schickt Satelliten für Regierungen und Geschäftskunden auf der ganzen Welt ins All; es hat Verträge mit der NASA, um sowohl Astronauten als auch Fracht zur Raumstation zu befördern; und der Ausbau der Starlink-Konstellation läuft dermaßen flott, dass Kunden noch in diesem Jahr Internetdienste darüber angeboten werden sollten.

"Wenn Sie ein Geschäft haben, das allein auf den Start von Raketen und Weltraum-Technik basiert, dann reduziert sich das wirtschaftliche Risiko wirklich, wenn sie mehrere Geschäftsmodelle und Einkommensquellen haben", erklärt McCurdy. "Der Markt für Weltraumtourismus ist noch nicht groß genug, um ein kommerzielles Weltraumunternehmen aufrechtzuerhalten. In Kombination mit Regierungsaufträgen, privaten Investitionen und Verkäufen ins Ausland wird es tragfähig."

Weltraumtourismus, insbesondere in die niedrige Erdumlaufbahn, wird auch in naher Zukunft wahnsinnig teuer bleiben. Das wirft Fragen der Gerichtigkeit auf. "Wenn wir ins All gehen, wer ist dann dieses 'wir'?", fragt McCurdy. "Sind es nur die Top-1-Prozent der Top-1-Prozent?" Das Lotterie-Konzept adressiert diese Problematik zu einem gewissen Grad und bietet Normalverdienern eine Chance, doch das allein wird nicht reichen. Weltraumtourismus, gleich dem Rest der Raumfahrt-Industrie, braucht ein zukunftsfähiges Modell, das mehr Menschen dazu einlädt, an ihm teilzunehmen.

Aktuell scheint SpaceX bei der Verfügbarmachung dieser neuen Form des Reisens voranzuschreiten. Dem Geschäftsmodell müssten Konkurrenten nicht genau nacheifern, um mitzuhalten.

Robert Goehlich, ein in Deutschland ansässiger Experte für Welttraumtourismus an der Embry-Roddle Aeronautical University Florida, merkt an, dass private Raumfahrt an sich schon sehr facettenreich ist: Zu ihnen gehören suborbitale Flüge, Flüge in die niedrige Erdumlaufbahn, Ausflüge zur Raumstation, zu neu zu bauenden "Space Hotels" und zum Mond. Eines dieser Marktsegmente, beispielsweise günstigere Flüge in den suborbitalen Raum, hat nicht gleich mit denselben Einschränkungen zu kämpfen wie andere.

Und doch ist klar, dass private Missionen in diesem Jahr zur Realität werden könnten. "Wir haben eine sehr lange Zeit auf den Weltraumtourismus gewartet", sagt Experte McCurdy. "Dieses Jahr werden wir die Chance bekommen zu sehen, ob er wie erwartet funktioniert."

(bsc)