Die X-Akten der Astronomie: Der Untote und seine Geister-Planeten

Seite 4: Exodus aus der toten Zone

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In einer Arbeit aus dem Jahr 2016 haben Rebecca Martin, Mario Livio und Divya Palaniswamy von der Universität Las Vegas vorgerechnet, ob das Szenario d) plausibel wäre. Damit sich Planeten in der Akkretionsscheibe bilden können, muss diese eine "tote Zone" enthalten, in der das Gas nicht durch von den Magnetfeldern des Pulsars verursachte Turbulenzen durcheinander gewirbelt wird und in der die Dichte des Gases noch hoch genug ist, um Planeten zu bilden. Das Gas wird nur dort von den Magnetfeldern beeinflusst, wo es durch Aufheizung als elektrisch leitendes Plasma vorliegt, was bei Temperaturen oberhalb von 800-1400 K der Fall ist. Sie errechneten, dass unterhalb einer gewissen Dichte eine geeignete tote Zone existieren kann.

Die Entstehung der Planeten wäre typischerweise jenseits von 1 AE vom Pulsar entfernt möglich. Durch Interaktion der Planeten mit der Scheibe könnten sie dann weiter nach innen gewandert sein, bis der Pulsar die Scheibe aufgelöst hätte und dort wären sie auf kreisförmigen Bahnen verblieben. Die 2:3-Resonanz der großen Planeten spricht für eine solche Migration, sie stellt sich im Laufe der Wanderung der Planeten nach innen irgendwann ein und stabilisiert die Umlaufbahnen gegen weitere Migration.

Nur 10 Prozent der Kernkollaps-Progenitoren haben so kleine Begleiter und nur 10 Prozent unter diesen würden jene auch bei einer Supernova halten können. Kombiniert mit der Notwendigkeit einer toten Zone würden geeignete Bedingungen demnach nur bei weit weniger als 1 Prozent aller entstandenen Pulsare herrschen, so dass das Szenario plausibel die geringe Zahl gefundener Pulsar-Planetensysteme erklären kann, bei tausenden bekannten Pulsaren aber auch nicht zu unwahrscheinlich wäre, um die insgesamt vier bekannten Systeme zu erklären.

Ist das Problem der Pulsarplaneten damit gelöst? Keinesfalls. Es gibt zu viele Hypothesen, zwischen denen die Beobachtungen nicht unterscheiden können. Dass das letzte Szenario plausibel ist, heißt nicht, dass es stimmt – möglicherweise ist keines der genannten korrekt, vielleicht aber auch eines der als unwahrscheinlich verworfenen, oder vielleicht gibt es mehrere funktionierende Mechanismen. Während die Astronomen dank der Fortschritte durch die Weltraumteleskope Kepler, CoRot und erdgebundene Beobachtungen mit Mikrowellen-Radioteleskopen und empfindlichen Spektrographen heute eine solide Vorstellung davon haben, wie Planeten um gewöhnliche Sterne entstehen, bleiben die geisterhaften Pulsarplaneten Draugr, Poltergeist und Phobetor wie ihre Kumpel in den anderen drei Pulsar-Planetensystemen so mysteriös wie ihre Namensgeber. Daher fanden sie zurecht Einzug in den Anomalienkatalog des Breakthrough-Listen-Projekts.

Quellen:

(mho)