"Wegwerfmobilität" bis "Stärkung des ÖPNV": Was Städte über E-Stehroller sagen

Im Rhein zu Köln wurden hunderte E-Stehroller gesichtet. heise online fragte nach, wie es in anderen Städten aussieht. Die Spanne der Meinungen ist weit.

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Im Herbst 2020 wurde im Rahmen der Stadtputzaktion "Hamburg räumt auf" bei einer Tauchaktion mit der Polizei und dem DLRG dieser Roller aus dem Alsterkanal gezogen.

(Bild: Stadtreinigung Hamburg)

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Im Rhein zu Köln wurden kürzlich hunderte weggeworfene E-Stehroller gesichtet. "Wir finden an jeder Stelle, an der wir auf dem Grund des Rheins arbeiten, solche Scooter", berichteten Taucher. heise online fragte in den größten deutschen Städten nach, wie es dort aussieht.

Die Stadt Köln selbst – konkret das Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – ging auf unsere Anfrage nicht direkt ein. E-Stehroller zu entfernen liege zunächst in der Eigenverantwortung der Anbieter. Wenn solche Roller in Gewässer gemeldet würden, benachrichtige die Verwaltung die jeweiligen Anbieter weiter und fordere sie auf, die Gefährte zu beseitigen.

Für das Fließgewässer Rhein sei nicht die Kommune Köln zuständig, sondern die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, beispielsweise, wenn durch die Scooter die Fahrrinne nicht mehr befahrbar ist. Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Bonn teilte heise online mit, dass im Rhein bisher noch keine auffällige Zahl an Rollern bei Unterhaltungsarbeiten aufgefunden wurde.

Das sehe allerdings offenbar in Berlin anders aus. Das dortige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) werde regelmäßig über Roller in den Wasserstraßen informiert; es entscheide dann fallweise, ob sie geborgen werden. Außerdem würden bei routinemäßigen Hindernissuchen und Verkehrssicherungspeilungen besonders im Berliner Landwehrkanal häufig E-Roller gefunden.

"Für die Schifffahrt ergeben sich aus den E-Rollern keine besonderen Risiken oder Gefahren", schreibt die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt weiter. Sie seien anderen Gegenständen vergleichbar, die "leider immer wieder in Gewässer eingebracht" würden, also Fahrräder, Einkaufswagen, Autoräder und anderes.

Ein Schiffsrumpf oder auch ein Schiffspropeller werde beim Kontakt mit derartigen Gegenstände nicht ernsthaft beschädigt. Es könne gefährlicher werden, wenn Fahrräder oder E-Stehroller beispielsweise auf das Deck eines Fahrgastschiffes fallen würden. Dem WSA Rhein seien allerdings bisher keine Fälle bekannt, in denen die Schifffahrt durch in die Wasserstraße eingebrachte E-Roller beeinträchtigt oder gefährdet wurde.

Für die Gewässeraufsicht am Rhein verwies uns die Stadt Köln an die Bezirksregierung Köln. Diese wolle jetzt zunächst prüfen, welche Gefahren von den E-Stehrollern ausgehen und dann möglicherweise eine Bergung veranlassen. "Alle weiteren Schritte werden in Abstimmung mit der Stadt Köln erfolgen, die die Verträge mit den Scooter-Verleihern schließt", heißt es von der Bezirksregierung Köln.

"Eine Abstellung der Fahrzeuge im Rhein ist bedauerlich", schreibt sie weiter. Die Verantwortung dafür, dieses Problem zu verhindern, liege allerdings bei den Betreibern, diese müssten die Kosten für die Bergung tragen. "Alle Maßnahmen werden mit den jeweiligen Kommunen abgestimmt, da diese die Verträge mit den Scooter-Betreibern abgeschlossen haben."

Insgesamt sieht die Bezirksregierung Köln die E-Stehroller als einen Bestandteil der Verkehrswende. "Sie sind zur Stärkung des ÖPNV geeignet, da sie die "erste/letzte Meile" in der Wegekette des multimodalen Verkehrsangebotes abdecken und damit die Fahrt mit dem (eigenen) Pkw ersetzen können." Sie verbesserten das Vernetzen von Wegeketten und stärkten somit den Umweltverbund.

Das sieht das Straßenverkehrsamt Frankfurt am Main offensichtlich anders: Der Bund lasse "aufgrund des Drucks von Anbieterseite nachgerade 'innovationsbesoffen' neue Mobilitätsgadgets für den Straßenverkehr zu, die Position der Städte und Gemeinden spielt wie üblich keine Rolle". Das Geschäftsmodell benutze und verunreinige kostenfrei öffentliche Räume, mit den Folgen dürften sich die Kommunen herumschlagen.

Der minimale und eher negative gesamtverkehrliche Nutzen stehe in "keinerlei auch nur ansatzweise vernünftigem Verhältnis" zu den Aufwänden und Problemen, die zulasten der Gemeinwesen erzeugt würden – von Stress- und Streitsituationen im Verkehr über das hohe Verletzungsrisiko, insbesondere bei unsachgemäßer Nutzung, bis zu Behinderungen und Verschmutzungen auf öffentlichen Wegen, in Feldgemarkungen und Gewässern.

"Auch in Frankfurt am Main haben wir das leider übliche hohe Aufkommen an berechtigten Beschwerden und – außer seit Kurzem bei Voi – haben wir bei keinem Anbieter den Eindruck, sie scherten sich tatsächlich darum", teilte das Straßenverkehrsamt weiter mit. Daher prüfe die Stadt Frankfurt am Main, ob sie hier die Satzung der straßenrechtlichen Sondernutzung ändert. Diese Möglichkeit habe jüngst das Oberverwaltungsgericht Münster für das Land NRW klar bejaht. "Wenn die dann durch die Anbieter zu tragenden Gebühren dazu führen, dass die Geschäftsmodelle sich nicht mehr rechnen, ist das mindestens aus straßenverkehrsbehördlicher Sicht nicht zu beanstanden", schreibt das Straßenverkehrsamt.

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Die Stadtentwässerung Frankfurt am Main (SEF) habe 2020 zwei E-Stehroller bergen müssen, 2021 noch keinen. "Die Kolleg:innen holen die Scooter heraus, sobald sie davon erfahren oder es selbst feststellen", erläutert das Straßenverkehrsamt. Die E-Stehroller seien ein "Fremdkörper" im Gewässer und könnten zu einer Umweltbelastung werden. Der Akku könne auslaufen, Schadstoffe könnten ins Gewässer gelangen, die SEF ist für deren Reinhaltung zuständig.

Der Hamburger Verkehrsbehörde sind solche Vorgänge wie in Köln nicht bekannt. Sie verwies uns unter anderem auf die Stadtreinigung Hamburg, die schrieb, sie sammle keine E-Stehroller ein. Im Herbst 2020 sei aber während der Putzaktion "Hamburg räumt auf" bei einer Tauchaktion mit der Polizei und dem DLRG ein Roller aus dem Alsterkanal gezogen worden. "Die Dunkelziffer der sich in Gewässern befindlichen Scooter kennen wir nicht, da die Zuständigkeit nicht bei uns liegt."

Die Stadtreinigung sieht in den E-Stehrollern aber eine andere Herausforderung: Die überall abgestellten Scooter erschwerten die tägliche Arbeit. "Um vernünftig reinigen zu können, müssen diese von unserem Personal oftmals beiseite gestellt werden, um die Arbeit fortzusetzen." Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen aus den Kleinkehrmaschinen aussteigen, den Scooter beiseite räumen und wieder einsteigen. Das sei umständlich und koste Zeit. Mittlerweile gebe es in Hamburg an einigen Stellen eine Art Parkplätze für die E-Stehroller, eingerichtet, diese seien aber noch sehr selten.

In Düsseldorf bergen die Mitarbeitenden des Gartenamtes sowie des Stadtentwässerungsbetriebes regelmäßig E-Scooter und E-Bikes aus den Gewässern in den Anlagen der Innenstadt – insbesondere aus dem Weiher an der Landskrone im Hofgarten sowie aus dem Kö-Graben. "Eine genaue Statistik über deren Zahl wird nicht geführt", schreibt das dortige Amt für Kommunikation.

Das Amt für Verkehrsmanagement in Düsseldorf wisse nicht, wie viele Fahrzeuge in den Rhein geworfen wurden. Es findet es "befremdlich, dass E-Scooter ins Wasser geworfen werden. Die Verkehrsmanager machen darauf aufmerksam, dass sich die Batterien zersetzen und das Wasser vergiften könnten". Die Anbieter zeigten insbesondere für die Wochenenden verstärkte Präsenz von Rangern und Fußkontrollen, die direkt gegen missbräuchliche Nutzungen agieren könnten.

Zwischen dem Düsseldorfer Gartenamt und den Anbietern der E-Stehroller gebe es aktuell keine vertraglichen Regelungen für eine mögliche Abholung oder Bergung der Fahrzeuge, weil die Fahrzeuge in den Grünanlagen ohnehin nicht abgestellt werden dürften. Da jedoch immer wieder E-Scooter in den Grünanlagen und dortigen Ziergewässern entdeckt würden, erarbeite das Gartenamt eine zukünftige Regelung.

Bisher stelle die Stadt Düsseldorf für das Abstellen und die Bereitstellung von E-Scootern Sondernutzungserlaubnisse aus. Dabei sei klar definiert, dass E-Stehroller nicht in Parkanlagen sowie Naturschutzgebieten abgestellt und natürlich auch nicht in Gewässern versenkt werden dürfen. Seit kurzem gebe es ein Abstellverbot an der Rheinuferpromenade, statt Parkzonen am Anfang und am Ende der Promenade, in denen die Gefährte abgestellt und entliehen werden können. An dem Konzept werde fortlaufend mit den Anbietern weiter gearbeitet.

Mit solchen Problemen wird die Stadt Leipzig noch nicht konfrontiert, da der E-Stehroller-Verleih dort erst in den kommenden Monaten anläuft. An der Vergabe für die Ausleihe auf Abstellflächen an Mobilitätsstationen haben sich nach Angaben der Stadt insgesamt fünf potenzielle Anbieter beteiligt.

Leipzig strebt "eine geordnete Einführung eines stationsflexiblen Angebotes sowie die Anbindung an die LVB-Mobilitätsplattform LeipzigMOVE" ab. Damit will die Stadt verhindern, dass E-Stehroller wahllos abgestellt werden. Von den fünf Bewerbern hätten zwei die Eignungskriterien erfüllt und wollen nun in Leipzig aktiv werden.

In Leipzig sei der "stationsunabhängige Verleih" nicht genehmigungsfähig, da hier die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs "nur schwer regelbar ist", heißt es in einer Mitteilung an heise online. Auflagen seien schwer kontrollier- und durchsetzbar.

In der Nachbarstadt Dresden ist es auf Brücken nicht erlaubt, E-Stehroller abzustellen. Auch sei die Situation in Dresden durch die weitläufigen Elbwiesen, die ebenfalls rote Zonen sind, eine andere als in Köln, wo an vielen Stellen beidseits Straßen und Wege bis an das Rheinufer reichten, erläutert das Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Dresden. Daher fänden sich in der Elbe nicht in solchem Ausmaß wie in Köln Leihroller, wie Betreiber ausgesagt hätten. Allerdings seien die "Beschwerdelage sowie das Falschabstellen weiterhin Problemfelder".

In Dresden werden die E-Stehroller hauptsächlich von Touristen genutzt, sie ersetzen nach Angaben der Stadt lediglich zu 10 Prozent Fahrten mit dem Pkw, sondern zumeist Wege zu Fuß, per ÖPNV, per Rad oder erzeugen neue Wege, die sonst nicht unternommen worden wären. Insgesamt sei der Beitrag von E-Scootern für einen nachhaltigeren Stadtverkehr in Dresden sehr gering. In diesem Jahr will die Stadt Dresden "Sharingleitlinien" erarbeiten, die das Anbieten von Mobilitätsdienstleistungen im öffentlichen Verkehrsraum für alle Anbieter – also Carsharing, Bikesharing und E-Stehroller – regeln sollen.

Die Stadt Hannover hat für Freefloating-Anbieter allgemeine Regeln aufgestellt; zum Beispiel sollen E-Stehroller in "besonders sensiblen Bereichen" nicht abgestellt werden. Diese Regeln werden allerdings nicht immer eingehalten, heißt es aus dem Büro des hannoverschen Oberbürgermeisters, und zwar sowohl von den Anbietern als auch von den Nutzenden. Vereinzelt werden E-Stehroller in Gewässern gefunden. Wenn den Anbietern diese bekannt werden, gingen sie dem sofort nach, um mögliche Umweltfolgen zu vermeiden.

Beobachtung der Stadt und Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern zeigten, dass "abgestellte Roller ein Hindernis darstellen können". Solche Hinweise würden an die Anbieterunternehmen herangetragen; das Verleih-Management wird eingeschaltet und aufgefordert, Missstände umgehend zu beheben. Die Regeln zur Aufstellung und zum Abstellen der E-Scooter werde bei Bedarf angepasst.

E-Stehroller im öffentlichen Verkehr (76 Bilder)

Seit dem 15. Juni 2019 sind Elektro-Stehroller, auch E-Tretroller oder E-Scooter genannt, auf öffentlichen Straßen in Deutschland zugelassen. Schon wurden die ersten in deutschen Städten gesichtet.
(Bild: Lime)

Der Stadt Essen sind ähnliche Vorfälle wie beispielsweise im Rhein zu Köln nicht bekannt. Die dortige Verkehrsbehörde erreiche derzeit kaum Beschwerden oder Vorfälle in Zusammenhang mit der E-Scooter-Nutzung im Stadtgebiet, so bestehe aktuell kein Bedarf an weiteren Regeln, schreibt das Essener Presse- und Kommunikationsamt. Demnächst werde eine weitere der dort regelmäßig stattfindenden Gesprächsrunden stattfinden, bei der die aktuelle E-Scooter-Situation mit den Anbietern, mit Vertretern von Polizei und Ordnungsamt thematisiert werde.

Der Deutsche Städtetag fordert indes, dass sich Verleihfirmen stärker um zurückgelassene, oft schrottreife Elektro-Tretroller in Parks oder Gewässern kümmern. "Wer mit Rollern Geld verdient, ist auch für die Folgen verantwortlich", sagte dessen Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. "Wenn Nutzerinnen und Nutzer E-Roller in Flüsse werfen oder in den Büschen verstecken, müssen die Unternehmen für die Bergung und Entsorgung geradestehen." Dies sei aufwendig und teuer, die Kosten dafür dürften nicht an den Städten hängen bleiben.

"Schon wahllos abgestellte oder umgefallene E-Roller irgendwo auf Bürgersteigen oder öffentlichen Plätzen sorgen für Ärger", sagte Dedy. Er verwies darauf, dass die meisten Anbieter mit dem Deutschen Städtetag bereits 2019 Eckpunkte für einen störungsfreien Betrieb vereinbart hätten. Die Städte hätten mit den Verleihern auch klar geregelt, in welchen Bereichen E-Tretroller fahren und geparkt werden können und wo nicht.

In der Stadt München sind derzeit sechs Anbieter von E-Tretrollen mit insgesamt 9600 Fahrzeugen aktiv. E-Tretroller abzustellen falle nach derzeitiger Rechtsprechung unter den erlaubnisfreien Gemeingebrauch.

Da die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung des Bundes für Kommunen keine gesonderten Regelungsmöglichkeiten zum Beispiel zum Abstellen von E-Tretrollern vorsieht, habe das Mobilitätsreferat der Stadt eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung zur Einhaltung städtischer Regelungen erarbeitet. Damit soll auf eine sichere Nutzung und ein geordnetes Stadtbild hingewirkt werden, schreibt das Mobilitätsreferat der Stadt München. Darin seien auch die technische Wartung, Flottengrößen, zulässige Geschäftsgebieten und Kundenservice geregelt. Die Selbstverpflichtungserklärung hätten alle in München aktive Anbieter unterschrieben.

Nach Beschwerden wegen achtlos abgestellter E-Tretroller habe die Stadt versuchsweise 30 Abstellflächen für E-Tretroller in den besonders stark frequentierten Innenstadtbezirken eingerichtet. Für Beschwerden, und Anregungen gebe es eine eigene E-Mail-Adresse, damit auf Anliegen unbürokratisch und schnell reagiert werden könne. Das Mobilitätsreferat tausche sich mit den Anbietern oft aus, beispielsweise diese die Endkunden dazu anhalten, die E-Tretroller sorgsam zu nutzen oder die Abstellflächen durch Anreize attraktiv zu machen.

Wir haben noch weitere Städte angefragt. Sobald ihre Antworten vorliegen, werden sie hier nachgetragen.

(anw)