Fleischersatz: Ein realistisches Steak aus Pflanzenproteinen

Mit einer neuartigen Fasertechnologie ahmt das Startup "Project Eaden" die Struktur von Fleischstücken nach. Optisch sieht das Produkt schon sehr echt aus.​

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Das "Project Eaden" hat unter Einarbeitung von pflanzlichen Fetten marmorierte Fleischstücke hergestellt, die ihren tierischen Vorbildern auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sehen. Das linke Fleischstück ist das Original.

(Bild: Project Eaden)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Ein perfekt gegartes Rindersteak ist für viele der Inbegriff des Fleischgenusses. Röstaromen in der Kruste, aus weichen Fasern austretender Fleischsaft und gekochtes Fett verbinden sich auf der Zunge zu einem unwiderstehlichen Geschmackserlebnis. Das macht den Verzicht trotz aller Überzeugung oft schwer. Hubertus Bessau hat es mehrere Monate lang sogar komplett vegan versucht. Die schlechte Kohlendioxid-Bilanz der Rindfleischproduktion und ihr Anteil an der Klimakrise hatten den MyMuesli-Gründer zum Fleischverzicht angespornt.

"Gescheitert bin ich am sozialen Umfeld und daran, dass der Hauptdarsteller auf dem Teller doch oft fehlte", sagt Bessau. "Als Mensch optimiert man wohl eher auf das kurzfristige Glück als auf den langfristigen Vorteil der nächsten Generationen." Gemeinsam mit dem Maschinenbauer und Materialwissenschaftler David Schmelzeisen, den er als begeisterten Koch beim Segeln kennenlernte, und dem Ex-Zalando-Manager Jan Wilmking, fragte er sich trotzdem, was geschehen müsste, damit viele Menschen ihr Essverhalten dauerhafter ändern und zumindest weniger Fleisch essen.

Ihr Fazit: Das schafft man nur mit Fleischersatz-Produkten, die denselben Genuss bieten wie das Original und am besten auch noch leckerer sind. Dazu müssen sie sich auch beim Kauen richtig anfühlen. Solche Fleischtexturen sind pflanzenbasierten Ersatzprodukten allerdings bisher kaum überzeugend gelungen. Steaks oder Bratenstücke aus Pflanzenproteinen sieht man bisher eher selten.

Dennoch gibt es eine handvoll Unternehmen, die für das pflanzenbasierte Fleisch-Erlebnis beim Verzehr auf den 3D-Druck setzen. Auf diesem Gebiet ist das israelische Start-up Redefine Meat schon weit. Mit seinen pflanzlichen Produkten ist es seit 2021 am europäischen Markt in Restaurants vertreten. Redefine Meat lässt seine Produkte in speziell dafür entwickelten industriellen 3D-Druckern entstehen. Textur, Geschmack und Ess-Erlebnis soll dadurch gleich sein wie bei Rind und anderem hochwertigen Fleisch, erklärt das Unternehmen, und verspricht 95 Prozent weniger Umweltbelastung. Für das Jahr 2022 ging Redefine von einer Produktion von 15 Tonnen pro Tag aus.

Diesen Markt wollen Schmelzeisen und seine Mitstreiter ebenfalls mit ihrem Start-up "Project Eden" erobern. Sie arbeiten aber an einer anderen Herstellungsmethode, um den Aufbau von unverarbeiteten Fleischstücken aus Erbsen- und anderen Pflanzenproteinen besonders realistisch nachzubilden.

Die meisten Fleischersatz-Produkte entstehen per Extrusion, wenn unterschiedlich feuchte Pflanzenprotein-Massen wie in einer Pasta-Maschine unter hohem Druck durch Löcher gepresst werden. Dabei bilden sich faserartige Proteinschwämme, die meist recht uniform und strukturlos sind. Bei Würstchen- und Hackfleischersatz passt das durchaus zum Produkt. Faserige Hühnerbrust-Ersatzstücke sind dagegen eher die Ausnahme.

Um faserige Rindersteaks auf Pflanzenbasis herzustellen, nahm Schmelzeisen aus einem Industriezweig Anleihen, der für die Lebensmittelherstellung auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutet: Spinnverfahren aus der Textilherstellung. Der Maschinenbauer hatte aber in dem Bereich promoviert und sich damit beschäftigt, wie sich die Eigenschaften von gesponnenen Textilien etwa durch Wärmeeinwirkung gezielt verändern lassen.

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Die Erkenntnisse daraus brachte er bei Project Eaden ein. Das Ziel ist, Pflanzenproteinfasern so zu spinnen und auszurichten, dass der Verbund in der Längsrichtung andere mechanische Eigenschaften hat als in der Querrichtung. Diese sogenannte Anisotropie zeigt auch echtes Fleisch. Das besteht aus Muskelfasern, also relativ weichen Proteinen, die von feinen aber festen Kollagenhüllen mit hoher Festigkeit umgeben sind. Diese geben dem Verbund Struktur. Mehrere Muskelfasern zusammen ergeben Muskelbündel, die ihrerseits nochmal von Bindegewebe umhüllt sind.

Um für die Zunge wahrnehmbare Fasergrößen zu erreichen, seien Lösemittel- und Schmelzspinnverfahren am besten geeignet, so Schmelzeisen. Wie die Technik im Detail funktioniert, ist Betriebsgeheimnis. Schmelzeisen zeigt aber frühe Versuchsvideos mit einer roten Flüssigkeit, aus der Fasern herausgezogen und zu Bündeln aufgewickelt werden. Als weiteren Zwischenschritt zeigt er auch flache, einige Millimeter dicke rote Pflanzenfleischstücke, die aus mehreren Hundert gebündelten Fasern bestehen. Inzwischen hat das Unternehmen unter Einarbeitung von pflanzlichen Fetten marmorierte Fleischstücke hergestellt, die ihren tierischen Vorbildern auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sehen.

Die vom Project Eaden erzeugten "Fleisch"-Fasern

(Bild: Project Eaden)

Um solche Strukturen zu erzeugen, müssen die – auch in Sachen Hygiene und Reinigungsfähigkeit – adaptierten Textilanlagen so konfiguriert werden, dass sie Proteinfasern mit entsprechenden Eigenschaften produzieren. Ganz ähnlich, wie man die Anlagen auch anpasst, "wenn man ein statt einer Polyester- lieber eine noch dehnbarere Nylon-Fasern herstellen will", sagt Schmelzeisen.

Während es bei der Fleischstruktur schon recht weit sei, tüftelt das Unternehmen noch am passenden Fleischgeschmack. Der soll nach dem Braten für die richtigen Röst- und Fleischsaft-Aromen sorgen. Dabei will Schmelzeisen berücksichtigen, dass wir Geschmack nicht nur über die Zunge wahrnehmen, sondern ein großer Teil davon eigentlich Duftwahrnehmung ist – über die Nase, aber auch über das sogenannte "retro-nasale Schmecken", das im Grunde ein Riechprozess im Rachen ist.

Bisherige Gewürzmischungen seien oft für Fleisch-Fertiggerichte optimiert. Für das Pflanzensteak seien aber "weniger breite" Aromen nötig. Ist die richtige Mischung gefunden, lassen sich die Gewürze laut Schmelzeisen bei der Herstellung leicht in die Fasern einbringen oder auf sie auftragen, die eine große Oberfläche dafür bieten. Eine erste Verkostung ist für dieses Jahr geplant.

Die angepassten Textiltechnologien haben noch einen zweiten Vorteil. Sie sind bereits extrem auf Effizienz und billige Herstellung getrimmt. Das ist bei Kleidung nicht unbedingt ein Vorteil, weil billige Kleidung schneller weggeworfen wird. Project Eaden hofft jedoch, dass die Textiltechnologien auch ihre Produkte günstiger und damit konkurrenzfähiger machen.

Nach dem CO2-Abdruck ihrer Produkte gefragt antwortet Bessau: "Wenn man sich die hochenergetischen High-Moisture-Extrusionsverfahren anguckt, liegen sie im Vergleich zu den Emissionen, die Rindfleisch verursacht, um bis zu 95 Prozent niedriger", sagt Bessau. "Wir haben bei uns noch nicht alles berechnen und durchmessen können. Aber wir gehen stark davon aus, dass wir auch in diesem Bereich liegen werden."

Update, 15.2.2023, 11:48 Uhr: Ergänzung eines Absatzes, der einen Einblick in die Erzeugung von Fleischersatz per 3D-Druck gibt.

(vsz)