Geheimniskrämerei bei Google?

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Außerdem ist da ja noch E-Mail-Geschäft. Am 1. April gab Google bekannt, dass man in das Endkunden-Geschäft mit elektronischer Post einsteigen werde. "Suchaktionen stehen bei den Internetaktivitäten an zweiter Stelle, E-Mails hingegen sind die Nummer eins." Grund genug für die Google-Gründer, sich an diesem Geschäft zu beteiligen.

Seither hat Google mit seinem neuen "Gmail"-Angebot (was für "Google Mail" steht) für viel Wirbel in der Presse gesorgt. Der kostenlose Dienst verspricht ein Gigabyte an Speicherplatz (hundert Mal mehr als bei anderen Webmail-Anbietern), eine Google-mäßige Suchfunktion und die Aussicht, nie wieder E-Mails löschen zu müssen. Anfangs dachten viele Beobachter an einen Aprilscherz, weil ein Gigabyte Speicher pro Benutzer utopisch erschien. Aber weil die große Mehrheit soviel Speicherplatz gar nicht braucht, bedeutet Googles Versprechen eigentlich nur, dass Google neue Festplatten schneller kaufen kann als die Internet-Benutzer sie füllen. [Anm. d. Übers.: Gmails Werbefinanzierung durch kontextsensitiv eingeblendete Anzeigen sorgte für viel Verdruss bei Datenschützern. In einem Brief, den auch Simson Garfinkel unterschrieb, wurde Google aufgefordert, den Dienst erst dann öffentlich zu starten, wenn Datenschutzprobleme aus dem Weg geräumt sind.]

Googles Infrastruktur eignet sich für einen Dienst wie Gmail sehr gut. Letzten Sommer veröffentlichten Google-Wissenschaftler ein Paper, in dem es um das so genannte "Google File System" ("GFS") ging. Mit dieser Technik ist es für Google möglich, auf Daten im ganzen Cluster mit hoher Geschwindigkeit zuzugreifen und sie darin zu replizieren. Dank GFS befinden sich die E-Mails eines Benutzers auf mehreren Google-Systemen - wenn er sich einloggt, wird sein Browser automatisch zu demjenigen Cluster gelenkt, der ihm am nächsten ist.

Diese Technologie gut hinzukriegen, ist verdammt schwer -- und entspricht exakt der Art von SYstem, das Akamai in den letzte sechs Jahren entwickelt hat. Tatsächlich gibt es keinen Grund, warum Akamai prinzipiell nicht ein ähnliches "large scale"-E-Mail-System aufbauen könnte –- außer der Philosophie des Unternehmens.

Leighton glaubt nicht, dass Akamai in Zukunft mit Endkunden zu tun haben wird. Es sei wahrscheinlicher, dass Akamai die Infrastruktur für eine andere Firma aufbaut, die selbst Rechnungsstellung, Kundensupport und Marketing für Endkunden übernimmt. "Unser Fokus bleibt bei den Geschäftskunden", so Leighton.

George Hamilton, ein Analyst bei der Yankee Group, der Enterprise-Computing und Netzwerk-Anwendungen beobachtet, stimmt dem zu. Er glaubt nicht daran, dass Google mit Akamai konkurrieren werde. Google könne allerdings Akamai dazu nutzen, seine eigene Technik zu ergänzen.

Eine solche Partnerschaft gilt oberflächlich betrachtet aber als unwahrscheinlich. Google könnte Akamai kaufen - so ähnlich, wie man im Februar 2003 den Blogger.com-Betreiber Pyra kaufte. Aber Akamais offene Firmenkultur passt nicht so gut zu Googles Geheimniskrämerei. Auch kommen 20 Prozent der Akamai-Umsätze von Microsoft, wie dem letzten Quartalsbericht aus dem vergangenen November zu entnehmen ist. Googles Konkurrenz zu Microsoft bei der Internet-Suche (und nun auch bei E-Mail) ist weitläufig bekannt, daher gilt es als unwahrscheinlich, dass man mit einem Microsoft so nahe stehenden Unternehmen wie Akamai zusammenarbeitet.

Ted Schadler, Vizepräsident bei der IT-Marktforschungsfirma Forrester, hält einen Wettbewerb beider Unternehmen für möglich, weil sie beide im Bereich des massiven verteilten Rechnens arbeiten. "In diesem Sinne haben sie die gleiche Vision. Sie müssen beide ähnliche Technologien aufbauen, weil diese bislang nicht existieren. Sie haben viele ähnliche Lektionen gelernt - sowohl bei der Technik als auch bei den Geschäftsmodellen."

Schadler nennt Akamai und Google Beispiele für so genannte "programmierbare Internet-Geschäftskanäle". Diese Kanäle besitzen eine große Infrastruktur, die qualitativ hochwertige Dienste an Hunderte von Millionen Internet-Benutzern "auf Knopfdruck" ausliefern kann. Google und Akamai sind solche Firmen, aber auch Amazon.com, eBay und sogar Yahoo!. "Das sind alles Dienste, die geschäftliche Aktivitäten erst ermöglichen. Ihr Grundangebot lässt sich problemlos skalieren."

"Wenn ich wetten müsste, würde ich darauf tippen dass sich Google mehr für den Endkunden interessiert und Akamai mehr für das Bereitstellen der Infrastruktur - es ist wie ein Einzelhändler gegen einen Großhändler. Retail-Dienste wird es aber viele geben."

Wenn das stimmt, müsste Google womöglich plötzlich gegen eine andere Firma antreten, die, genauso wie die Suchmaschine selbst, praktisch aus dem Nichts kommt. Die Tricks, wie man selbst eine solch riesige Infrastruktur betreibt, müsste diese nicht mehr lernen. Kein Wunder, dass Google immer so geheimnisvoll tut.

Von Simson Garfinkel; Übersetzung: Ben Schwan. (kar)