Geoblocking vs EU-Recht

Steam verwehrt die Aktivierung eines im Ausland gekauften Spiels. So etwas hindert Verbraucher daran, ein innereuropä­isches Preisgefälle auszunutzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Gaming-Branche

(Bild: iX)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Verena Ehrl
Inhaltsverzeichnis

Für Valve als Betreiber der Spieleplattform Steam sowie für die Publisher Focus Home, ZeniMax (Bethesda), Koch Media, Capcom und Bandai Namco hatte innereuropäisches Geoblocking jüngst empfindliche Folgen. Es geht um das technische Durchsetzen länderbezogener Nutzungsbeschränkungen. Als Ergebnis eines bereits 2017 eingeleiteten Verfahrens verhängte die Europäische Kommission am 20. Januar 2021 gegen die Unternehmen abgestufte Geldbußen von insgesamt 7,8 Millionen Euro aufgrund von Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht.

Betroffen waren Exemplare von rund 100 Spieletiteln, die zwischen 2007 und 2018 als legale Ladenware in Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Estland, Lettland und Litauen verkauft worden waren. Die beteiligten Unternehmen nutzten mehrere Wege des Geoblocking. Bilaterale Vereinbarungen zwischen Valve und jedem der fünf anderen Publisher in Bezug auf länderbeschränkt einsetzbare Steam-Codes betrafen die Jahre 2010 bis 2015. Ab 2015 hat Valve das Steam-Geoblocking in der EU eigenen Aussagen zufolge auf Fälle beschränkt, in denen nationale Vorschriften es erfordern – etwa Jugendschutzbestimmungen.

Die Berechnung der Bußgelder folgte den für solche Zwecke festgelegten Leitlinien der Kommission. Außer Valve hatten alle beteiligten Unternehmen im Verfahren mit der Kommission kooperiert, was ihre Geldbußen reduzierte. Valve jedoch hatte den Ermittlern die kalte Schulter gezeigt; das Bußgeld des Steam-Betreibers überstieg daraufhin schließlich 1,6 Millionen.

Nach der Jahrtausendwende haben internetgestützte Individualisierungsmaßnahmen den früheren datenträgerbezogenen Kopierschutz abgelöst. Die meisten Hersteller binden seitdem die Nutzung ihrer Spiele an Aktivierungsvorgänge. Ein immer stärker ausgefeiltes servergestütztes Digital Rights Management (DRM) ermöglicht es den Publishern, die Verbreitung technisch zu kontrollieren. Willkommener Nebeneffekt für die Branche: Ein Spielexemplar, das durch Registrierung und Aktivierung an den Online-Account seines Besitzers gebunden ist, lässt sich nicht mehr sinnvoll gebraucht weitergeben. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Gestaltungspraxis 2010 in seinem "Half-Life 2"-Urteil für zulässig erklärt.

Als dominierende Aktivierungsplattform hat sich das vom "Half-Life"-Hersteller Valve 2003 geschaffene Steam-System durchgesetzt. Über Vereinbarungen mit Valve lassen auch andere Publisher die Exemplare ihrer Spiele an Steam-Codes binden und überlassen der Plattform das Aktivierungsmanagement.

Rechtlich gesehen stellt der EU-Wirtschaftsraum als Verbreitungsgebiet für Spiele eine Einheit dar. Allerdings können Publisher infolge des Wohlstandsgefälles nicht überall die gleichen Ladenpreise für ihre Produkte verwirklichen. Verbraucher nutzen das aus: Sie besorgen sich ihre Spiele billig etwa in Rumänien und aktivieren sie dann per mitgeliefertem Steam-Code von Deutschland aus.

Steam verwehrt die Aktivierung der im Ausland erworbenen „regional beschränkten Kopie“. Innerhalb des EU-Binnenmarkts gelten solche Schranken als unzulässige Behinderung des grenzüberschreitenden Verkaufs.

Um dieses Preisschlupfloch zu stopfen, haben europaweit agierende Publisher sich eine Option des Steam-Systems zunutze gemacht, die Länderbeschränkungen für Aktivierungscodes ermöglicht. Damit weist der Server dann den deutschen Aktivierungsversuch für das rumänische Schnäppchen ab. Eine solche Geoblocking-Praxis ist jedoch nach EU-Recht nicht zulässig. Sie verstößt gegen Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Diese Bestimmungen verbieten Unternehmensvereinbarungen, die den zwischenstaatlichen Handel im EU-Binnenmarkt beeinträchtigen können und den Wettbewerb verhindern, einschränken oder verfälschen. Im Jahr 2018 hat eine europäische Verordnung das noch konkretisiert.

EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager zufolge sollen die nun verhängten Geldbußen daran erinnern, "dass es den Unternehmen [...] untersagt ist, den grenzüberschreitenden Verkauf vertraglich zu beschränken." Vestager zufolge verhindern die beschriebenen Praktiken, "dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa die Vorteile des digitalen Binnenmarktes nutzen und sich in der gesamten EU das beste Angebot aussuchen können."

Mit den empfindlichen Bußgeldern ist die Angelegenheit für die Publisher aber möglicherweise noch nicht erledigt. Personen und Unternehmen, die von dem wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, steht es frei, vor den Gerichten der Mitgliedstaaten Ansprüche auf Schadenersatz geltend zu machen. Dabei können sie sich zur Beweiserleichterung auf den Kommissionsbeschluss berufen.

c’t Ausgabe 6/2021

In c’t 6/2021 möchten wir Ihnen den Einstieg ins Smart Home erleichtern: Wir liefern Praxistipps und Kaufberatung für mehr Sicherheit, Komfort und Effizienz im intelligenten Zuhause. Wer seine Finanzen im Griff haben und dafür Homebanking nutzen möchte, sollte Ausgabe 6 zu Rate ziehen: Darin haben wir sechs Programme fürs Homebanking getestet und dabei besonders auf den Datenschutz geschaut. Außerdem zeigen wir, wie Sie im Homeoffice Ihre persönlichen Telefonate und Daten sauber von den beruflichen trennen können. Wir testen GPS-Tracker für E-Bikes, kompakte Dokumentenscanner für mehr Ordnung im Büro und das erste E-Auto mit Android. Die Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) offenbarte kürzlich ein gewaltiges Sicherheitsleck. Zum Glück wurde das Loch der Plattform nach unseren Hinweisen geschlossen. Dies und noch viel mehr lesen Sie in Ausgabe 6/2021, die ab dem 26. Februar im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk erhältlich ist.

(psz)