High-Tech-Firmen gehen in die Luft

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Eine Fläche mit einem Durchmesser von etwa 80 Kilometern können die Ballons – genauso wie Drohnen – am Boden abdecken. Die Kommunikation übernimmt dabei eine zehn Kilogramm schwere Box, die unter dem Ballon baumelt. Das geschieht zum Beispiel mit Lasern. Die Übertragung ist wahrlich nicht einfach. "Es ist", schreibt Google im Firmenblog, "als müsse man eine Coladose treffen, die in 20 Kilometern Höhe hängt und im Wind schaukelt."

Um Sender und Empfänger exakt auszurichten, benutzt Google zwei Laser – einen zum Zielen und einen, um die Daten zu übertragen. Bei einem Test in Nevada gelang ihnen so eine Datenübertragung mit 155 Megabit pro Sekunde über rund 100 Kilometer – allerdings müssen die Aufhängungen für die Laser dabei beständig nachkorrigiert werden. Ein bisschen weniger aufwendig wäre die Datenübertragung mit Mikrowellen, an der Google ebenfalls forscht. Phasenverschiebungsantennen bündeln diese Wellen dabei auf ein Zehntel Grad.

Offiziell haben die Heliumblasen nur eine Aufgabe: Als fliegende Funkmasten sollen sie drahtloses Internet in Regionen bringen, die bislang nicht mit herkömmlicher Infrastruktur erschlossen werden konnten. Etwa 4,3 Milliarden Menschen haben die Google-Strategen als mögliche Kunden ausgemacht (TR 8/2014). Ein Blick auf das Portfolio des Internetkonzerns eröffnet jedoch weitere Einsatzgebiete. Aus 20 Kilometern Höhe lassen sich deutlich schärfere und aktuellere Luftaufnahmen machen. Aktuelle Wetterbilder sind genauso denkbar wie verbesserte Informationen zur Verkehrslage.

Firmen wie Orbital Insight haben sogar angefangen, Rückschlüsse auf wirtschaftliche Kennzahlen zu ziehen. Selbstlernende Algorithmen erkennen beispielsweise, wie viele Autos im Laufe eines Monats auf den Parkplätzen von Modehäusern stehen, und ermitteln daraus mögliche Umsätze – lange bevor die Geschäftsergebnisse offiziell bekannt gegeben werden. Für Konkurrenten wären die frühen Informationen Gold wert. Andere Programme sollen die Länge der Schatten chinesischer Gebäude über einen größeren Zeitraum registrieren und daraus Rückschlüsse auf die Bautätigkeit ziehen. Noch greift Orbital Insight dafür auf Satellitenaufnahmen zurück. Aber schnell verfügbare, hoch aufgelöste Bilder aus der Stratosphäre würden noch zuverlässigere Analysen erlauben.

Die Hoffnungen auf einen neuen Datenmarkt jedenfalls sind groß genug, um neben Google weitere Interessenten anzulocken. Sowohl Facebook als auch Boeing und Airbus entwickeln eigene Augen für den Himmel. Auch das Team hinter der Solar Impulse 2 scheint in diese Richtung zu denken. Mit seinem bemannten Solarflugzeug vollendete es bei Druckschluss dieses Magazins die vorletzte Etappe seiner Weltumrundung. Für die Zeit danach hatte Pilot André Borschberg bereits vergangenen Dezember angekündigt: "Wir können ein unbemanntes Flugzeug mit der Sonne als einziger Energiequelle bauen, das sechs Monate ununterbrochen in der Luft bleibt."

Und auch ein Start-up will mitmischen. Das US-Unternehmen World View wollte ursprünglich Touristen zu einem Abstecher in die Stratosphäre verhelfen. Nun hat sich der Fokus geändert: World Views Stratollite-System (ein Kunstwort aus "Stratosphäre" und dem englischen "Satellite") soll Anwendungen wie Erdbeobachtung, Kommunikation oder Meteorologie aus 30 Kilometern Höhe erlauben. "Wie ein Eiswürfel auf dem Wasser werden wir auf der Atmosphäre schwimmen und Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre über einem Gebiet verharren", verspricht World-View-Chefin Jane Poynter bei der NewSpace-Konferenz Mitte Juni in Seattle. Ende des Jahres könnten die ersten Flüge starten.

Ob Ballons jedoch wirklich die beste Methode dafür sind, muss sich erst noch zeigen. Sie lassen sich durch Variationen der Flughöhe zwar prinzipiell steuern. Aber die Reaktion ist sehr träge. Drohnen mit eigenem Antrieb hingegen sind deutlich agiler. Die unbemannten Flugobjekte können in der Stratosphäre etwa 250 Kilometer pro Stunde erreichen und auf Knopfdruck sowie auf direktem Weg neue Ziele ansteuern. Über seine Tochter Titan Aerospace entwickelt Google daher auch eine Solardrohne. "Solara 50" ist ein äußerst filigraner Motorsegler mit einem riesigen Propeller. Unglaublich scheinende fünf Jahre soll er in der Luft bleiben.

Konkurrent Facebook will seinem Gegenspieler das Feld allerdings nicht allein überlassen. Der Wettstreit der beiden hat bereits zur ersten Übernahmeschlacht geführt: Beide Internetgrößen lieferten sich 2014 einen Bieterkampf um die US-Drohnenfirma Titan Aerospace. Angeblich ging es um 60 Millionen Dollar. Google gewann. Facebook kaufte stattdessen für 20 Millionen Dollar die britische Firma Ascenta. Nun arbeitet der Internetgigant an einer Drohne namens Aquila. Erste Bilder zeigen einen dünnen, schlanken Bumerang mit vier Elektropropellern und einer Spannweite, die einen Airbus A320 in den Schatten stellt. "Solche Fluggeräte erlauben uns nicht nur, keine Gräben für Internetkabel ausheben zu müssen, wir können die Technik auch jederzeit und je nach Bedarf aktualisieren", schreibt Aquila-Chefentwickler Yael Maguire im Firmenblog.

Bereits für Oktober vergangenen Jahres war ein erster Testflug geplant. Zuletzt musste er immer wieder verschoben werden. Googles Solara hat zwar bereits erste Testflüge hinter sich, aber glatt liefen sie bei Weitem nicht immer: In New Mexico erwischte Solara im Mai 2015 einen starken Aufwind, beschleunigte ungeplant und brach über einem privaten Flugfeld auseinander. "Wir gehen ein hohes technisches Risiko ein und müssen Batterie-, Solarzellen-, Kohlefasertechnologie an ihre Grenzen bringen", gibt daher Facebook-Manager Maguire zu.

Dennoch ist es wahrscheinlich, dass die Idee irgendwann abhebt. Die besten Hinweise darauf liefern allerdings weder Google noch Facebook – sondern die alten Größen der Luftfahrtbranche: Airbus und Boeing. Die Drohne Zephyr von Airbus Defence and Space absolvierte bereits 2008 ihren Jungfernflug. Inzwischen gehört sie, gemeinsam mit Googles Ballonprojekt, zu den am weitesten fortgeschrittenen Stratosphärenspähern – auch wenn Airbus den Begriff "hochfliegender Pseudo-Satellit" bevorzugt. Zephyr ist zudem Rekordhalter unter den solarbetriebenen Drohnen: 2010 war das unbemannte Fluggerät 14 Tage, 22 Minuten und acht Sekunden ununterbrochen unterwegs. Es erreichte dabei eine Höhe von 70740 Fuß (21562 Meter).