Living in a Box

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Bei der Deckenhöhe müssen sich Bewohner nicht umgewöhnen. Die Conhouse-Module sind auch bei einer mehrschichtigen Bodenkonstruktion und Isolierung der Decke mindestens 2,5 Meter hoch – und liegen damit ganz nah am Durchschnittswert von 2,55 Metern klassischer Wohnungen. Beim Boden hat Dussl allerdings noch einen draufgelegt: Damit der Metallboden nicht zu stark vibriert, hat er vom Hersteller der Module doppelt so viele Querstreben in die stählerne Unterkonstruktion einbauen lassen, wie in einem klassischen Baucontainer verbaut sind. „Man muss sich das wie eine Leiter mit Stahlsprossen vorstellen. Je mehr Sprossen eingebaut sind, desto stabiler ist das System“, erläutert Dussl das Prinzip.

Bedenken, dass seine Häuser durch steigende Preise für Stahl zu teuer werden könnten, hat er nicht. „Das Stahlskelett macht nur rund 20 Prozent der Gesamtkosten aus“, hat Dussl errechnet. Ähnlich wie Combi-Box erhält auch sein Unternehmen zwei bis drei Anfragen pro Tag. Doch Dussl sieht noch deutlich mehr Potenzial: „Es besteht ein großer Bedarf an bezahlbarem eigenen Wohnraum, da kann die Modulbauweise eine wichtige Rolle spielen.“ Bei einer Kundin lag der Quadtratmeterpreis des fertigen Gebäudes bei rund 1000 Euro, und damit deutlich unter dem Preis bei konventioneller Bauweise. Dussl rechnet nicht nur hierzulande mit steigender Nachfrage. Derzeit lässt er seine Homepage um Informationen auf Deutsch, Spanisch, Englisch und Russisch ergänzen.

Die Bauanträge der Stahlhäuser unterscheiden sich nicht von denen anderer Häuser. „Sie müssen unter anderem die behördlichen Auflagen hinsichtlich Statik und Brandschutz erfüllen“, erläutert Dussl. Im Vergleich zu Beton, der auch bis zu 1000 Grad stabil bleibt, verliert Stahl bereits bei Temperaturen von rund 500 Grad seine Festigkeit. Um die Träger vor einem Feuer zu schützen, kommen für den Innenausbau Platten aus Gipskarton zum Einsatz. Auch die zur Isolierung der Container-Module eingebaute schwer entflammbare Steinwolle trägt zum Brandschutz bei. Der Unternehmer bevorzugt die einfach zu realisierenden Flachdächer für seine Bauten. „Aber wenn es die örtlichen Bauämter vorschreiben, setzen wir auch ein Pultdach mit der gewünschten Dachneigung und Ziegeln drauf.“

Bei den Fundamenten rät Dussl seinen Bauherren zu Streifenfundamenten aus Beton, die jeweils unter den Längsachsen der Module verlaufen. Eine pfiffige Variante wäre aus seiner Sicht eine Befestigung der Module mittels sogenannter Schraubfundamente. „Die sind rund drei Meter lang und werden auf den Zentimeter genau in den Untergrund geschraubt. Bei Photovoltaikanlagen kommen sie relativ häufig zum Einsatz.“ Der Vorteil: Das Grundstück bleibt im ursprünglichen Zustand. Wenn das Haus eines Tages abgebaut wird, müssen keine Betongründungen entfernt werden.

Auch mit seinem eigenen Container-Haus, das er gerade baut, kann sich Dussl einen Umzug sehr gut vorstellen. „Für die kommenden Jahre genügt das Grundstück unseren Ansprüchen. Doch irgendwann möchten wir woanders hinziehen.“ Das sei problemlos möglich, denn die in jedem Modul bereits eingebauten elektrischen Leitungen lassen sich nicht nur bei der Anlieferung unkompliziert per Schaltelementen miteinander verbinden; ebenso einfach lassen sie sich auch voneinander trennen, etwa bei Umbauarbeiten oder wenn die Besitzer das Gebäude demontieren und an einer anderen Stelle wieder aufbauen wollen. Noch einfacher ist der Anschluss der Wasserleitungen, da diese nur in wenigen Modulen wie Küche und Bad nötig sind.

Wie problemlos das schrittweise Bauen mit den Containermodulen funktioniert, hat Firmenmitgründer und Conhouse-Entwickler Jure Kotnik im slowenischen Ravne Na Koroškem gezeigt. In der Stadt erweiterte der Architekt 2009 einen Kindergarten mit drei Containern. Sie sind zu einem gemeinsamen Spielraum verbunden. Im vergangenen Jahr kamen 13 weitere Containermodule hinzu.

Anfragen aus dem gewerblichen Bereich nähmen ständig zu, sagt Dussl: „Momentan errichten wir eine Anlage mit mehreren Häusern in Modulbauweise in der Innenstadt von Zürich.“ Sie sollen als Ateliers und Ausstellungsräume für Kunstprojekte dienen. Der Auftrag ist eine echte Herausforderung, denn die Stadt stellt an die Wärmeisolierung hohe Anforderungen. Um den vorgeschriebenen Gesamt-U-Wert von 0,17 Watt pro Quadratmeter und Kelvin zu erreichen, muss Dussl die Gebäude unter anderem mit dreifachverglasten Fenstern und extrem dicker Isolierung ausstatten. Die von ihm bevorzugte Elektroheizung ist in der Schweiz verboten. Stattdessen lässt er in Zürich eine Luft-Wärme-Pumpe einbauen. Diese entzieht der Umgebungsluft Wärme und führt sie der Heizungsanlage zu.

Alle diese Containerhäuser sind eigens für den Immobilienmarkt hergestellt. Wer es noch ungewöhnlicher möchte, errichtet sich ein Domizil aus gebrauchten Seecontainern. Dafür aber muss er tief in die Tasche greifen. Das zeigt eines der bekanntesten und markantesten Beispiele für gewerbliche Containerarchitektur, das unweit von Dussls Baustelle in der Zürcher Innenstadt steht. Der sogenannte Flagship-Store des Taschenherstellers Freitag ist eine Kombination aus Firmenzentrale und Ausstellungsräumen. Das 25 Meter hohe, vom Architekturbüro Spillmann Echsle entworfene Gebäude besteht aus 17 alten Seecontainern. Die über- und nebeneinander gestapelten Kisten sind durch spezielle Drehverschlüsse miteinander verbunden. Einer der dafür verwendeten Container kostet zwar gerade einmal rund 1200 Euro, doch der Umbau zu einem Gebäudeelement schlug mit einem Vielfachen zu Buche.

Isolation, Schallschutz, Statik und andere Bauarbeiten kosteten rund 25000 Euro pro Container. „Und da sind die Innenausbaukosten noch gar nicht mit dabei“, sagt Architekt Harald Echsle. Wichtig sei es daher, die Ausbaukosten im Verhältnis zu der Restlebensdauer eines Containers zu betrachten. Für den Taschenhersteller allerdings dürfte etwas anderes wichtiger sein. Er wollte mit seiner Containerzentrale das Prinzip Recycling aufgreifen, das die Firma Freitag auch bei ihren Produkten betont: Ihre Designertaschen bestehen etwa aus alten Lkw-Planen und Autogurten. Darüber hinaus lässt sich der Flagship-Store abbauen, ohne tiefe Spuren in der Umgebung zu hinterlassen. Der Mietvertrag für das Grundstück läuft spätestens 2018 ab, und dann wird dass Gebäude wieder in seine Einzelteile zerlegt und abtransportiert.

Einzelne Hauselemente mit geringem Aufwand wieder abbauen zu können, war auch für Martin Hollinetz ein wichtiges Kriterium: „Wenn unsere drei Kinder aus dem Haus sind, brauchen wir vermutlich nicht mehr so viel Wohnfläche wie im Moment.“ Und wenn die Kinder später mit ihren Familien doch wieder ins elterliche Haus ziehen wollen, lässt es sich entsprechend erweitern. (bsc)