Blut aus der Luft

Seite 2: Behörden mögen die Idee

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Häufig winden sich die Wege einen der berühmten "tausend Hügel" des Landes hinauf und sind – vor allem zweimal im Jahr während der Regenzeit – kaum zu befahren. Gleichzeitig aber ist Ruanda relativ kompakt: Mit zwölf Millionen Menschen auf einem Gebiet etwa von der Größe Brandenburgs ist es das am dichtesten besiedelte Land des afrikanischen Kontinents. Die Drohnen von Zipline können also mit ihrer Reichweite von 150 Kilometern von einem einzigen Startplatz aus fast das halbe Land erreichen.

Die Idee von Zipline fand Anklang bei den ruandischen Behörden, auch bei der zivilen Luftfahrtverwaltung, die eigens dafür ihre Regeln änderte. Mitte 2016 einigte sich Zipline mit der Regierung auf den Bau eines Vertriebszentrums nahe der Stadt Muhanga. Der oben auf einem Hügel gelegene Standort heißt inzwischen "das Nest". Der Flecken Land mit dem weißen Zirkuszelt beherbergt die Anlage zur Blutspeicherung, 13 Drohnen und eine kleine Belegschaft aus jungen Amerikanern und Ruandern. An der einen Seite des Zeltes stehen zwei Startrampen aus rostfreiem Stahl. Wegen des wechselnden Windes zeigen sie in unterschiedliche Richtungen. Ein System aus Gummizügen bringt die 12 Kilogramm schweren Drohnen mit einer Geschwindigkeit von 84 Stundenkilometern auf den Weg. Auf der anderen Seite federn zwei aufblasbare braune Luftpolster die Landung der kleinen Flieger bei ihrer Rückkehr ab.

Wenn die Drohnen in der Luft sind, wird ihr Flug auf einem iPad verfolgt. Dabei steht das Team in ständigem Kontakt mit der Flugsicherung in Kigali. Alle Routen wurden mit einer 3D-Satellitenkarte und detaillierten Bodenvermessungen vor Ort entwickelt. Mithilfe von Satellitennavigation wird die Strecke vor dem Abflug einprogrammiert. Dadurch gelingt es den Drohnen, Lasten exakt in einem Zielbereich von fünf Metern Durchmesser abzuwerfen. "Genauigkeit ist extrem wichtig", sagt Hetzler. Zipline entwickle bereits eine Technologie zur Automatisierung der Bodenvermessung.

Dass die Wahl für das erste Produkt auf Blut fiel, überrascht nicht. Schließlich ist es nur 42 Tage lang haltbar, muss kalt gelagert werden und wird häufig in Notfällen gebraucht. Das ruandische Gesundheitsministerium bewahrt seine Blutkonserven in einem nationalen Zentrum in Kigali und in vier über das Land verteilten regionalen Depots auf. Die 58 Krankenhäuser, die Bluttransfusionen vornehmen können, unterhalten nur einen kleinen Vorrat an häufigen Blutgruppen. Deshalb benötigen sie immer wieder Nachschub aus den Depots. Fehlt er, leiden vor allem schwangere Frauen unter dem Mangel.

Seit der Jahrtausendwende ist die Müttersterblichkeit in Ruanda zwar um mehr als zwei Drittel zurückgegangen. Das wurde durch den vermehrten Einsatz von Verhütungsmitteln und die Reduzierung von Hausgeburten erreicht. Trotzdem sind Komplikationen unter der Geburt weiterhin eine der häufigsten Todesursachen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO kommt es in Ruanda alle 344 Geburten zu einem Todesfall, 97-mal häufiger als in den besten Ländern Europas. Mehr als die Hälfte aller Todesfälle im Zusammenhang mit Geburten ereignen sich nach der Entbindung, wobei in 26 Prozent der Fälle Blutungen die Ursache sind.

Kabgayi benötigt mit seiner Geburtsstation mehr Blut als die meisten anderen Hospitäler. Es ist eines der größten Bezirkskrankenhäuser Ruandas. Die Anlage stammt aus der Kolonialzeit und umfasst mehrere alte Ziegelbauten auf dem Gelände einer früheren katholischen Mission. Dem Arzt Kajibwami zufolge verbraucht die Klinik bis zu 100 Einheiten Blut im Monat, ungefähr die Hälfte davon entfällt auf die Entbindungsstation. Allein 2016 kamen hier mehr als 4600 Kinder zur Welt.

Aber nicht nur deshalb war es gut geeignet für die ersten Tests: Das Krankenhaus befindet sich direkt an einer Asphaltstraße Richtung Kigali und ist gut zu erreichen. Außerdem liegt es nah am Vertriebszentrum von Zipline. Sollten die Drohnen nicht richtig funktionieren, kann das Blut immer noch rechtzeitig im Wagen angeliefert werden. Ein Fehler würde keine Leben aufs Spiel setzen. Ende Februar aber wurde es für alle Beteiligten ernst: Mit dem Muhororo District Hospital erhielt das zweite Pilotkrankenhaus von Zipline seine erste Drohnenlieferung. Zuvor musste das Personal dort manchmal einen ganzen Tag damit zubringen, sich über furchige Wege und gelegentlich gar durch Erdlawinen kämpfen, um in Kigali Blut zu holen. Seitdem sind fünf weitere Standorte hinzugekommen.