Blut aus der Luft

Seite 3: Frischplasma, Thrombozyten, Kryopräzipitat

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Bis Ende des Jahres sollen es noch einmal 14 mehr sein. Neben der Erweiterung des Angebots ist der Bau eines zweiten Vertriebszentrums im Osten des Landes geplant. Zusammen mit einer neuen Drohnengeneration, die eine größere Reichweite haben soll, würde das ausreichen, um ganz Ruanda abseits der Hauptstadt zu versorgen. Derzeit liefert Zipline außer Blut auch verwandte Produkte wie Thrombozyten, gefrorenes Frischplasma und Kryopräzipitat. Die drei Produkte fördern die Blutgerinnung und wurden bislang relativ selten eingesetzt, weil sie in den Krankenhäusern schwer zu lagern sind. Künftig will das Unternehmen zusätzlich Notfall-Impfstoffe gegen Tollwut, Medikamente gegen Aids, Tuberkulose und Malaria, Verhütungsmittel und Testsets für Diagnosen heranfliegen.

Ob allerdings diese Form der Hightech-Medizin Ruandas Gesundheitsversorgung wirklich verbessert, lässt sich bisher kaum quantifizieren. Wie viel das Drohnenprojekt kostet, wird nicht verraten. Die Regierung bezahlt Zipline einen festen Betrag pro Lieferung und garantiert ein Mindestvolumen. Hetzler räumt ein, dass Drohnenlieferungen zum Auffüllen der Vorräte bislang teurer sind als normale Transporte über die Straße.

Bei Notfällen aber hätten seine Drohnen die Kosten verringert. Zudem werde die Versorgung dank der Lieferungen aus der Luft deutlich flexibler: Wenn Zipline künftig nicht nur Blut, sondern auch länger haltbare Produkte wie Medikamente transportiere, müssten die Krankenhäuser weniger davon vorrätig haben. Das vermeide Abfall und verbessere die Verfügbarkeit.

Zudem werden die Kosten pro Lieferung sinken, wenn die Zahl der Flüge zunimmt. Bruce Y. Lee, Professor an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, leitete im Vorjahr eine eigene Forschungsgruppe. Sein Team simulierte eine Lieferkette für per Drohne transportierte Impfstoffe in Mosambik. Drohnen "haben mit Sicherheit das Potenzial, die Kosten zu senken und gleichzeitig die Bedienung der Nachfrage zu verbessern", sagt er. Konkret hänge dies von der Frequenz der Flüge, den zurückgelegten Entfernungen und der Geschwindigkeit von Fahrten über die örtlichen Straßen ab.

Viele Einwohner begegnen dem Drohnenprojekt dennoch mit Skepsis. Zwar trauen sich nur wenige Menschen in dem autoritären Staat, die Regierung oder ihre Programme offen zu kritisieren. Aber hinter vorgehaltener Hand fragen sie, warum die Behörden in unerprobte Hightech-Spielzeuge investierten. Die Versorgung mit Blutkonserven oder wichtigen Arzneien sind schließlich nicht das einzige Problem des Gesundheitssystems: Ärzte und anderes qualifiziertes Personal sind rar. Es mangelt immer noch an Grundlegendem wie Krankenwagen.

Außerdem haben viele Patienten Schwierigkeiten, überhaupt ein Krankenhaus zu erreichen. Manche sehen den größten Vorteil des Projekts daher in seinem PR-Effekt. Ruanda, das stark auf ausländische Hilfe angewiesen ist, vermarktet sich seit Langem als regionales Zentrum für Technologie und Innovation. Allerdings beruht das vor allem auf Wunschdenken.

Dennoch scheinen viele Länder mit Ruanda gleichziehen zu wollen. Eine "lange Liste" von Regierungen hat Hetzler zufolge Interesse an der Technologie bekundet. Das Unternehmen will seine nächsten Standorte jedoch sorgfältig auswählen. Priorität erhalten Länder, die eine Chance für echte Verbesserungen bieten. Außerdem müssen sie bereit zu den notwendigen regulatorischen Änderungen und finanziellen Zugeständnissen sein. Tansania scheint die Bedingungen erfüllen zu wollen: Mit dem dortigen Verteidigungsministerium und der Luftsicherheitsbehörde habe man bereits Vereinbarungen ausgearbeitet, die einen Start des Dienstes zulassen. Zur Finanzierung hat das Unternehmen im vergangenen Sommer 25 Millionen Dollar Kapital aufgenommen, sodass es insgesamt über 43 Millionen Dollar verfügt.

Im Kabgayi Hospital wird das Blut in einem kleinen gekachelten Raum des modernen Laborgebäudes aufbewahrt und gekühlt. Die Mitarbeiter sagen, dass der Drohnendienst bereits Wirkung zeigt. Ein Techniker im weißen Kittel berichtet, dass viele Patienten schneller behandelt werden können als früher. Außerdem hat die Belegschaft mehr Zeit für andere Aufgaben, seit sie nicht mehr so oft Blut holen muss. Und mindestens ein besonders dringender Fall wäre ohne den Dienst wohl schlimm ausgegangen: Bei einer Operation zur Behebung einer Eileiterschwangerschaft hätten bei einer Frau Blutungen eingesetzt.

Als im Verlauf des Eingriffs ein Teil der Gebärmutter entfernt wurde, benötigte Kajibwami sechs Einheiten Blut – mehr als vorrätig war. Also gab es einen dringenden Anruf bei Zipline. Ob die Patientin sonst gestorben wäre, kann Chirurg Kajibwami nicht sagen. Aber er ist dankbar für die schnelle Lieferung. (bsc)