Missing Link: Antriebswende – Warum wir eine zweite Elektrifizierung brauchen

Seite 3: Die zweite Elektrifizierung

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Wenn vom Umstieg auf Elektromobilität die Rede ist, geht es meist darum, private Diesel- und Benzinfahrzeuge durch elektrische zu ersetzen. Auch wenn E-Autos legitimer Bestandteil eines elektrifizierten Verkehrs der Zukunft sind: An die Fernbahn, S-, U- oder Straßenbahnen, die ja streng genommen Paradebeispiele elektromobiler Transportmittel sind, wird in diesem Zusammenhang häufig nicht gedacht. Damit verengt sich der Blick auf die Elektroautomobilität.

Neben der Elektrifizierung des motorisieren Individualverkehrs, die bislang im Vordergrund steht, steht auch die Re-Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs an. Es geht also bei der Elektrifizierung des straßengebundenen Verkehrs um viel mehr als nur die Privat-Pkw: Lieferverkehr, der ÖPNV, Taxis, Busse, LKW – hier steht eine "zweiten Elektrifizierung" des Verkehrs an, auch der nicht-private Straßenverkehr – Busse, Taxis, LKW, Transporter, motorisierte Zweiräder – ist fast zur Gänze fossil betrieben. Eine Antriebswende allein könnte schon aufgrund der Infrastrukturen, die dafür nötig sind, der Verknüpfung mit dem existierenden Stromnetz bis hin zu Effekten auf allen Ebenen, bereits intrinsisch einen Drift in Richtung Verkehrswende hat.

Kommt die Elektrifizierung des motorisierten Individualverkehrs in Gang, inklusive des Aufbaus der dafür nötigen Infrastruktur, wird auch der restliche Straßenverkehr nachziehen. Eine Vielzahl von E-Mobilen, vom Lastenrad bis zum Lkw, warten nur darauf, zum Einsatz zu kommen, sobald die nötigen Anreize gegeben sind. Neue Akteure treten auf den Plan, so planen etwa IKEA und diverse Baumärkte Ladesäulen vor ihren Geschäften. Genauso warten Logistikunternehmen und Verkehrsbetriebe nur auf gesetzliche Vorgaben, um mit der Elektrifizierung ihrer Flotten ernst zu machen.

Die Deutsche Bahn fahre im Fernverkehr mit 100% Ökostrom – so die grüne Botschaft aus der Konzernzentrale. Dabei sind nur "knapp 60 Prozent des Bahnstroms "Ökostrom". Rund 30 Prozent sind Strom aus fossilen Quellen und knapp 10 Prozent sind Atomstrom“, wie der Bahn-Kenner Winfried Wolf schreibt. Nur 60 Prozent des Streckennetzes sind überhaupt elektrifiziert, hat die "Allianz pro Schiene“ ausgerechnet, zum Vergleich: in der Schweiz sind es 100 %.

Auch bei der Bahn ist also eine Antriebswende mehr als überfällig, Bahn-Experte: "Selbst ein größerer Teil des Schienenpersonenfernverkehrs wird heute noch mit Dieseltriebfahrzeugen betrieben, weil wichtige Fernverkehrsstrecken wie Hamburg – Kopenhagen, Lindau – München, Stuttgart – Zürich nicht elektrifiziert sind. Schlimmer noch: Die Mehrzahl der Loks der DB-Tochter für den Schienengüterverkehr, DB Cargo, sind Dieselloks.“

Einerseits handelt es sich beim E-Auto tatsächlich um den Versuch, mithilfe eines grünen Antriebs ein ansonsten obsoletes, umwelt- und gesundheitsschädliches Verkehrskonzept künstlich am Leben zu erhalten. Und doch setzt sich die Erkenntnis durch, dass das E-Auto legitimer Bestandteil der Verkehrswende sein kann. Zwei Gründe sprechen aus ökologischer Sicht dafür:

Zum einen haben E-Autos den Vorteil, dass sie die Schadstoffbelastung durch den Verkehr in den Städten verringern helfen, sie sind leiser, die Feinstaubbelastung durch Bremsabrieb und Motorbetrieb geringer, ihre Ökobilanz ist insgesamt besser, als die von Verbrennern, und das wird sich in Zukunft noch mehr zu ihren Gunsten entwickeln.

Zweitens besteht die berechtigte Hoffnung, dass eine Elektrifizierung des motorisierten Individualverkehrs auch diejenige des restlichen Straßenverkehr – Busse, Taxis, Lieferwagen, LKW, Motorräder – nach sich ziehen wird – es geht also um viel mehr als nur die Privat-PKW.

(bme)