Missing Link: Space-Race – die Vorherrschaft beim Satelliteninternet

Beim Rennen um die besten Plätze für das Satelliteninternet und der Aufholjagd von Musks Starlink geraten Probleme eines kolonisierten Himmels in Vergessenheit.

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(Bild: CG Alex/Shutterstock.com)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Die Anbindung der letzten weißen Flecken, unzugänglicher oder schwer erreichbarer Gebiete im Globalen Süden, aber auch in den Schweizer Bergen oder im deutschen Hinterland, das ist das große Versprechen der neuen Megakonstellationen. Hunderte oder Tausende von Satelliten sollen in Höhen von 300 bis 1000 km – im Low Earth Orbit (LEO) – kreisen und die Welt mit Breitbandinternet versorgen oder Dinge tracken.

Auch für die rasche Bereitstellung von Kommunikationsverbindungen in Katastrophengebieten können sie ein gutes Tool sein, versichern Befürworter und Kritiker. Das gilt für Naturkatastrophen ebenso wie für die "Katastrophe Krieg", wie der Fall der von Russland überfallenen Ukraine zeigt.

Wie viele Megakonstellationen es braucht, um diese erklärten Ziele weltweit zu erreichen? "Vermutlich nicht so viele, wie derzeit beantragt werden", sagt Joanna Kulesza, Juristin an der Universität Lodz. Kulesza forscht seit Jahren zum Thema Governance im Internet, mit einem nüchternen Blick auf das internationale Recht. Zum Thema Governance im LEO-Netz hat Kulesza gerade zusammen mit Berna Akcali Gur der Queen Mary University of London einen ausführlichen Bericht für die Internet-Society zur Dekolonisierung des Weltraums abgefasst.

Die bei der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) angemeldeten Megakonstellationen, neben Starlink weitere 16 mit einer geplanten Gesamtzahl von aktuell 472.171 Klein- oder Kleinstsatelliten, seien Ausdruck der herrschenden Goldgräberstimmung. "Die Motivation ist nicht in erster Linie der Bedarf, sondern vielmehr die Absicht, sich so viele Vorteile im Space-Race zu verschaffen wie nur möglich", so Kulesza. "Und weil der Bereich weitgehend unreguliert ist, ist die Strategie aller, sich einfach so viel 'Land' wie nur möglich zu sichern."

Der Weltraumvertrag (Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper) aus dem Jahr 1967 habe an die kommerzielle Eroberung des Weltalls nicht gedacht.

"Der Weltraumvertrag hat eine Art 'Star Wars', wie man es im Kalten Krieg befürchtete, verhindert. Aber er gibt keine Antworten auf die industrielle Ausbeutung erdnaher Umlaufbahnen oder des Weltraums ganz generell", erklärt Kulesza. Solange man friedlich ist, was bei der Nutzung von Satelliten längst verschwimmt, darf man fast alles.

Das US-Außenministerium habe aber rasch interveniert, als es um die Nutzung von Starlink-Satelliten für Drohnenangriffe der Ukraine und entsprechende Beschwerden der Russischen Föderation ging. Bei der Vergabe von Lizenzen für Megakonstellationen sind Regulierer wie die Federal Communication Commission (FCC) dagegen bisher noch sehr großzügig und die Internationale Fernmeldeunion beschränkt sich vorerst auf Koordination der Frequenzen im Auftrag der Mitgliedsländer und darauf, Interferenzen dabei möglichst zu vermeiden.

Den Startschuss für das große Rennen um die neuen Megakonstellationen hat Elon Musk gegeben. 2018 schickte der eigenwillige und spätestens seit der verkorksten Twitterübernahme umstrittene Milliardär die ersten beiden Probesatelliten TintinA und TintinB in eine LEO-Umlaufbahn.

Ab 2019 baute er sein LEO-Netz systematisch bis auf die heute operativen 3179 Satelliten der ersten und 116 der zweiten Generation auf. Allein 2023 hat Musk mit seinem Trägersystem SpaceX schon 11 Gruppen von insgesamt 551 Starlink-Satelliten ins All gebracht. Bis alle von der FCC genehmigten 7500 Kleinsatelliten der zweiten Generation auf ihren Plätzen sind, dauert es also wohl nur noch 2,5 Jahre.

Starlink versorgt in vielen Ländern nach eigenen Angaben inzwischen eine Million Nutzer, auffällig: Nur wenige Nutzer kommen aus nicht-westlichen Ländern.

(Bild: Starlink)

Im Dezember twitterte Musk zudem, dass auch die Kundenbasis langsam wächst. Das Unternehmen habe nun die Eine-Million-Marke bei den aktiven Kunden geknackt. Die Mehrzahl sitzt allerdings vorerst noch in den USA und von dort wurden Mitte des vergangenen Jahres einbrechende Bandbreiten gemeldet.

"Missing Link"

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Mehr neue Satelliten müssen daher in die Starlink-Orbits und der Umstand, dass Musk dabei auf hauseigene und inzwischen teils wiederverwertbare Zubringerraketen, aktuell Falcon 9, setzen kann, verschafft ihm einen Vorteil gegenüber fast allen anderen Satellitenbetreibern. Die Kapazität, tausenden von Satelliten in den Himmel zu bringen, ist einer der Flaschenhälse im Space-Race. Roskosmos fällt wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine für viele Satellitenanbieter aus und die Ariane steht gerade an einem Wechsel zwischen Ariane 5 und Ariane 6.

Musks SpaceX dagegen profitiert dadurch, dass es die Falcon 9 und die Schwerlast Rakete Falcon Heavy auch anderen Anbietern einschließlich der Starlink-Konkurrenz für ihre Satellitenstarts anbietet. Schon zweimal brachte SpaceX so dieses Jahr bereits OneWeb-LEO-Satelliten in ihre Umlaufbahn. Kuiper, die große Konstellation von Amazon, steht auf der To-do-Liste der neuen Ariane-Generation.