Missing Link: Tesla, die Antriebswende und das Legacy-Problem der Autoindustrie

Seite 2: Vertikale Integration

Inhaltsverzeichnis

Die vertikale Integration, also die Länge der Wertschöpfungskette, ist bei Tesla im Vergleich zu den Autoherstellern viel ausgeprägter. Bis vor kurzem verließen sich die deutschen Hersteller selbst beim Thema Batterieproduktion auf Zulieferer aus Asien, da hat in der Zwischenzeit jedoch ein Umdenken stattgefunden. Tesla kontrolliert die gesamte Wertschöpfung von Batterie- und Karosserieherstellung bis zum Vertrieb, der Software und den Kundenbeziehungen. Von Batterieproduktion über eigene Legierungen bis hin zu Aktivitäten auf dem Strommarkt reicht die Spannweite.

Im Markt für Speicher-Akkus und Photovoltaik-Systemen ist Tesla schon länger aktiv und Teslas Erfahrung mit dem weltweiten Supercharger-Netzwerk führen auch hier zu einem technologischen Vorsprung. Jüngst intensivierte Tesla seine Aktivitäten auf dem Strommarkt und entwickelt sich immer mehr zum Stromproduzent und -händler.

Wie reagieren die deutschen Hersteller? Bei Porsche ist man zuversichtlich, ganz vorne mitspielen zu können. Das Geschäft mit Verbrennern läuft derzeit noch hervorragend, Margen von bis zu 20 Prozent sind drin. Fabelhafte Ausgangsbedingungen für die anstehenden Veränderungen, nicht nur am Antriebsstrang. Und Porsche setzt auf einen radikalen Umbau.

Porsche will "CO2-Neutraliät über die gesamte Wertschöpfungskette bis 2030" erreichen, so Porsche-Vorstand Dr. Oliver Blume am 15. September auf einer Veranstaltung des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation. Allerdings wird auch langfristig an drei Antriebsarten festgehalten: Mit E-Fuels betriebene Verbrenner "als fast CO2-neutrale Lösung", Hybridfahrzeuge in zwei Varianten (PHEV und "tHEV – high performance") sowie mindestens 80 Prozent batterieelektrische Fahrzeuge sei das Ziel, so der Porsche -Manager.

Antriebsstrategie von Porsche

Und genau hier liegt das Problem für die klassischen Hersteller: Zwei oder gar drei Antriebstechnologien müssen parallel entwickelt, gebaut und vertrieben werden, ganz zu schweigen davon, dass "umweltfreundliche E-Fuels" in großer Menge derzeit nur in den Powerpoints der Marketingabteilungen existieren. Demgegenüber kann sich Tesla – ebenso wie all die anderen reinen Elektroautohersteller, die v.a. aus China kommen – voll und ganz auf eine einzige Antriebstechnologie konzentrieren, und wird dort vermutlich seinen Vorsprung nicht nur halten, sondern sogar ausbauen können.

Hier tut sich für die etablierten Hersteller ein dreifaches Problem auf: Erstens müssen sie den technologischen Vorsprung von Tesla in der E-Auto-Welt schleunigst aufholen, zweitens müssen sie ihre Verbrenner und "alternativen Antriebe" ebenfalls weiterbauen und weiterentwickeln und drittens mit ihrer Legacy umgehen – Fabriken und Beschäftigte aus der Verbrennerwelt werden zusehends zur Belastung, fallen nur negativ ins Gewicht, sind Gift für die Bilanzen.

Bislang gab es drei Faktoren, die Tesla davon abhielten, den etablierten Herstellern ernsthaft gefährlich werden zu können: Niemand wollte ein Elektroauto haben (zu teuer, keine Reichweite, keine Ladeinfrastruktur!), Teslas Spaltmaße stimmten nicht (und damit war deren Produkt für den klassischen Autokäufer nicht akzeptabel) und Teslas Produktionskapazitäten waren die eines Nischenherstellers. Die ersten beiden Brandmauern sind bereits gefallen, seit 2020 geht der Elektroautotrend auch bei uns los, und Tesla baut – auch in den Augen der Öffentlichkeit – die besten Elektroautos. Mit dem Produktionsstart in Grünheide beginnt auch die dritte und letzte Brandmauer zu wackeln…

Und dabei haben wir noch gar nicht über Teslas vielleicht wichtigste Wettbewerbsvorteile gesprochen – der eines Digitalkonzerns würdigen Softwarekompetenz, das konsequente Design des Produkts als softwaregetriebenes sowie eine agile Startup-Unternehmenskultur, die es letztlich Tesla erlaubt, binnen Monaten auf Kritik zu reagieren und nicht den nächsten Modellwechsel abwarten zu müssen, um Produktverbesserungen an die Kunden weiterzugeben.

Darum geht es in Teil 2 dieser Analyse, der am kommenden Sonntag (24. Oktober) erscheint.

(bme)