Missing Link: Wie man interstellare Quantenkommunikation finden könnte

Seite 3: Quantenkommunikation in der Praxis

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Wie sieht aber nun Quantenkommunikation in der Praxis überhaupt aus? Gibt es auf der Erde überhaupt eine Lichtquelle dafür? Ja, seit einigen Jahren ist das tatsächlich der Fall! Als 2016 am Laser Interferometer Gravitational-wave Observatory (LIGO) erstmals Gravitationswellen von verschmelzenden Schwarzen Löchern detektiert wurden, kam dabei „gequetsches Licht“ zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Laserlicht, das durch einen sehr genau kontrollierten Kristall wandert (ein „OPO“ für „Optical Parametric Oscillator“). Dabei wird ein grünes Photon in zwei verschränkte rote Photonen konvertiert, zu einem sogenannten gequetschten Vakuum. Dadurch verringert sich die Phasenunsicherheit auf Kosten der Amplitudenfluktuation. Und auf erstere kommt es an: Man möchte die Ankunftszeit der Photonen sehr genau messen, um die Länge der Strecke mit und ohne Gravitationswellen zu vergleichen. Auf die Helligkeit der Photonen kommt es dabei nicht an.

Ein solchermaßen gequetschtes Licht, mit geringeren Fluktuationen im Vergleich zu klassischem Licht, verbessert auch interstellare Kommunikation. Dabei bleibt noch ungelöst, was der beste Weg zur Aufmodulation der eigentlichen Daten ist. Auch die Signalstärke ist noch gering: Am LIGO sind wenige Watt an gequetschtem Licht im Einsatz. Im Vergleich dazu gibt es klassische Laser im Megawatt-Bereich. Die Entwicklung von Quantenlicht ist also einige Jahrzehnte hinter dem klassischen Licht zurück. Doch stärkere Quantenlichtquellen im Kilowattbereich sind bereits geplant für die Gravitationswellendetektoren der nächsten Generation. Damit wäre auch die Eintrittsschwelle für sinnvolle interstellare Quantenkommunikation erreicht.

Verschränkte Photonen sind auch nur Photonen – sollten diese nicht sowieso in optischem SETI Experimenten bereits detektierbar sein? Das ist im Prinzip richtig, denn für ein einzelnes Photon ist prinzipiell nicht bestimmbar, wer oder was es erzeugt hat. Wenn es um 11 Uhr 37 mit einer Wellenlänge von 650 nm (Farbe rot) auf den Detektor fällt, können wir unmöglich sagen, ob es von einem Stern stammt oder aus der Laserkanone des Todessterns. Ein Photon kommt jedoch selten allein. Empfangen wir eintausend Photonen mit 650 nm innerhalb einer Nanosekunde aus Richtung Alpha Centauri in unserem Ein-Meter-Spiegelteleskop, dann können wir sicher sein, dass sie nicht vom Stern selbst stammen (der sendet nämlich nur etwa 32 Photonen aller Wellenlängen pro Nanosekunde in unser Teleskop). Auf dieser Such-Annahme basiert klassisches optisches SETI. Es ist also sehr sensitiv für starke Laserpulse, aber auch sehr unempfindlich für Breitbandquellen.

Quanten-SETI erweitert den Suchhorizont durch zusätzliche Merkmale. Empfängt man eine Gruppe von Photonen, müssen diese nicht mehr einer bestimmten Wellenlänge entsprechen, oder in einem engen Zeitintervall ankommen, damit wir einen künstlichen Ursprung annehmen können. Stattdessen können wir auf Quanten-Eigenschaften prüfen, wie etwa das Vorliegen (oder Fehlen) von gequetschtem Licht. Es gibt nämlich keinen (bekannten) natürlichen Prozess, der gequetschtes Licht produziert. Empfangen wir solches, wäre das auf jeden Fall äußerst interessant. Und es gibt tatsächlich Tests für gequetschtes Licht, die mit vorhandenen Teleskopen und Detektoren durchgeführt werden können. Im einfachsten Fall prüft man die Intensität und deren Varianz auf eine quadratische Korrelation, wofür nur ein guter CCD-Sensor notwendig ist.

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Es gibt zahlreiche weitere Prüfungen auf Quanteneigenschaften des Lichts, die auf Sternenlicht anwendbar sind. Für schwache Quellen, von denen nur wenige Photonen empfangen werden, kann man deren zeitlichen Abstand messen. Chaotisches Sternenlicht ist temporal geclustert, es erreicht uns also mit hoher Wahrscheinlichkeit in kleinen Gruppen. Klassisches kohärentes Licht, also Laserlicht, ist deutlich gleichmäßiger. Für Licht mit Photonen-„Antibunching“ ist im Extremfall der Abstand zwischen je zwei Photonen identisch – ihre Ankunftszeiten sind also perfekt unkorreliert. Dieser quantenmechanische Effekt kann bei natürlichen Lichtquellen niemals auftreten, und ist somit ein sicheres Zeichen eines technischen Ursprungs. Das Verfahren kommt ab und an zum Einsatz, da es sich dazu eignet, Sternendurchmesser zu bestimmen.

Für einige wenige Sterne können wir auf Basis vorhandener Daten damit bereits heute ableiten, dass sie natürlichen Ursprungs sind: Arktur, Procyon und Pollux. Das Verfahren kann aber in Zukunft auf eine große Menge „seltsamer“ Objekte angewendet werden, um sie auf einen künstlichen Ursprung zu testen: Unmögliche Dreifachsterne, hyperschnelle Kugelsternhaufen, oder generell alle interessanten Objekte, die im „Exotika“-Katalog von Brian Lacki (Breakthrough Listen) aufgelistet sind.

Die Idee, SETI um Quanteneffekte zu erweitern, ist noch ganz neu. Man kann dabei aber auf bekannte Suchverfahren zurückgreifen und muss diese nur leicht anpassen. Damit lassen sich dubiose Lichtquellen in Zukunft effektiv auf einen künstlichen Ursprung hin überprüfen. Wir dürfen gespannt sein, was die nächsten Beobachtungen ergeben.

Lesen Sie auch den wissenschaftlichen Fachaufsatz:

Searching for interstellar quantum communications, Hippke M. (2021) Astronomical Journal (in press)

(mho)