Mit den eigenen Waffen: Scambaiter gegen die Nigeria-Connection

Scambaiter werfen auf fantasievolle Weise Betrügern ("Scammer") Köder ("bait") vor die Nase. Damit reagierten Spaßvögel auf die Spammails der Nigeria-Connection

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Von
  • Rudolf Opitz
c't-Zeitreise

Das c't magazin feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag. Das nehmen wir zum Anlass, einige Artikel aus unserem Archiv zu holen, die es wert sind, nochmals gelesen zu werden. Darunter befinden sich spannende Investigativ-Geschichten ebenso wie Kurioses, große Erfolge der Computertechnik, aber auch Prognosen, bei denen wir komplett falsch lagen. Wir kommentieren die Artikel aus heutiger Perspektive und freuen uns auf einen unterhaltsamen Streifzug mit Ihnen durch 40 Jahre IT-Geschichte.

Die E-Mails der Nigeria-Connection gehören zu den Klassikern unter dem massenweise mit Betrugsabsicht verschickten Spam: Schon Mitte der 1980er Jahre begannen nigerianische Banden – zunächst per Fax – um Mithilfe beim Transferieren hoher Geldsummen im oft zweistelligen Millionenbereich zu bitten und dafür Geschäftsanteile anzubieten.

Ab den 1990er Jahren folgte eine Schwemme von Spammails mit Betreffzeilen wie "URGENT BUSINESS PROPOSAL" oder "STRICTLY CONFIDENTIAL". Darin wurde, wie 2004 im c’t-Artikel von Blogger, Publizist und Filmemacher Mario Sixtus beschrieben, eine erfundene Geschichte um das Vermögen gestrickt:

In der c’t-Ausgabe 8/2004 berichtete Moderator, Blogger und Regisseur Mario Sixtus über Scambaiter.

"Die Märchen können sich um eine Erbschaft drehen, um Schwarzgeld im Ausland oder um illegale Gewinne, an die der Absender jeweils ohne fremde Hilfe angeblich nicht herankommt."

War der Kontakt zum Opfer aufgebaut, folgten erste Bitten etwa um das Vorstrecken angeblicher Bank- oder Notargebühren. Die geforderten Summen stiegen, etwa weil Bankangestellte oder Beamte bestochen werden müssten. Die Masche ist als Vorschussbetrug oder nach dem Betrugsparagrafen im nigerianischen Strafgesetzbuch als "419 Scam" bekannt.

Waren die ersten Spammails noch in gebrochenem Englisch gehalten, wurden sie bald professioneller. Mails der Nigeria-Connection findet man auch heute noch sporadisch im Eingangsordner, dann in ordentlichem Deutsch, oft mit "Lieber Freund" als Ansprache. Doch manche Spam-Empfänger drehten den Spieß um. Mario Sixtus berichtet von Mike, einem Scambaiter, der sich das Betrügen von Betrügern zum Hobby gemacht hat:

"Miss Anderson wollte John Ademola 80.000 US-Dollar Bargeld mitbringen. [...] Aber jetzt ist sie nicht da. Was ist passiert? Gleichzeitig sitzt in Manchester auf der britischen Insel ein Mann vor seinem Rechner und amüsiert sich königlich bei der Vorstellung, Obi und Ademola aufs Glatteis geführt zu haben."

Scambaiter wie Mike antworten als vermeintliche Opfer und denken sich ihrerseits haarsträubende Geschichten aus, um die Gauner hinzuhalten oder zu oft absurden Handlungen zu veranlassen.

"Das Verblüffende: Die afrikanischen Vorschuss-Betrüger, deren Masche auf die Leichtgläubigkeit und die Gier ihrer Opfer abzielt, entpuppen sich als nicht minder naiv, und ihre Gier macht auch die Gangster blind."

Brotbalancierer, Fisch- und Flaschenhalter – die Bilder der Scambaiter waren beliebte Sammelobjekte.

Eine Erfahrung haben viele Betrüger-Köderer gemacht: Die unglaublichsten Geschichten haben die besten Chancen, von den Gaunern für bare Münze genommen zu werden. Das motiviert zu immer absurderen Winkelzügen wie Vertrauensbeweisen in Form von Marketingfotos für angebliche Unternehmen der vermeintlichen Opfer. Viele wie Mike haben aus dem Sammeln solcher Bilder einen regelrechten Sport gemacht.

"Mikes Lieblingsfoto zeigt einen Mann, der sich Samuel Eze nennt und der sichtlich angestrengt eine Packung Toastbrot auf dem Kopf balanciert, während er dabei versucht, seriös zu wirken."

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Die Kreativität der Scambaiter erstreckt sich auch auf das Designen von Kreditkarten, Schecks von Fantasiebanken oder Websites. Der Sport, Betrüger zu betrügen, wird auch in Deutschland weiterhin fleißig betrieben:

"Die Gauner bekommen es hier nicht nur mit "Eduard Bauerfänger" zu tun, [...] sie füllen auf Wunsch der Hausfrau "Elke Schmelzer" auch brav einen "Antrag auf Merkbefreiung" aus und faxen ihn zurück nach Deutschland."

Besonders in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts war das Thema Nigeria-Connection mehrfach in der c’t präsent, etwa als Auktions-Scammer auf eBay oder in einer Kurzgeschichte von René Brunner.


c't-Artikel zum Scam-Baiting (PDFs zum freien Download):


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(rop)