Ortstermin im Land der Handys

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Das mit 22 Vorträgen eher knapp gehaltene Vortragsprogramm gliederte sich wie gewohnt in die drei traditionellen Schwerpunkte der UbiComp-Konferenz-Serie: Infrastruktur und Geräte, Anwendungen, und Evaluation. Die Beiträge begannen am ersten Tag mit der Vorstellung einer ganzen Reihe neuartiger Geräte wie etwa die u-Textures der Keio-Universität in Yokohama -- zusammensteckbare LCD-Panels, die selbständig ihre räumliche Anordnung erkennen und automatisch die verfügbare Anzeigefläche über Panelgrenzen hinaus anpassen. Dies ermöglicht neben Ad-hoc-Kollaboration mehrerer Benutzer auch einen flexiblen Aufbau großflächiger Anzeigeflächen, sowohl als Wandflächen als auch als dreidimensionale Körper, etwa als Tische oder Stühle. Auch wenn die gezeigten Prototypen noch mehr als tausend Euro kosten, so zeigt dieses Projekt doch eine Zukunft interaktiver Möbeln und Umgebungen auf.

Ähnliches verspricht das CarpetLAN-System von NTT DoCoMo, das aus steckbaren Bodenplatten ein einfaches und ubiquitäres Kommunikations- und Positionierungssystem aufbaut. Mobile Kleinstgeräte können durch den Körper des Benutzers direkt mit dem im Boden integrierten Ethernet kommunizieren und so bei minimalem Energieverbrauch Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 10 Mbps erreichen. Die zur Kommunikaion verwendete Bodenplatte kann darüber hinaus implizit zur Positionierung des Nutzers und seiner Geräte genutzt werden.

Nutzerstudien stellen einen weiteren UbiComp-Schwerpunkt, besonders in den Anwendungsbereichen Gesundheit, Verkauf und Unterhaltung. Forscher von IBM Research untersuchten etwa die Verwendung von projizierten Nutzerschnittstellen, um Kunden in Supermärkten durch die Projektion von Pfeilen und weiteren Zusatzinformationen zu bestimmten Produkten zu leiten. In ihrer Studie kamen sie zu dem Ergebnis, dass projizierte Anzeigen im Gegensatz zu klassischen Bildschirmen eine weitaus intuitivere Integration von Information in der Umgebung ermöglichen.

Ein Beitrag von der Universität Aarhus in Dänemark evaluierte Möglichkeiten zur Unterstützung von Chirurgen und anderem medizinischen Personal in Operationssälen. Ein wichtiger Teil eines solchen Systems war dabei die Auwahl und Präsentation relevanter Patienteninformationen während der Operation sowie die Möglichkeiten für Systeminteraktion und Protokollierung im Operationssaal. Auch wenn noch keine abschließenden Daten der noch laufenden Studie vorlagen, zeigten erste Ergebnisse eine Reihe von erfolgversprechenden Ansätzen, wie Ubiquitous Computing die Arbeit von Chirurgen unterstützen kann.

Der dominierende Trend der diesjährigen Konferenz war die Bereitstellung und Nutzung ortsbezogener Dienste. Knapp über die Hälfte der Präsentationen des Vortragsprogramms beschäftigten sich mit der Verbesserung existierender Lokalisationssysteme oder neuartigen Wegen zur Nutzung solcher Ortsinformation. Besonderes Augenmerk galt dabei der Verwendung bestehender Infrastrukturen wie etwa GSM-Antennen, WLAN-Basisstationen oder mobiler Bluetooth-Geräte. Forscher der Intel Research Laboratories in Seattle, USA, stellten einen graphenbasierten Algorithmus zur automatischen Kalibrierung eines WLAN-basierten Lokalisierungssystems vor. Ausgehend von einigen wenigen bekannten Basisstationen erreicht ihr System eine Auflösung von bis zu 50 Metern bei einer Abdeckung von über 90 Prozent, ohne dass der Nutzer bzw. ein kommerzieller Dienstanbieter zusätzliche Ortsinformationen bereitstellen muss. Das System kann beispielsweise sporadische GPS-Messungen nutzen, um über einen Zeitraum von mehren Tagen schrittweise ein präzises Ortsmodell der in einer Stadt verfügbaren WLAN-Basisstationen zu konstruieren. Durch das Einbeziehen zusätzlicher Informationen, wie beispielsweise öffentlicher "War-Driving"-Datenbanken, in die Freiwillige den genauen Ort von WLAN-Basisstationen eintragen, kann dieser Vorgang zusätzlich beschleunigt werden.

Für die Mehrheit der Besucher war am Ende der drei anregenden Konferenztage klar, dass UbiComp 2005 ein gelungener erster Schritt war, die höchst dynamische asiatische Ubicomp-Community in die internationale Forschungsgemeinschaft zu integrieren.

Von Marc Langheinrich (wst)