Psychologie: Warum Dinge weglassen schlauer ist

Seite 2: Die große Verlust-Aversion

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In Zeiten des Überflusses ist das aber keine so gute Idee. Was lässt sich dagegen unternehmen?

Wenn wir Verluste und Gewinne gegeneinander abwägen, schmerzen uns Verluste mehr. Das nennt sich "Verlust-Aversion". Solche Emotionen lassen sich nur schwer ändern. Aber oft genug denken wir gar nicht mal darüber nach, ob wir etwas wegnehmen können. Wenn wir in unserem Leben nur noch von hinzugefügtem Zeug umgeben sind, wird das für uns die naheliegendste Option – und so verstärkt sich das Hinzufügen nur noch weiter. Das ist möglicherweise die hilfreichste Erkenntnis aus unserer Forschung. Deshalb plädieren übrigens auch Gurus wie Marie Kondo [Bestseller-Autorin und Beraterin, die Wegwerfen und Aufräumen lehrt] oder Laotse dafür, jeden Tag etwas wegzulassen. Solche generellen Regeln oder Erinnerungen sind wirklich effizient, weil sie den Menschen im Kopf bleiben.

Hinzufügen ist, als Wirtschaftswachstum, allerdings Teil der DNA des Kapitalismus. Funktioniert dieser auch mit weniger Hinzufügen – oder sogar mit Wegnehmen?

Nach meinem Verständnis von Kapitalismus geht es dabei auch um Fortschritt. Kaum jemand wird infrage stellen, dass Verbesserungen das Ziel der Wirtschaft sind. Und ich denke, dass Wegnehmen tatsächliche Verbesserungen und Fortschritte bringt. In den Vereinigten Staaten gab es etwa ein Gesetz der Umweltbehörde, das ausgelaufene Milch auf einer Farm genauso behandelte wie ausgelaufenes Öl. Die Farmer wussten, dass das Unsinn ist, die Behörden wussten, dass das Unsinn ist – aber lange Zeit hat niemand etwas getan. Erst unter Obama wurde das Gesetz geändert. Das hat Behörden und Farmern Milliarden Dollar gespart.

Wie lässt sich erreichen, dass in der Politik öfter mal weniger gemacht wird?

Damit Wegnehmen aber wirklich eine Option wird, muss sich das System fundamental ändern. Zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt – du baust ein Gefängnis und damit erhöhst du dein Bruttoinlandsprodukt. Dabei sind Gefängnisse im Großen und Ganzen nichts, was gut für die Gesellschaft ist und was sie versuchen sollte, zu produzieren. Es gibt viel nuanciertere Maßstäbe – zum Beispiel das "Bruttonationalglück" [in Bhutan verwendete Alternative zum BIP].

Lässt sich Weglassen also lernen?

Ja. Bei den Mustern auf den Bildschirmen haben wir einigen Versuchspersonen zum Beispiel gesagt, sie sollten die Aufgaben fünf Mal lösen. Und beim dritten oder vierten Mal hatten sie dann oft die Subtraktions-Methode entdeckt. Am Ende haben wir sie dann gefragt: "Nun – welchen Weg bevorzugen Sie?" Und alle haben gesagt: "Klar, Wegnehmen ist die beste Lösung. Am Anfang habe ich daran nur nicht gedacht." Aber natürlich sind unzählige Versuche nicht der effizienteste Weg, etwas zu erledigen. Wie machen Sie das denn mit Texten?