Technik gegen den Terror

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Die Zahlen geben ihm recht. Laut Europol-Report vom April 2010 ist die Zahl der Terrorangriffe in Europa seit 2007 stark rückläufig. Der Löwenanteil geht auf das Konto separatistischer Gruppen wie der baskischen ETA. Europaweit gab es 2009 nur einen einzigen Anschlag mit islamistischem Hintergrund, bei dem ein libyscher Attentäter versuchte, sich Zutritt zu einer Militärbasis in Italien zu verschaffen – getötet wurde niemand. Das Risiko, Opfer eines Attentäters zu werden, ist in Deutschland verschwindend gering, seit Jahren kam hier kein Mensch mehr bei einem Terroranschlag ums Leben. Doch die öffentliche Wahrnehmung ist eine andere. Die Terrorzelle aus dem Sauerland, die Kofferbomber von Köln, der nigerianische Unterhosen-Attentäter im Flieger nach Detroit – mit jedem vereitelten Anschlag wächst die Furcht ein bisschen mehr.

An Flughäfen sind die Folgen für jeden spürbar. Nach 9/11 wurden Nagelscheren im Handgepäck verboten. Seit dem vereitelten Schuhbomberanschlag im Dezember 2001 müssen Reisende häufig auf Socken durch die Sicherheitsschleuse. Und nachdem 2006 geplante Anschläge mit Flüssigsprengstoffen aufgeflogen waren, darf noch nicht einmal mehr Zahnpasta mit ins Handgepäck, von einer Flasche Mineralwasser ganz zu schweigen. Die langwierigen Kontrollen kosten Nerven, Zeit und vor allem Geld. Rund ein Drittel ihrer operativen Kosten geben europäische Flughäfen für Sicherheitspersonal und -maßnahmen aus. Sicherheit zu vertretbaren Kosten und ohne den Betrieb lahmzulegen – das ist der Traum jedes Security-Verantwortlichen. Bei mehr als vier Millionen Passagieren und über 200000 Tonnen Fracht, die allein der Flughafen Frankfurt/Main pro Monat umschlägt, kann das nur gelingen, wenn Hightech hilft, die wertvollste Ressource besser zu nutzen: die Aufmerksamkeit der Wachleute. Sie sind es, die im Strom Zigtausender Passagiere jenen erkennen sollen, der Böses im Schilde führt, und in einer endlosen Kette von Koffern den, der eine Bombe enthält.

Bei der Kontrolle von Frachtgut und Gepäck schärfen Röntgenprüfgeräte den Blick fürs Wesentliche. Moderne Systeme durchleuchten Koffer und Kisten, Frachtboxen und -paletten mit verschiedenfarbigem Röntgenlicht, das erstaunlich viel Verborgenes sichtbar macht. Einen Schokoriegel von Plastiksprengstoff zu unterscheiden fällt den Geräten allerdings bis heute schwer. Um Klarheit zu bekommen, bleibt dem Sicherheitspersonal oft nur eins: Koffer öffnen und nachschauen. Und das kostet Zeit und Geld. Beim Sicherheitscheck von Passagieren scheiden Röntgenstrahlen aus gesundheitlichen Gründen aus. Metalldetektoren sind hier Standard. Schlagen sie Alarm, wird manuell abgetastet. Weil das dauert und fehleranfällig ist, sollen technische Helfer die Kontrolleure unterstützen. Zum Beispiel die umstrittenen Körperscanner, die sich seit dem vereitelten Anschlag des Flugzeugbombers an Weihnachten 2009 prima verkaufen. Das Messprinzip dieser Geräte ähnelt dem einer 3D-Kamera mit Blitzlicht. Sie beleuchten Menschen mit Mikrowellen, die zwar die Kleidung, nicht aber die Haut durchdringen. Die reflektierten Strahlen ergeben ein räumliches Bild, worauf sich versteckte Waffen und Sprengstoffbeutel abzeichnen. Allerdings auch anatomische Details, weshalb nicht jedem wohl dabei ist.

Forscher Torsten May vom IPHT in Jena hat die hitzige Debatte um die Einführung der Körperscanner aufmerksam verfolgt. Denn auch die im Projekt Terahertz-Videocam entwickelte Überwachungskamera nutzt elektromagnetische Wellen, die den Blick unter die Wäsche ermöglichen. Allerdings in einer relativ unverfänglichen Variante, findet der Physiker: "Die Bilder, die wir erzeugen, kann man eigentlich selbst mit bösem Willen nicht als Nacktbilder bezeichnen."

Das elektronische Auge funktioniert wie eine Wärmebildkamera. "Wir zeichnen das auf, was Menschen durch ihre Körperwärme sowieso abstrahlen", erklärt Torsten May. Das klingt einfacher, als es ist, denn die Forscher haben es auf Terahertzwellen (THz) abgesehen, die im Frequenzbereich zwischen Mikrowellen und Infrarotlicht liegen und hundertmal weniger Energie haben als normale Wärmestrahlung. Um sie dennoch vom Hintergrundrauschen unterscheiden zu können, muss der Bildsensor extrem gekühlt werden. Deshalb der Vakuumkessel und das zischende Kühlsystem. Um zu zeigen, was die THz-Kamera kann, hängt sich Torsten May eine Pistolenkontur aus Blech um den Hals, versteckt sie unterm Hemd und stellt sich in acht Metern Entfernung vor das teleskopartige Objektiv. Das Monitorbild zeigt seine Silhouette in Rot und die verborgene Pistole in Blau. Ein auf Körpertemperatur aufgewärmter Beutel mit Sprengstoff würde sich weniger deutlich abzeichnen, wäre aber auch noch erkennbar. Denn seine Oberfläche wäre ebenfalls einen Hauch kühler als die umgebende Haut. Ein weiterer Vorteil: Die Bilder der THz-Videocam ähneln einem Infrarot-Schnappschuss, und anatomische Details sind, anders als bei den Mikrowellen-Körperscannern, nicht zu erkennen.