Twitter ist tot – lang lebe X?

Elon Musk setzt seinen Plan um: Aus Twitter wird X und X wird eine Super-App, powered by AI, klar. Ob das funktionieren kann, analysiert Eva-Maria Weiß.

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Musk hat ein Bild des X-Headquarters bei X, ehemals Twitter, gepostet.

(Bild: X)

Lesezeit: 4 Min.

Es klingt zwar eher wie eine Porno-Seite, aber X.com leitet bereits auf Twitter um. Das Unternehmen hinter Twitter hat Elon Musk schon vor Wochen umbenannt, das ging zufällig aus Gerichtsunterlagen hervor. Und nun ist es so weit, das X ersetzt den Vogel. Twitter ist gestorben. Anders, als viele Beobachter in den vergangenen Wochen vermutet haben, aber dennoch ist Twitter damit tot. Lang lebe X? Wahrscheinlich. Aber auch das wird anders sein: Powered by AI und deutlich umfangreicher – in den Funktionen, nicht zwingend in Nutzerzahlen.

X ist Elon Musks Lieblingsbuchstabe, alles heißt irgendwas mit X. Okay, das Gehirn-Chip-Unternehmen Neuralink fällt irgendwie raus, aber selbst Musks Kinder haben ein X im Namen. X ist auch der Vorgänger von Paypal, womit Musk bekanntlich reich wurde. Und nun soll X zu einer Alles-App werden. Das ist der ursprüngliche Plan und Grund für die Übernahme von Twitter. Ein bestehendes Netzwerk nutzen und umbauen.

Musk wollte und will einen Dienst aufbauen, der alles vereint – nach dem Vorbild des chinesischen WeChat. Das ist ein Messenger, über den man dank Bezahlfunktion auch direkt seine Stromrechnung begleichen kann, aber auch Lebensmittel von einem Supermarkt bestellen. Musks Vorstellung von X ist mindestens so groß wie diese chinesische Super-App. Vielleicht bleibt den Nutzerinnen und Nutzern immerhin der Part erspart, bei dem die Regierung alle Aktivitäten kontrolliert. WeChat wird auch mit einer Art Ausweis verknüpft.

X kann noch nichts Neues, die Funktionen beschränken sich auf jene, die es auch auf Twitter gab. Ob das Logo bereits final ist, war zunächst unklar. Twitter-CEO Linda Yaccarino hat zumindest gepostet: "X is here. Let's do this." Musk sprach in einem Tweet von möglichen Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt. Die aktuelle Version bezeichnet er als "minimalistisch" und "Art Deco". Eine Zeit geprägt von Überfluss, die im Zweiten Weltkrieg endete.

Es ist ein weißes X auf schwarzem Grund und es wirkt wirklich alles andere als einladend, um beispielsweise Kontodaten zu hinterlegen. Was antworten Sie auf die Frage, welches der unseriöseste Buchstabe im Alphabet ist? Wahrscheinlich X. Ein Hintergrund in Schwarz? Die Farbe der Trauer passt zumindest für die Laune vieler verbliebener Menschen auf der Plattform. Wer ob des Vogel-Verlusts ein bisschen sentimental wird, dem verpasst Musk gleich noch einen: "Die Twitter-Logos an den Gebäuden brennen wir mit Flammenwerfern weg", soll er in einer Twitter-Spaces-Session gesagt haben.

Yaccarino träumt sich in mehreren Tweets – wie werden die eigentlich jetzt heißen? – in die X-Zukunft. Geplant ist "Audio, Video, Messaging, Banking – einen globalen Marktplatz für Ideen, Waren, Services und Möglichkeiten aufbauen." Alles powered by AI, also Künstlicher Intelligenz. Klar, nichts geht in diesen Tagen ohne KI. "Es gibt kein Limit für die Transformation. X wird die Plattform sein, die alles kann." Das ist gut möglich, dass X zig neue Funktionen bekommt und die auch, anders als vieles zuletzt bei Twitter, funktionieren.

Das X erscheint nun auch oben links als Symbol. Tweets heißen aber nach wie vor Tweets.

Die Frage wird nur sein, wie viele Menschen das dann nutzen. Musk hat eine Reihe Fans. Und eine Reihe Menschen beschäftigt sich nicht so sehr mit den Hintergründen einer Social-Media-Plattform. Facebook lebt trotz Skandalen und rechten Netzwerken. Threads aus dem Hause Meta hat gerade einen Rekordstart hingelegt. Zuckerpest und Muscholera schrecken nicht die Massen ab. Die wollen Spaß, Informationen und Ablenkung. Das sei ihnen (und manchmal auch mir) gegönnt!

Trotzdem gibt es seit Sonntag den nächsten kleinen Twitter-Exodus. Mastodon-Gründer Eugen Rochko hatte sich zuletzt beschwert, Musk solle doch bitte mal unter der Woche Quatsch machen, damit die damit verbundene Arbeit nicht immer aufs Wochenende fällt. Hat er wohl nicht gehört. Mastodon, Threads, alle Alternativen profitieren erneut. Doch Totgeglaubte leben länger. Zumindest aktuell müssen wir uns von dem Glauben verabschieden, dass es ein Netzwerk für alle gibt. In Wahrheit war Twitter das auch nie. Nur verändert sich gerade die Blase ganz gewaltig.

(emw)