Weiche Hardware

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Dario Floreano von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, Leiter des Laboratory of Intelligent Systems (LIS), arbeitet an einem der wohl futuristischsten Roboterkonzepte der Gegenwart: Er will seine Maschinen aus vielen, voneinander unabhängigen Einheiten aufbauen. Ähnlich lebenden Muskelzellen, sollen sich diese "Neubot"-Zellen, wie er sie nennt, ausdehnen und zusammenziehen, härter oder weicher werden. Damit der Roboter seine Gestalt verändern kann, sollen sie aber auch verschieden stark aneinanderhaften.

Wie das in Zukunft aussehen könnte, zeigt Floreano an durchsichtigen Plastikblasen, die aussehen wie aufgepumpte Ein-Liter-Gefriertüten. Der Luftdruck im Inneren der Blasen lässt sie härter oder weicher werden. Außerdem ist jede Blase mit einer schneckenförmigen, einige Zentimeter großen Elektrode verziert. Schließt Floreano diese an eine Hochspannungsquelle an, haften die Blasen elektrostatisch aneinander – und zwar überraschend fest: Bis zu zehn Kilogramm kann so eine Verbindung halten, wenn man eine Spannung von 3000 Volt anlegt. Trotz der Hochspannung sei das System weder besonders gefährlich noch energieaufwendig, beruhigt er. Denn da der Effekt rein elektrostatisch sei, fließe so gut wie kein Strom.

So improvisiert die Plastikblasen auch auf den ersten Blick aussehen – sie zeigen, dass die Idee grundsätzlich funktioniert. Im nächsten Schritt wollen Floreano und seine Kollegen die Zellen mit "rechnerischer Intelligenz" ausstatten. Denn auch die Software für die Steuerung von flexiblen Robotern muss völlig neu erfunden werden: In herkömmlichen steifen Robotern modelliert eine zentrale Steuerung jede Bewegung, bevor der Roboter sie ausführt. Ein Ergebnis dieser Simulation sind die konkreten Kommandos, die an die Motoren des Roboters weitergegeben werden. Spezielle Regelkreise sorgen dann dafür, dass die Bewegung tatsächlich so abläuft wie geplant.

Dieses Verfahren funktioniert ganz gut, wenn das Robotergehirn 20 oder 30 Motoren ansteuern muss. Aber es kapituliert, wenn es Tausende einzelne, unabhängige Einheiten lenken soll, wie das in der neuen Robotergeneration der Fall sein wird.

Die Lösung heißt Dezentralisierung: Dann misst jede Zelle ständig, welcher Druck in ihrem Inneren herrscht und wie sie mit anderen Zellen verbunden ist. Sie speichert diese Daten – und arbeitet anhand dieser Informationen ein einfaches Programm ab. Aus dem Zusammenspiel aller Zellen ergibt sich, was der Roboter als Nächstes tut. Damit kann man Dinge anstellen, die wir bisher nur aus Science-Ficiton-Filmen kennen: Kyle William Gilpin hat im Rahmen seiner Doktorarbeit am MIT "intelligente Kieselsteine" am Rechner simuliert, die selbstständig Gegenstände kopieren. Steckt Gilpin beispielsweise einen Schraubenschlüssel in seinen Sack, der mit den schlauen Steinchen gefüllt ist, umhüllen diese den Schraubenschlüssel und "lernen" so die fremde Form kennen. Anschließend bauen sie die Form des Schlüssels nach.

Das klappt, weil jeder der würfelförmigen Steinchen auf allen sechs Seiten Sensoren und Magnete besitzt. Mit den Magneten hängt er sich an einen anderen Würfel und spürt über die Sensoren, dass er jetzt mit einem anderen Steinchen verbunden ist. Tasten die Steinchen also eine fremde Form ab, versuchen sie sich erst mit allen ihren Nachbarn zu verbinden. Anschließend prüfen sie, ob sie an einer ihrer Seiten etwas anderes spüren als einen Würfel. Jeder, der das tut, meldet sein Abtast-Ergebnis an alle anderen Steinchen weiter. Aus der abgetasteten Form berechnen die Würfel ein Modell des Gegenstandes und übermitteln auch das an alle anderen.

Leider klappt das bislang nur in der Simulation – zumindest dreidimensional und im großen Stil mit bis zu tausend schlauen Steinen. In der echten Welt haben Gilpins Kollegen am Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory aber immerhin schon Würfel mit einem Zentimeter Kantenlänge hergestellt, die den Trick zweidimensional auf einer speziellen Tischoberfläche vorführen können. Das Ergebnis ist verblüffend.