Weiche Hardware

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Aber für Hod Lipson von der Cornell University ist das alles nur ein erster Schritt. Natürlich müsse man Materialien entwickeln, mit denen man solche Roboter bauen kann, sagt er. "Es geht aber auch darum, wie wir solche Maschinen im Voraus entwerfen und planen können." Denn vorherzusehen, wie sich weiche Materialien verhalten und was sie letztendlich entwickeln, sprenge die menschliche Vorstellungskraft, sagt er. "Als Ingenieure haben wir eine grobe Vorstellung davon, wie sich harte Körper verhalten, etwa wie sich Stangen bewegen oder Räder und Getriebe. Aber weiche Maschinen?" Roboter, deren Form sich verändern kann, bräuchten eigentlich für jede Form eine neue Steuerung. Lipsons Lösung ist eine Software, in der flexible, amorphe Roboter sich vollautomatisch entwickeln – Hard- und Software jeweils zusammen.

Zur Veranschaulichung zeigt Lipson ein Video. Auf dem Bildschirm ist ein Ding zu sehen, das aussieht wie ein Sack voller Würfel aus Götterspeise, in dem sich ein Knäuel junger Katzen balgt. Es wölbt sich an verschiedenen Stellen aus, zittert und wackelt. Dann stellt es ein Ende hoch, tastet unsicher, kriecht wie eine Raupe, bevor es bebend wieder zu Boden fällt. "Manche Leute", sagt Lipson und lacht dabei, "finden das schon etwas gruselig."

Dieses Bauchgefühl entsteht nicht ohne Grund. Denn die Software arbeitet nach dem Prinzip der "evolutionären Algorithmen". Ähnlich wie bei der biologischen Entwicklung verläuft dieser Prozess nicht nach einem höheren Plan. Im Gegensatz zu Mutter Natur legt der menschliche Designer jedoch das Ziel der Entwicklung fest. Er entscheidet also beispielsweise, dass der Roboter möglichst schnell eine bestimmte Entfernung zurücklegen muss. Oder dass er höchstens ein Kilogramm wiegen oder eine bestimmte Größe nicht überschreiten darf. Schließlich gibt er noch die grundlegenden Materialeigenschaften an, aus denen das künstliche Wesen entstehen soll: zum Beispiel wie fest sie sein sollen oder wie dehnbar. "Dann", sagt Lipson, "drückt man auf die Enter-Taste und wartet." Zurzeit wartet man noch recht lange. Auf einem Cluster mit 32 Prozessoren dauert es rund eine Woche, bis die Ergebnisse im wahrsten Sinne des Wortes laufen.

Maschinen, die Maschinen entwerfen. Beginnen jetzt die Roboter, die Kontrolle zu übernehmen? "Je mehr wir das Design aus der Hand geben – und das betrifft nicht nur evolutionäre Algorithmen –, desto weniger verstehen wir die Ergebnisse", gibt Lipson zu. Dennoch bleibt er gelassen. Denn das bedeute ja schließlich nicht, dass wir die Kontrolle verlieren. "Wird ein Flugzeug konstruiert, gibt es auch niemanden mehr, der komplett versteht, wie die Maschine funktioniert. Aber wir können damit umgehen, wenn wir sie nur ausführlich testen. Ich finde das auch unbefriedigend. Aber so ist das nun mal mit immer komplexeren Systemen." (wst)