Wie eine Flughafenruine in Mexiko zum Ökopark werden soll

In Mexiko-Stadt soll aus einem gescheiterten Flughafenprojekt ein Ökopark der besonderen Art entstehen. Doch der Plan ist auch konfliktbehaftet.

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Was einst ein Flugterminal werden sollte, wird zum See.

(Bild: picture alliance / REUTERS)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Matthew Ponsford
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Die Geschichte beginnt im 16. Jahrhundert in einer Region, in der heute die Hauptstadt Mexikos liegt: Eine blühende Seenlandschaft rund um den Texcoco-See, Heimat der Azteken – die Hauptstadt heißt Tenochtitlan – wird von spanischen Einwanderern praktisch komplett zerstört. Die Eroberer legen das Feuchtgebiet trocken, zapfen Nebenflüsse für die Landwirtschaft an und pflastern das Seebett zu. Mexiko-Stadt entsteht, heute eine Metropole für mehr als 21 Millionen Menschen.

Als 2015 der Bau des 13 Milliarden Dollar teuren Flughafens Nuevo Aeropuerto Internacional de la Ciudad de México (NAICM) beginnt, drohte auch der Texcoco-See komplett zu verschwinden. Doch es kommt anders.

Präsident Andrés Manuel López Obrador stoppt den Bau des Flughafens, nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt Ende 2018. Schon während seines Wahlkampfs hat er die Projektleitung wegen überhöhter Ausgaben und Korruption beschimpft. In einem von Obradors Partei initiierten Referendum nach den Wahlen stimmt auch die Bevölkerung für die Abschaffung des Flughafens.

In der riesigen, seltsam leeren Landschaft, größer als Paris, umgeben von den Ausläufern der Hauptstadt, soll nun einer der größten Ökoparks der Welt entstehen, "ein neues Tenochtitlan", sagt Obrador. Er beauftragt Iñaki Echeverria, einen mexikanischen Architekten und Landschaftsplaner, mit der Planungsleitung. Echeverria setzt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Wiederherstellung des Geländes ein. Das Budget: eine Milliarde Dollar.

Die ehemaligen Feuchtgebiete sind verbuscht und sollen wieder vernässt werden.

(Bild: ddp)

Geschaffen werden sollen nun unter anderem künstliche Seen und neue Lebensräume für die unterschiedlichsten Tierarten. Echeverrias Team hofft außerdem, dass der Park auch zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen kann: Neue Gärtnereien beispielsweise sollen für die Aufzucht einheimischer Pflanzen vom Aussterben bedrohte kulturelle Praktiken wiederbeleben – etwa die Ernte von Spirulina-Algen.

Zudem könnte der Park zwei große Probleme der nahen mexikanischen Hauptstadt lösen. Die wiederbelebte Seenlandschaft soll als Überlaufbecken dienen und dadurch Überschwemmungen der versiegelten urbanen Flächen verhindern. Aus den Teichen wiederum kann das Wasser in die Grundwasserleiter zurücksickern, was das Sinken der Hauptstadt bremsen soll – und damit eine fatale Entwicklung. Denn die Stadt wurde auf einem gigantischen, aber eben dramatisch schrumpfenden unterirdischen Grundwasserspeicher errichtet. Teile des Texcoco-Parks sinken mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 40 Zentimetern pro Jahr. Die Straßen im nahe gelegenen Stadtzentrum schlagen wegen des unregelmäßigen Absackens regelrecht Wellen.

MIT Technology Review 5/2023

Lange war es üblich, in Renaturierungsprojekten den Urzustand eines Gebiets wieder herzustellen, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort und die Geschichte der Region. Das sei nicht mehr zeitgemäß, sagt etwa Eric Higgs, Professor für Umweltplanung an der kanadischen University of Victoria. Denn immer häufiger gelinge es schlicht nicht, zu groß sei die menschengemachte Zerstörung.

Er plädiert daher dafür, die Vergangenheit eines Gebiets nicht zu verschweigen, selbst wenn dort einst schmutzige Industrie vorherrschte und koloniale Enteignungen stattfanden. Als Beispiel nennt er Rocky Flats, eine Kernwaffenforschungsanlage in der Nähe von Denver, das heute den Status eines Naturschutzgebiets hat. "Zu sagen: 'Seht euch dieses wunderschöne Naturschutzgebiet an‘, ohne dessen komplizierte und vielschichtige Geschichte zu verstehen, ist sinnlos", sagt der Umweltexperte.

Wie es mit der Geschichte des Texcoco-Parks weitergeht, ist noch nicht ausgemacht. Die Menschen vor Ort bemängeln vor allem die mangelnde Transparenz im Prozess. Zurzeit ist der Park noch von einem kilometerlangen Grenzzaun umgeben, den Wächter in Militäruniformen bewachen.

2024 endet die Amtszeit von López Obrador. Das Projekt ist für die Öffentlichkeit unzugänglich und nach wie vor auch konfliktbehaftet. Die Pläne für die Wiedergeburt des Texcoco-Sees könnten sich noch in Luft auflösen.

(anh)