Wird das Handy zur universellen Smartcard?

Die neue Funktechnologie NFC hat gute Chancen, als Standard-Werkzeug in Mobiltelefone integriert zu werden - doch die Konkurrenz schläft nicht

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Eric S. Brown
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Normalerweise gilt bei drahtloser Kommunikation: Je größer die Reichweite, desto besser. Die Entwickler einer neuen Technologie namens Near Field Communications (NFC) aber verweisen stolz darauf, dass sie nur über kurze Entfernungen funktioniert.

Mit seiner Reichweite von 10 Zentimetern begnügt sich NFC mit sehr kleinen, billigen Funksendern, die nur sehr wenig Strom benötigen. Allein das schwache Signal macht die Technik relativ sicher: Hacker, die vor dem Haus stehen, um das interne WLAN-Netzwerk zu belauschen, kann man beispielsweise getrost vergessen - selbst ein Kollege, der neben einem im Meeting sitzt, ist womöglich zu weit weg, um das Signal eines NFC-Gerätes mitzuhören. Will man aber wirklich Daten austauschen, hält man einfach das eigene NFC-Gerät direkt neben seines, und die Verbindung wird sofort aufgebaut. Mit der gleichen Technik soll es auch möglich sein, am Colaautomaten zu bezahlen. All diese Möglichkeiten überzeugten die Handy-Hersteller Nokia und Samsung, ihre Geräte der nächsten Generation mit NFC-Chips auszurüsten. Erste NFC-Handys von Nokia sollen bis Ende des Jahres verfügbar sein.

Für Handy-Hersteller ermöglicht die NFC-Technik einen kostengünstigen Eintritt in den Smartcard-Markt. Handybesitzer könnten ihr Gerät dann als kontaktlose Smartcard benutzen, um elektronische Sperren (etwa in der U-Bahn) zu überwinden, als Eintrittskarte bei Veranstaltungen oder sogar zum Bezahlen an der Supermarkt-Kasse. Die Technologie würde es auch möglich machen, Bilder einer digitalen Kamera auf einen Fernseher zu übertragen, Promo-Angebote auf Werbeplakaten anzunehmen oder Kontaktdaten auszutauschen. Durch das Engagement der Konsumelektronik-Größen Sony und Philips, die NFC entwickelt haben, könnten die billigen Funkchips in zahlreichen Endkunden-Geräten auftauchen - vom Fernseher über den PC bis zur Digitalkamera. Das Marktforschungsunternehmen ABI Research sagt voraus, dass bis 2009 allein jedes zweite Handy mit NFC-Technik ausgerüstet sein wird.

Der Standard für NFC wurde im vergangenen Jahr verabschiedet. Er sieht Übertragungsraten von bis zu 424 Kilobit pro Sekunde auf der Frequenz von 13,56 Megahertz vor, wobei die ersten Geräte zunächst nur die halbe Bandbreite erreichen werden. NFC-Geräte bieten eine noch kürzere Reichweite als die RFID-Technik, auf der der neue Standard aufbaut - 10 Zentimeter statt zwei bis fünf Metern. Ähnlich wie RFID überträgt NFC Informationen über induktive elektromagnetische Koppelung im Radiofrequenzbereich des Spektrums.

Der Hauptunterschied ist, dass NFC mit einer Software läuft, die den schnellen Aufbau von Peer-to-Peer-Netzwerken ermöglicht. Wie bei der Peet-to-Peer-Kommunikation zwischen Bluetooth- oder ZigBee-Geräten finden sich NFC-Geräte automatisch gegenseitig und bauen eine Verbindung miteinander auf; die populäre WLAN-Technik arbeitet hier anders, weil sie normalerweise eine Basisstation benötigt. RFID-Netzwerke wiederum basieren auf so genannten "Master/Slave"-Rollen, bei denen günstige passive Chips von recht teuren stromversorgten Lesegeräten abgefragt werden. NFC-Geräte dagegen können sowohl im aktiven als auch im passiven Modus arbeiten; sind sie auf "passiv" eingestellt, können sie Identifikationsdaten sogar dann senden, wenn das Träger-Gerät ausgeschaltet ist - das macht sie ideal für Smartcard-Anwendungen. In der aktiven Rolle können sie die Kommunikation mit anderen aktiven oder passiven RFID-basierten Geräten steuern.

Der Hauptvorteil von NFC (neben den niedrigen Kosten) ist die Geschwindigkeit, mit der Kommunikationsvorgänge eingeleitet werden können. "Konfiguration und Pairing von NFC-Geräten erfolgen sehr schnell und sehr einfach", sagt Tariq Shahab, Business Development Manager für die "Contactless Identification"-Gruppe bei Philips Americas. Im Gegensatz dazu benötigt der Nahbereichsfunk Bluetooth eine relativ komplizierte Setup-Routine zwischen den Geräten. "Um Bluetooth mit verschiedenen Geräten zu nutzen, muss man viel konfigurieren. Bei NFC ist es ein einfaches 'Touch and Go'", sagt Shabab. Wegen dieser schnellen Verbindung wird NFC bereits als eine Art universeller virtueller Verbinder vermarktet, der zur Konfiguration anderer drahtloser Technologien wie WLAN oder Bluetooth genutzt werden könnte. Geräte könnten sich per NFC miteinander bekanntmachen, bevor auf ein schnelleres Funksystem mit größerer Reichweite umgeschaltet wird.

Ein NFC-Chip kann sich auch wie eine Smartcard verhalten - wenn ein Controller-Chip mit Verschlüsselungstechnik integriert ist. Visa, der dritte wichtige Partner neben Sony und Philips im NFC-Forum, hat bereits hunderte Millionen kontaktlose Smartcards vor allem im asiatischen Raum verkauft. Dort werden sie vor allem zum Bezahlen im Nahverkehr benutzt. Das robustere NFC ist mit der hier eingesetzten RFID-Technologie kompatibel.