Wird das Handy zur universellen Smartcard?

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Schon kontaktlose Smartcards haben Vorteile gegenüber Chipkarten, die man durch ein Lesegerät ziehen muss, um zum Beispiel ein elektronisches Drehkreuz zu entsperren. Müsste man dazu nur noch sein Handy an einen Leser halten, wäre das noch sicherer und bequemer: Smartcards sind oft so dick, dass man ungern mehr als eine davon in die Geldbörse steckt - und man muss sie für jede Benutzung herausfingern und anschließend wieder hineinstecken. Erste Anwendungsfelder für NFC-Smartcards werden dort gesehen, wo schnelle Abfertigung geschätzt wird: bei der Einlasskontrolle, beim Einkaufen oder in der Videothek.

Philips interessiert sich besonders für NFC-Anwendungen im Bereich interaktiver Werbung. Shahab schwebt vor, dass Leute auf einem Flughafen oder in einer U-Bahn-Station künftig mit ihren Handys kurz über Reklameschilder streichen, in dem ein NFC-Chip sitzt. Damit könnten sie Musik, Klingeltöne, Eintrittskarten und Gutscheine herunterladen, entweder direkt per NFC oder über Bluetooth oder WLAN. Alternativ wäre es auch möglich, eine URL auf das Handy zu laden, das diese dann über einen eingebauten Web-Browser automatisch aufruft. Philips arbeitet mit Inhalteanbietern wie Vivendi Universal an solchen Werbeformen.

Ähnliche Ideen gab es bereits in den vergangenen Jahren; sie alle hatten mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ihre Wirkung beschränkten. Die Technik muss einfach, schnell und verlässlich arbeiten und die Reklametafeln müssen in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Außerdem müssen sie so ansprechend gestaltet sein, dass sie eilige Passanten zum Anhalten und Interagieren bringen können. Doch zumindest in diesem Bereich könnte sich die geringe Reichweite von NFC als praktisches und psychologisches Hindernis erweisen - vor allem man sich in einer überfüllten U-Bahn-Station erst an das interaktive Plakat herankämpfen muss ("Entschuldigung, meine Dame, ich möchte mal eben das Schild da mit meinem Handy streicheln"...).

Wenn erst einmal die RFID-Technologie in Logistik und Einzelhandel massenhaften Einsatz gefunden hat (nach manchen Prognosen wird das allerdings noch viele Jahre dauern), dürften auch die Kosten für NFC-Chips deutlich sinken - von aktuell einigen Dollars auf 20 Cent, wenn man den Verschlüsselungschip weglässt. Zu diesem Preis könnte es sich sogar lohnen, die Chips in Zeitschriften zu integrieren.

NFC-Befürworter führen außerdem interessante Anwendungen wie drahtlose Mäuse, Türschlüssel oder Patientenkarten mit medizinischen Daten an. In diesem Bereich konkurriert NFC allerdings mit verschiedenen anderen Drahtlos-Technologien - von Bluetooth und ZigBee im unteren Spektrum bis hin zu WLAN und Ultrawideband im High-End-Bereich. Diese Technologien sind teurer, aber auch schneller und bieten eine größere Reichweite. Die Idee, NFC als universelles Konfigurationswerkzeug für andere Funk-Geräte einzusetzen, ist spannend - die Tatsache, dass sich die zu vernetzenden Geräte dazu immer erst einmal berühren müssen, könnte sich hier allerdings als unpraktisch erweisen. Mit Sony und Philips im Rücken hat NFC außerdem gute Chancen, eingebaut in PCs und Fernseh-Empfänger zur Authentifizierung für interaktives Fernsehen oder bei Online-Käufen eingesetzt zu werden. In diesem Bereich gibt es aber noch mehr Konkurrenz.

Die Anfangserfolge von NFC werden daher wohl davon abhängen, wie schnell Zahlungsabwickler wie der Philips-Partner Visa Anbieter, die bisher auf Smartcards setzen, dazu bringen, auf NFC umzusteigen. Um das Interessse der Kunden zu wecken, könnten die Handy-Hersteller außerdem Handys auf den Markt bringen, die Fotos per NFC auf den Fernseher schicken oder den Austausch von Kontaktdaten ermöglichen. Dabei könnte NFC davon profitieren, dass der Hauptkonkurrent für diese nicht-finanziellen Anwendungsen, Bluetooth, jünst einen schweren Rückschlag erlitten hat: Ende August gab dessen erster Entwickler Ericsson bekannt, die Bluetooth-Abteilung aufzulösen.

Sollten weitere Handy-Hersteller mitmachen, ist es durchaus gut vorstellbar, dass Mobiltelefone mit NFC zur universellen Smartcard werden. Doch dabei haben noch viele weitere Spieler ein Wörtchen mitzureden: etwa MasterCard, Motorola, Microsoft oder Matsushita, um nur die mit dem Anfangsbuchstaben M zu nennen. Sollte NFC sein Versprechen in Sachen Einfachheit und niedriger Kosten einlösen, könnte es tatsächlich dazu führen, dass das Handy noch unverzichtbarer wird.

Von Eric S. Brown; Übersetzung: Ben Schwan. (sma)