Zugewanderte Fachkräfte: Lähmende Bürokratie und Hoffnung auf Zukunft

Hochqualifizierte im Ausland beschäftigen sich zwar mit Perspektiven in Deutschland, am Ende migrieren aber nur wenige der Interessierten, zeigt die OECD.

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Gemütlich aussehender Arbeitsplatz mit einem Buch auf dem "German" steht

(Bild: stoatphoto/ Shutterstock.com)

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Nach einer aktuellen Umfrage der OECD unter 30.000 qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland, kommen tatsächlich nur 5 Prozent von ihnen innerhalb eines Jahres in unser Land. Das liegt der Umfrage zufolge vor allem an der ausgeprägten Bürokratie für Einwanderungswillige, zum Teil aber auch an einer vor Ort wahrgenommenen gedämpften Willkommenskultur und Diskriminierungserfahrungen im Alltag. Die Motivation, nach Deutschland zu kommen, sei aber weiterhin hoch. Besonders auffallend: Viele Ingenieure und IT-Fachkräfte wagen den Schritt nach Deutschland.

Ein Interview mit der nach Deutschland migrierten IT-Fachkraft Sewar Khalifeh aus Jordanien gibt Einblick in die Erfahrungen von Menschen, die mit einem konkreten Jobangebot in unser Land kommen. Ihre Aussagen bestätigen auch einige der Umfrageergebnisse der OECD.

Laut der Befragung der OECD, migrieren eher die Hochqualifizierten in unser Land, die sich schon eine längere Zeit mit Deutschland beschäftigen, hier schon Freunde oder Verwandte haben und in ihrer Heimat Angebote wie etwa die von Goethe-Instituten für den Spracherwerb nutzen konnten. Das führte OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig bei der Vorstellung der neuesten Umfrageergebnisse aus.

Die OECD begleitete für die Umfrage seit August 2022 knapp 30.000 migrationswillige Menschen. Im Laufe der Befragung schieden sukzessiv mehr aus der Befragung aus oder meldeten sich nicht zurück. Während an der Ursprungsbefragung 28.914 Personen teilnahmen, waren es in der zweiten Runde – circa sechs Monate später – noch 10.164 Teilnehmende, die weiterhin nach Deutschland kommen wollten, mittlerweile ansässig waren oder das Interesse an Deutschland verloren hatten. Die Schlussbefragung, die circa ein Jahr nach der Ursprungsbefragung stattfand, machten noch 6.275 Teilnehmende mit (24 Prozent Rücklaufquote).

Menschen, die nicht mehr an der Schlussbefragung teilnahmen, sind öfter weiblich, jünger, geringfügig schlechter ausgebildet, und haben weniger Berufserfahrung. Außerdem hatten rund 3 Prozent der Teilnehmenden, die weiterhin Auskunft gaben, das Interesse an Deutschland verloren. Im Vergleich zu anderen Teilnehmenden sind diese Befragten besser ausgebildet, älter, haben über 10 Jahre Arbeitserfahrung, bessere Englischsprachkenntnisse, und arbeiten in der IT-Branche. Liebig erklärte, dass Menschen, die über gute Englischsprachkenntnisse verfügen, auch andere Einwanderungsländer verstärkt im Blick haben.

Der Bericht fasst zusammen, dass an der Schlussbefragung zu 75 Prozent Männer teilnahmen, zu einem gleichen Anteil besitzen die Befragten einen Hochschulabschluss, ein Drittel davon mit Master oder Doktorat. 60 Prozent verfügen über Basiskenntnisse in Deutsch, davon jeder Dritte mit fortgeschrittenen Kenntnissen. Von ihnen ist ein Großteil im Ingenieurwesen tätig oder arbeitet als IT-Fachkraft. Mehr als 50 Prozent der Befragten, die dann auch nach Deutschland kamen, arbeiten in sogenannten Mangelberufen.

Von den Teilnehmenden der Schlussbefragung war ein Großteil im Ingenieurwesen tätig oder arbeitet als IT-ler.

(Bild: OECD)

Weitere 60 Prozent der Teilnehmenden der Schlussbefragung verfügen über Partner mit Kindern oder Kinder, 37 Prozent von diesen kommen aber zunächst ohne Familie. Die, die mit Partner und Kindern kommen, wollen in der Regel länger bleiben. Die Kinder der Befragten sind dann häufig noch unter 12 Jahre alt.

Bei einer näheren Betrachtung, so Liebig, stellte sich heraus, dass eher die Familien nach Deutschland kamen, in denen auch die Partnerinnen und Partner über einen höheren Bildungsabschluss und zumindest erste Sprachkenntnisse verfügen. Etwa ein Fünftel der Partnerinnen und Parther hat ein höheres Bildungsniveau als die Befragten.

Hilfe wünschen sich die Befragten insbesondere bei der Jobsuche, dem Erwerb von mehr Sprachkenntnissen und bei der Wohnungssuche. Die mittlerweile hier lebenden Befragten zeigten sich besonders zufrieden mit der Lebensqualität in Deutschland, erlebten aber auch mehr Diskriminierung, als die noch im Ausland lebenden Teilnehmenden erwarten. Besonders schlechte Erfahrungen machten die hier Lebenden im Kontakt mit der Ausländerbehörde, bemängelten ihr Einkommen oder ihre finanzielle Situation.

Mit der Lebensqualität in Deutschland sind viele Befragte zufrieden. Der Kontakt mit Ausländerbehörden wird am Schlechtesten bewertet.

(Bild: OECD)

Der Politik rät die OECD aufgrund der Umfrageergebnisse, mehr und spezialisiertes Personal für die Visastellen im Ausland und bei den Ausländerbehörden einzusetzen – sowie die Digitalisierung von mehr Prozessen voranzutreiben. Außerdem müsse die Förderung der deutschen Sprache im Ausland ausgebaut werden. Im Inland sei Diskriminierung und Rassismus zu bekämpfen.

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz könne in Ursprungsländer mehr beworben und die Einreise im Familienbund gestärkt werden, damit auch das Potenzial der Partnerinnen und Partner besser genutzt werden kann. Nur jeder dritte Befragte kannte das neue Gesetz – zum Zeitpunkt der Befragung war es allerdings auch noch nicht in Kraft. Befragte versprechen sich davon in der Mehrzahl Erleichterungen für die Einwanderung.

(kbe)