Kommentar zu Apples Beats-Deal: Zwischen Zweifeln und Synergien
Der Drei-Milliarden-Deal mit einer Kopfhörer-Firma lässt Analysten zweifeln. Doch Apple verspricht sich Synergie-Effekte, die den hohen Preis rechtfertigen sollen.
Eines muss man den beiden Beats-Chefs Jimmy Iovine und Andre Young, aka Dr. Dre, lassen: verkaufen können sie. Nicht nur, dass sie es innerhalb von fünf Jahren geschafft haben, zum "Marktführer im Premium-Kopfhörermarkt" (Apples Pressemitteilung) aufzusteigen. Jetzt konnten Sie ihre Firma, deren Wert vor wenigen Monaten auf etwa eine Milliarde US-Dollar geschätzt wurde, Apple zum dreifachen Preis verkaufen.
Doch die Kopfhörer mit dem "b" spielen bei Apples Begründung, warum sie so viel Geld ausgeben, kaum eine Rolle. Denn wäre es Apple darum gegangen, technisches Know-How zur Produktion besser klingender Kopfhörer einzukaufen, wären wohl Firmen wie Beyerdynamic, AKG oder Sennheiser die besseren (und günstigeren) Kandidaten gewesen. Beats-Kopfhörer schmücken sich zwar gerne mit großen Stars, klanglich gelten sie wegen ihres stark übertriebenen Basses aber nicht gerade als "analytisch" oder gar "audiophil". Beats hat es geschafft, Kopfhörer als Mode-Accessoires zu etablieren, deren Preise mehr vom Design und Image als von der Qualität des Klangs bestimmt werden. Doch Apple hat in puncto Marketing und Image-Bildung eigentlich keinerlei Nachholbedarf, da sind sie auch ohne Dr. Dre und Iovine bereits Weltmeister.
In puncto Qualitätssicherung bei den Audio-Produkten scheint die Beats-Aquise eher kontraproduktiv. Der wirtschaftliche Erfolg der Marke Beats hat nämlich auch bei den alteingesessenen Kopfhörer-Herstellern dazu geführt, auf bunte Kopfhörer mit aufgeblasenen Bässen umzusteigen und Produkte mit neutralen Klangeigenschaften zurückzufahren. Insofern trägt Beats eher zu einem allgemeinen Verfall der Klangqualität bei – etwas, dem Apple mit Programmen wie "Mastered for iTunes" in der Vergangenheit eigentlich entgegenwirken wollte. Man darf hoffen, dass iTunes-Songs künftig nicht als "Mastered for beats" angepriesen werden, denn dann würden sie auf anderen Systemen ohne erhöhten Basspegel äußerst dünn klingen.
Als Begründung führt Tim Cook denn auch als erstes die Verbindungen der beiden Beats-Chefs zur Musik-Branche an, und dass er Synergien zwischen iTunes und dem Streaming-Dienst Beats Music erwarte. Beats soll iTunes neue Impulse geben. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Neuveröffentlichungen auf Apples Musikdienst auf einem neuen Tiefststand gelandet. Bislang konnten iTunes Radio und iTunes Match nicht punkten und verpassten den Anschluss zu Streaming-Diensten wie Spotify. Jimmy Iovine will denn auch von seinem Posten als Chairman von Vivendis Interscope Records zurücktreten, um sich voll um Apples Musik-Geschäft zu kümmern und das Ruder wieder herumzureißen.
Beats hat beim Streaming bereits einen Fuß in der Tür, die Apple nun weiter aufstoßen will. Doch derzeit steckt Beats Music noch in den Kinderschuhen, hatte laut unbestätigter Zahlen im ersten Quartal 2014 gerade einmal 111.000 zahlende Abonnenten. In Deutschland ist der Dienst noch nicht verfügbar. Selbst wenn die kuratierten Abspiel-Listen so viel besser sind als bei der Konkurrenz, mag dies noch keine drei Milliarden US-Dollar rechtfertigen.
Um die berechtigten Zweifel der Anleger zu beschwichtigen, ist es wohl kein Zufall, dass Apples iTunes-Chef Eddy Cue verspricht, die Neuheiten, die Apple bis zum Ende des Jahres präsentieren werde, seien "die beste Produktlinie, die ich seit 25 Jahren bei Apple gesehen habe." Mit solchen Ankündigungen schraubt Cue die Erwartungshaltung und den Erfolgsdruck in neue Höhen. Zumindest sorgt er für hohe Einschaltquoten für den Live-Stream der WWDC-Keynote am kommenden Montag um 19 Uhr. Da wird Apple mehr präsentieren müssen als neue bunte Kopfhörer. (hag)