Edit Policy: Vom Urheberrecht, Upload-Filtern und Lobby-Arbeit

Der Entwurf der Bundesregierung zum Urheberrecht wird nicht ohne Uploadfilter auskommen. Jetzt gilt es legale Nutzung vor Sperrung zu schützen, meint Julia Reda

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(Bild: deepadesigns/Shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Felix Reda
Inhaltsverzeichnis

Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an ihrem Gesetzesentwurf für das Urheberrecht. Am 16. Dezember will sie das Vorhaben im Kabinett beschließen und in den Bundestag einbringen. Trotz aller gegenteiligen Versprechen der Koalitionsparteien werden Uploadfilter ein zentraler Bestandteil der Reform sein. Wichtigster Streitpunkt ist jetzt, wie konsequent legale Nutzungen wie beispielsweise Parodien, Zitate oder Creative Commons-Inhalte vor einer fälschlichen Sperrung geschützt werden sollen.

Kolumne: Edit Policy

(Bild: 

Volker Conradus, CC BY 4.0

)

In der Kolumne Edit Policy kommentiert der ehemalige Europaabgeordnete Felix Reda Entwicklungen in der europäischen und globalen Digitalpolitik. Dabei möchte er aufzeigen, dass europäische und globale netzpolitische Entwicklungen veränderbar sind, und zum politischen Engagement anregen.

Wenn es nach der Unterhaltungsindustrie geht: am besten gar nicht. Das Justizministerium hat zwei Mechanismen vorgeschlagen, mit denen legale Inhalte geschützt werden sollen: Einerseits sollen nichtkommerzielle Nutzungen kurzer Werksausschnitte pauschal legalisiert werden (Bagatellschranke), Plattformen sollen dafür eine pauschale Vergütung zahlen. Andererseits sollen Nutzer:innen unter bestimmten Umständen Uploads als legal kennzeichnen und damit vor einer automatischen Sperrung schützen können (Pre-Flagging).

Gegen beide Vorschläge machen Industrieverbände gerade ordentlich Stimmung, ohne auch nur den Ansatz eines Gegenvorschlags parat zu haben. Interesse an einem fairen Kompromiss zwischen Urheberrecht, Meinungs- und Kunstfreiheit? Fehlanzeige. Das Ziel der Kampagne: Uploadfilter sollen vollautomatisiert alles sperren, was vermeintlich geschützte Inhalte enthält – ohne Rücksicht auf legale Nutzungsformen. Tatsächlich schreibt Artikel 17 den Schutz legaler Nutzungen zwingend vor, deshalb bedient sich die Kampagne anstatt Fakten lieber prominenter Unterstützung.

Seit jeher ist es eine beliebte Strategie von Plattenlabels und Verwertungsgesellschaften, Künstler:innen vorzuschicken, um ihre urheberrechtlichen Forderungen an die Politik zu vermitteln. Schon während der Verhandlungen auf EU-Ebene gingen in Europaparlament und Europäischer Kommission Prominente wie Plácido Domingo oder Jean-Michel Jarre ein und aus, um für Artikel 17 zu werben. Diese Lobbystrategie ist auch durchaus legitim, solange klar ist, wer hinter der Botschaft steht.

Ein Brief, der kürzlich im Namen von über 500 deutschen Musiker:innen und Bands an die Bundestagsabgeordneten versandt wurde, lässt diese Transparenz vermissen: Kein Wort verliert er darüber, wer die Kampagne initiiert hat. Verschickt wurde er von einem Rechtsanwalt, der angibt, er sei nur mit dem Versand des Briefs beauftragt, aber inhaltlich nicht zuständig. Dass es sich bei dem Rechtsanwalt um den Justiziar des Musikproduzent:innen-Verbands VUT handelt, werden die meisten Bundestagsabgeordneten ebenso wenig bemerken wie die Tatsache, dass aus den Metadaten des Briefes klar hervorgeht, dass dieser vom VUT selbst verfasst wurde. Anstatt sich offen als Initiator der Kampagne zu erkennen zu geben, verschickt der VUT lieber kurz später eine Pressemitteilung, in der er begrüßt, "dass die Künstler:innen selbst deutliche Kritik an den Vorschlägen […] üben".

In dem Brief wenden sich die Künstler:innen, darunter prominente Namen wie die Ärzte, AnnenMayKantereit oder Feine Sahne Fischfilet, gegen die Bagatellausnahme und das Pre-Flagging, also gegen die einzigen Schutzvorkehrungen gegen die Sperrung legaler Inhalte, die in dem Gesetzesvorschlag enthalten sind. Sie machen sogar gegen die europarechtlich zwingend erforderliche Ausnahme für Pastiche Stimmung, die kreative Nutzungsformen wie Memes, Remixes oder Sampling erlaubt. Dabei wurden Befürworter:innen von Artikel 17 in der Vergangenheit nicht müde zu betonen, es würde zu keiner Sperrung von Memes kommen, weil diese im Zuge der Umsetzung in deutsches Recht ja durch die Pasticheschranke legalisiert würden.

Der Brief wendet sich auch gegen jegliche Versuche, die pauschale Lizenzierung von Nutzungen über Verwertungsgesellschaften zu erleichtern, damit Rechte effizient geklärt werden können und der Einsatz von Uploadfiltern weniger notwendig wird. Das ist bemerkenswert, denn in den Verhandlungen wurde immer wieder betont, dass der Abschluss solcher Lizenzen das eigentliche Ziel von Artikel 17 sei, dass die meisten Künstler:innen ohnehin keine Sperrung ihrer Inhalte auf den Plattformen wollen, sondern lediglich eine faire Bezahlung. Diesem Anliegen kommt der Gesetzesentwurf aber vorbildlich nach, weil er sogar einen eigenen Direktvergütungsanspruch für Künstler:innen schafft, den sie nicht mit Labels oder Verlagen teilen müssen. Darüber verliert der Brief natürlich kein Wort.

Wie konnte der VUT, die Lobby-Vereinigung der Independent-Labels, also hunderte Künstler:innen überzeugen, statt fairer Bezahlung den Einsatz von Uploadfiltern zu fordern? Ein Anhaltspunkt findet sich in dem Text des Briefes. Dort ist von ungefragten Nutzungen der Werke durch "Neurechte oder Verschwörungstheoretiker:innen" die Rede. Dass sich Kreative darum sorgen, ist absolut nachvollziehbar, denn es ist eine bekannte Strategie der Neuen Rechten, sich gezielt popkulturelle Symbole der linken Szene zu eigen zu machen, um zu provozieren und von dem Image der Bands zu profitieren. Tatsächlich ist diese politische Instrumentalisierung von Kunst aber bereits heute illegal und die geplante Urheberrechtsreform ändert daran nichts. In dem Gesetzesentwurf ist sogar explizit geregelt, dass Künstler:innen eine solche Entstellung ihres Werkes auch weiterhin untersagen können.