X: Was Elon Musk auf dem Weg zur Alles-App übersehen hat

Features allein reichen nicht aus, um aus Twitter ein westliches WeChat zu machen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 245 Kommentare lesen
Altes und neues Logo von Twitter (jetzt X)

(Bild: Shaheerrr/Shutterstock.com)

Lesezeit: 2 Min.

Elon Musk will Twitter – sorry, X – ja bekanntermaßen zu einer Alles-App nach dem Vorbild des chinesischen WeChat umbauen. Also zum digitalen Universalwerkzeug einschließlich Social Media, Bezahlfunktion, News, Gaming, Shopping, Dating, etcetera. Die Umbenennung in X (als offene Variable für alles Mögliche) ist da nur konsequent. Es dürfte jetzt sehr unterhaltsam werden mit anzusehen, wie Musk mit der ihm eigenen Krummlinigkeit Feature für Feature an das abgerockte "Xitter" andengeln (oder auch abbauen) will.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.

Bei der Einschätzung von Musks Plänen mache ich mir immer zwei Sorgen: dass ich ihn über- und dass ich ihn unterschätzen könnte. Als Twitter-Chef kam er mir bisher vor wie ein Kapitän, der in der Bordbar neue Cocktails entwirft, während sein Schiff geradewegs aufs nächste Riff zuläuft. Andererseits hat Musk mit Starlink auch innerhalb kürzester Zeit eine ganze Branche praktisch neu geschaffen. Mehr als die Hälfte aller aktiven Satelliten gehören zu Musks erst ab 2019 aufgebautem Netzwerk. Das muss man erstmal sacken lassen. Vielleicht kann sich der Visionär Musk ja auch künftig hin und wieder gegen das gleichnamige Kleinkind durchsetzen. Dagegenwetten würde ich jedenfalls nicht.

Zurück zu Xitter: Wie mir scheint, hat Musk etwas Entscheidendes übersehen: Viele Features sind zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine Alles-App. Daneben braucht sie auch viele Nutzer beziehungsweise einen dominanten Marktanteil. WeChat erreichte schon vor fünf Jahren die Milliarden-Marke. Bei Twitter aber gehen die Nutzerzahlen seit 2022 auf Tiefe.

Ist Musk weiterhin so erfolgreich dabei, seine Kundinnen und Kunden zu vergraulen, wird es ihm wenig nutzen, den verbliebenen Rest mit ständig neuen Funktionen zuzukübeln. Zumal es für die meisten Features schon etablierte Alternativen gibt und die wenigsten Menschen tatsächlich blöd genug sein dürften, ihr ganzes digitales Leben einem Typen wie Musk anzuvertrauen.

(grh)