Disput um schnelles "Breitband für alle"
In den Streit um eine Verpflichtung von Providern, allen bundesdeutschen Haushalte einen Breitbandanschluss mit anfangs mindestens 16 MBit/s, später 50 MBit/s bereitzustellen, hat sich der Bitkom eingeschaltet. Unionspolitiker verteidigen ihre Forderung.
In die Auseinandersetzung um eine Verpflichtung von Internetprovidern, alle bundesdeutschen Haushalte mit einem leistungsfähigen Breitbandanschluss auszustatten, hat sich jetzt auch der Branchenverband Bitkom eingeschaltet. Die Hightech-Vereinigung lehnt eine gesetzliche Festlegung auf flächendeckende Mindestgeschwindigkeiten bei der Breitbandversorgung vergleichbar zur Universaldienst-Vorschrift bei der Versorgung mit Telefon- oder Postdiensten ab. "Der Breitbandausbau in Deutschland ist ein Erfolgsmodell und funktioniert aus dem Markt heraus", betonte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. "Es besteht keine Notwendigkeit für einen so schweren Eingriff in die marktwirtschaftliche Organisation der deutschen Wirtschaft."
Die Kritik der Lobbyvereinigung bezieht sich vor allem auf ein Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Breitbandausbau, das heise online vorliegt. Im Rahmen der laufenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) will die Union demnach zum 1. Januar 2012 eine Universaldienstauflage einführen, die auf einer Bandbreitenvorgabe von 16 MBit/s beruht. Flankierend zur Breitbandstrategie der Bundesregierung soll diese Vorgabe vier Jahre später auf 50 MBit/s erhöht werden. Die Bundesnetzagentur muss Anbieter von Breitbandinfrastruktur laut dem Papier zur Versorgung von Gebieten verpflichten, "in denen Ausschreibungen keine geeigneten Angebote erbracht haben". Ferner soll die Regulierungsbehörde zwingend "Risikobeteiligungsmodelle" berücksichtigen, vor allem bei der Prüfung der Nichtdiskriminierung von Anbietern und der Festlegung von Nutzungsentgelten. Ferner sei zu prüfen, ob Ausnahmen vom Kartellverbot für Breitbandkooperationen zu gewähren seien.
Weiterer Punkt der CDU/CSU-Fraktion ist das Schaffen von Anreizen für den Ausbau schneller Leitungen in Häusern und Wohnungen zur sogenannten Inhaus-Vernetzung. Damit soll sichergestellt werden, dass Investoren nach der kostspieligen Verlegung von Glasfasernetzen in Gebäuden diese auch nutzen können. Ferner möchte die Union die Rechtslage so anpassen, dass etwa die Betreiber von Energie- und Verkehrsinfrastrukturen ihre Anlagen wie Kabelkanäle und Leerrohre Telekommunikationsanbietern gegen angemessene Mitnutzungsentgelte öffnen müssen.
Investierende Unernehmen sollen auch ein Auskunftsrecht gegenüber der Netzagentur erhalten, um rechtsverbindlich feststellen zu können, mit welchen regulatorischen Verpflichtungen beim Aufbau neuer Netze in einer bestimmten Region zu rechnen ist. Nicht zuletzt drängen die Konservativen darauf, dass die Bundesländer weiteres Spektrum für mobiles Breitbandsurfen zur Verfügung stellen, das durch die Digitalisierung des Rundfunks frei wird und als zweite "digitale Dividende" versteigert werden soll.
Der Verband der Anbieter von Telefon- und Mehrwertdiensten (VATM) und der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) haben das Positionspapier und vor allem die Forderung nach einem Breitband-Universaldienst bereits scharf kritisiert. Der Bitkom betont nun, dass die deutschen Netzbetreiber zwischen 1998 und 2010 über 93 Milliarden Euro in moderne Infrastrukturen investiert hätten. Man unterstütze auch die "ambitionierten Breitband-Ziele der Bundesregierung ausdrücklich". Eine zeitnahe Versorgung aller Endkunden mit Glasfaser-Anschlüssen sei aber derzeit "wirtschaftlich und tatsächlich nicht machbar". Für schnell umzusetzende, tragfähige Lösungen brauche Deutschland einen Mix aus allen verfügbaren Technologien, die auch Anlagen der Kabelnetzbetreiber, DSL, VDSL und Mobilfunk-Technologien wie LTE einschließen müssten. Eine hohe, gesetzlich festgelegte Datenübertragungsrate verstoße zudem gegen das EU-Recht.
Der IT-Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Georg Nüßlein, hält dagegen, dass ein EU-Mitgliedsstaat ein Entschädigungsverfahren mit beteiligten Unternehmen bei der Festlegung von Universaldiensten vorschreiben dürfe. Das werde von dem Positionspapier beachtet, das die Einführung der Verpflichtung ohne den Einsatz öffentlicher Mittel vorsehe. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bestätigte, dass der Breitbandausbau in Form einer Universaldienstanweisung möglich sei und im Einklang mit dem EU- und dem verfassungsrechtlichen Rahmen stehe. Gleich hohe Bandbreiten in ländlichen und städtischen Regionen seien geradezu grundgesetzlich geboten, erklärt der CSU-Politiker. Von den Kritikern des Vorstoßes in Unternehmenskreisen habe ihm keiner alternative Lösungswege zum Schließen der "Stadt-Land-Kluft bei der Breitbandversorgung" aufgezeigt. (jk)