Kompletter Entwurf fĂĽr Anti-Piraterie-Abkommen ACTA im Netz

Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net hat eine konsolidierte Fassung der geplanten internationalen Vereinbarung zur besseren Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern veröffentlicht, die viele Befürchtungen bestätigt.

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Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net hat einen vergleichsweise aktuellen Entwurf des geplanten Anti-Piraterie-Abkommen ACTA im Internet veröffentlicht und damit den Druck auf die Verhandlungspartner erhöht, ihre Geheimniskrämerei aufzugeben und ihrerseits den jüngsten Stand des Texts offiziell herauszugeben. Der "konsolidierte Text" aus EU-Kreisen vom 18. Januar bestätigt zum einen mit seinen 54 Seiten viele Kernpunkte der bereits erfolgten Teilenthüllungen über das Vorhaben. Zum anderen zeigt er, dass die beteiligten Industrienationen und Schwellenländer offenbar auch nach monatelangen Auseinandersetzungen noch über viele Punkte und Detailformulierungen streiten.

Mit dem Papier werden zunächst die grundsätzlichen Themenbereiche deutlich. So wird im ersten Teil der generelle Rahmen für die angestrebte Vereinbarung zur besseren Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern abgesteckt. Es soll demnach um die gesamte Bandbreite von Schutzrechten gehen, die vom Copyright und verwandten Rechten, über Markenzeichen und Patente bis hin zu Herkunftsangaben, Designmustern oder der speziellen Formgestaltung von Halbleitern reicht. Die zivilgesellschaftliche Vereinigung Knowledge Ecology International moniert daher bereits den gewählten Titel "Anti Counterfeiting Trade Agreement", da dieser zunächst nur ein Vorgehen gegen Marken- und Produktpiraterie nahelege. Dies solle es Politikern offenbar einfacher machen, die Initiative zu verteidigen. ACTA habe aber angesichts seiner Ausrichtung viel breitere Auswirkungen etwa auf den Zugang zu Wissen, Innovation, Verbraucherrechte oder Datenschutz.

Einzelne Kapitel beziehen sich unter anderem auf "Grenzmaßnahmen". Hier gibt es allein vier Versionen für die sogenannte "iPod-Klausel", die Möglichkeiten der Beschlagnahme und Durchsuchung des Gepäcks von Reisenden regeln soll. Wie der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist herausgearbeitet hat, setzt sich die EU hier für eine vergleichsweise liberale Bestimmung ein. Demnach sollen die Zöllner von weiteren Maßnahmen absehen, wenn ein Koffer oder eine Tasche Güter "nicht-gewerblicher Natur" im Rahmen der Schranken für den zollfreien Einkauf enthält und es keine Anzeichen dafür gibt, dass diese direkt in den Handel eingespeist werden. Japan drängt dagegen darauf, nur die Mitnahme "kleiner Mengen" entsprechender Güter zu erlauben. Die USA, Neuseeland und Kanada bevorzugen die nicht weniger präzise Formulierung "für den persönlichen Gebrauch" bestimmter Waren.

Andere Abschnitte beziehen sich auf ein Kontrollgremium für die Durchführung der Regeln sowie konkrete Strafvorschriften und zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern. Dabei taucht der bereits bekannt gewordene Ansatz aus dem sogenannten Internetkapitel auf, ein "Three Strikes"-Szenario durch die Hintertür einzuführen. Zugangsanbieter sollen demnach im Kampf gegen illegale Filesharing-Aktivitäten und andere Rechtsverletzungen gewisse Maßnahmen ergreifen, damit sie Haftungsprivilegien genießen. Als Beispiel werden ausdrücklich Modelle der "abgestuften Erwiderung" bis hin zu Netzsperren aufgeführt.

Generell sollen strafrechtliche Sanktionen bei allen Verstößen gegen Urheberrechte "im gewerblichen Ausmaß" greifen. Zur Erläuterung heißt es, dass es sich um "bedeutsame, absichtliche" Verletzungen mit oder ohne direkte oder indirekte Gewinnabsicht handeln müsse. Inwiefern illegale Filesharing-Aktivitäten oder Uploads nutzergenerierter Inhalte auf Web-2.0-Plattformen darunter fallen könnten, dürften dann die Gerichte zu klären haben.

La Quadrature du Net hat die EU-Abgeordneten inzwischen aufgefordert, nach ihrer Entschließung zur Einschränkung von ACTA und zur Offenlegung des gegenwärtigen Entwurfs bis zum 12. April durch die Unterzeichnung einer gezielten Erklärung noch deutlichere "rote Linien" für die weiteren Verhandlungen aufzuzeigen. So müsse etwa das Recht auf faire Gerichtsverhandlungen vor Einschnitten in die Internetnutzung bewahrt und eine allgemeine Überwachung des Netzverkehrs verhindert werden. Zahlreiche Vertreter der US-Unterhaltungsindustrie und von Urheberrechtsvertretungen haben US-Präsident Barack Obama dagegen für seine Unterstützung für das avisierte Abkommen Beifall gespendet, was das Büro des US-Handelsbeauftragten in einem Blogeintrag neben der voraussichtlichen Agenda für die nächste Verhandlungsrunde in Neuseeland dokumentiert hat. (jk)