Reporter ohne Grenzen: Auch Demokratien gefährden jetzt die Pressefreiheit

In den meisten Staaten der Welt hat sich die Situation der Pressefreiheit im vergangenen Jahr verschlechtert, konstatiert Reporter ohne Grenzen. Eine unrühmliche Rolle nehmen dabei traditionelle Demokratien ein, allen voran die USA.

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Reporter ohne Grenzen: Auch Demokratien gefährden jetzt die Pressefreiheit
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Die Pressefreiheit wird immer stärker nicht nur in Kriegs- und Krisenländern bedroht, sondern verstärkt auch in demokratischen Staaten mit teilweise langen Traditionen einer freien Presse. Das kritisiert Reporter ohne Grenzen angesichts der Veröffentlichung ihrer jüngsten Rangliste der Pressefreiheit. Demnach hat sich der Stand der Pressefreiheit in zwei Dritteln der 180 untersuchten Staaten verschlechtert. Während Reporter in Staaten wie Syrien, Libyen und dem Jemen tödlichen Gefahren ausgesetzt seien und sich in der Türkei einer beispiellosen Repressionswelle ausgesetzt sähen, trügen Politiker in den USA, Polen und Großbritannien ihre Geringschätzung für Journalisten offen zur Schau.

In seiner Rangliste der Pressefreiheit stellt die Organisation jedes Jahr bildhaft dar, wie es in der Welt um den Journalismus bestellt ist. Grundlage sind der Organisation zufolge Fragebögen und eigene Statistiken zu Übergriffen, Gewalttaten und Haftstrafen gegen Journalisten. Das werde in Punktwerte umgerechnet, die dann eine Rangfolge ergeben. Je stärker die Pressefreiheit in einem Land geschützt und geachtet wird, desto niedriger die Punktzahl, aber desto höher die Platzierung. Spitzenreiter war jahrelang Finnland, aber eine mutmaßliche Einflussnahme des Ministerpräsidenten auf Berichterstattung zu einer eigenen Verwicklung in die Affäre der Panama Papers ließ das Land auf Platz 3 fallen. Davor landeten nun Norwegen und Schweden. Den größten Sprung nach vorn machte Italien (um 25 Plätze auf 52), wo aber immer noch viel Journalisten von der organisierten Kriminalität bedroht seien. Am Ende überholte Eritrea Nordkorea und landete auf dem vorletzten Platz.

Karte der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen) (6 Bilder)

Die Lichtblicke muss man auch 2020 mit der Lupe suchen
(Bild: Reporter ohne Grenzen)

Die Bundesrepublik Deutschland landete demnach auch 2017 unverändert auf Platz 16. Besorgt äußert sich die Organisation vor allem über die "erschreckend vielen tätlichen Angriffe, Drohungen und Einschüchterungsversuche" und bezieht sich erneut vor allem auf Angriffe, denen Journalisten auf Demonstration etwa von Pegida ausgesetzt waren. Außerdem gerieten Reporter aber auch immer wieder ins Visier von Strafverfolgern und Geheimdiensten. Bezüglich der Gesetzgebung kritisiert Reporter ohne Grenzen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, das Gesetz gegen "Datenhehlerei" mit seinen Auswirkungen auf die Legalität von Whistleblowing und die BND-Reform. Die Schweiz und Österreich landeten unverändert auf den Plätzen 7 und 11.

Deutlich schärfer ist die Kritik an den USA (Platz 43), wo die "juristische Verfolgung von Investigativjournalisten und Whistleblowern besorgniserregende Ausmaße angenommen" habe. Der neue US-Präsident verunglimpfe systematisch kritische Medien. In Frankreich (Platz 39) wiederum seien Polizisten während einer Reihe von Protesten mit Gewalt gegen Journalisten vorgegangen und in Großbritannien (Platz 40) sei "feindselige Rhetorik insbesondere gegen die BBC integraler Teil der Brexit-Kampagne" gewesen. Polen (Platz 54) kommt noch schlechter davon, weil dort seit dem Machtwechsel mehr als 220 Journalisten entlassen worden seien. In der Türkei (Platz 155) habe die Repression gegen unabhängige Journalisten und Medien ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. (mho)