Funkloch-Programm von 1&1 kommt endlich in Fahrt​

Zusätzlich zum eigenen 5G-Netz muss 1&1 Sendemasten bauen, um Mitbewerbern beim Schließen von Funklöchern zu helfen. Dieses Projekt ist heillos in Verzug.​

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Antennen auf einem Masten

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

2018 hat 1&1 zugesagt, bei der Verbesserung der löchrigen Mobilfunkversorgung in Deutschland zu helfen. 400 neue Sendestandorte bis Ende 2021, errichtet von 1&1 für Deutsche Telekom, Telefónica oder Vodafone, stellte der damals zuständige Minister Andreas Scheuer (CSU) in Aussicht. Tatsächlich vereinbarte er mit 1&1 allerdings eine Investitionssumme, keine Zahl an Standorten. Doch auch das Geld fließt zäh. Gerade einmal 48 Standorte hat 1&1 bislang gebaut.

Das hat das Handelsblatt in Erfahrung gebracht. Immerhin dürfte 48 ein deutlicher Fortschritt sein. Im Mai 2023 waren es nämlich erst sieben Sendestandorte – fast eineinhalb Jahre nach der ursprünglichen Frist. 32 waren damals in Bau, bei 138 weiteren kämpfte 1&1 noch um die Baugenehmigungen. Inzwischen hat 1&1 also 41 weitere Sendemasten errichten können. 50 weitere sind "in Umsetzung", und bei 32 weiteren steht weiterhin die Baugenehmigung aus.

Beim Rest dürfte 1&1 den Hut draufgehaut haben – das Unternehmen ist ja auch nicht verpflichtet, viele Standorte zu bauen, sondern einen gewissen Geldbetrag auszugeben. Und Standorte auszukundschaften, Pachtverträge auszuhandeln und dann mit Fachanwälten um Baugenehmigungen zu kämpfen, während lokale Bürgerinitiativen für ihr Funkloch kämpfen, kostet eben.

Indirekt zahlt das der Steuerzahler. Denn 1&1 hat das Ausbauprogramm zum Nutzen der Mitbewerber nicht aus reiner Herzensgüte auf sich genommen, sondern um Zinsen zu sparen. 600 Millionen Euro muss 1&1 für 5G-Frequenznutzungsrechte an die Bundesrepublik Deutschland zahlen. Und da versuchte CSU-Mann Scheuer einen schlauen Deal einzufädeln: Die 600 Millionen Euro dürfen in Raten bis 2030 kommen, zu null Prozent Zinsen. Im Gegenzug muss 1&1 beim Ausradieren der "weißen Flecken" helfen - und zwar nicht (nur) für sich selbst, sondern im Auftrag der bereits etablierten Mobilfunk-Netzbetreiber. 1&1 selbst muss an diesen Standorten überhaupt keine Antennen aufhängen, sondern nur die passive Infrastruktur bereitstellen.

Wie hoch die Investitionssumme ist, zu der sich 1&1 verpflichtet hat, ist Geheimsache. Die von Scheuer ventilierte Zahl von 400 Standorten hat sich als überaus optimistisch erwiesen. 1&1 ist 2018 davon ausgegangen, vorwiegend Dächer bestehender Gebäude nutzen zu können, was dann 400 Standorte ermöglicht hätte. "Letztendlich wurde allerdings aufgrund der Standortwünsche von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica weit überwiegend der Bau von Funktürmen nötig", erklärte 1&1 letztes Jahr dem Handelsblatt.

Das ist natürlich viel teurer, weshalb die vereinbarte Summe wesentlich wenig Standorte zulässt. War im Mai noch von "circa 180" die Rede, ist das inzwischen auf 130 geschmolzen. Nicht zuletzt, weil die Baukosten in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind.

Folgen hat die Verzögerung für 1&1 bislang keine. Zwar ist auch die verlängerte Frist verstrichen, doch ist 1&1 an der Verspätung nicht schuld – oder höchstens zum Teil. Zum einen habe die Planung erst im März 2021 in Angriff genommen werden können, sagt 1&1, weil die Mitbewerber ihre Wünsche nach Standorten erst dann finalisiert hatten. Und zum anderen ist Deutschland berühmt für seine langen Behördenverfahren für Baugenehmigungen, speziell für Kritische Infrastruktur wie Mobilfunksendemasten.

Das Ministerium untersucht, welcher Anteil der Verzögerung 1&1 gegebenenfalls zuzurechnen ist. Davon unabhängig läuft schon seit April bei der Bundesnetzagentur ein Bußgeldverfahren, weil 1&1 beim Bau des eigenen 5G-Netzes (mit Antennen!) ebenfalls weit hinter den Vorgaben zurückliegt.

(ds)