1&1 Mobilfunknetz: Regulierer leitet Bußgeldverfahren wegen Ausbaurückstand ein​

Die Bundesnetzagentur leitet ein Bußgeldverfahren gegen 1&1 ein. Wie teuer das wird, hängt davon ab, wie gut 1&1 die Ausbauverzögerung erklären kann.​

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(Bild: Shutterstock/Juan Aunion)

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Die Bundesnetzagentur hat ein Bußgeldverfahren gegen den Netzbetreiber 1&1 eingeleitet, weil sich der Aufbau seines 5G-Netzes verzögert. 1&1 hatte 2019 bei der Frequenzauktion 5G-Spektrum ersteigert, das mit der Auflage verbunden ist, bis Ende 2022 mindestens 1000 Standorte in Betrieb zu nehmen. Das Ausbauziel hatte 1&1 deutlich verfehlt, zum Jahreswechsel waren erst drei Mobilfunkstationen in Betrieb.

Über das Bußgeldverfahren hat die Bundesnetzagentur ihren politischen Beirat in einem Schreiben informiert, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. In dem Verfahren wird 1&1 nun Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Wie hoch das Bußgeld ausfällt, wird auch davon abhängen, wie überzeugend 1&1 die Verzögerungen erklären kann. Früheren Angaben der Bundesnetzagentur könnten es bis zu 50.000 Euro je Standort sein – das wären knapp 50 Millionen Euro. Es ist aber davon auszugehen, dass der Betrag niedriger ist.

"Ein mögliches Bußgeld wegen der Verfehlung der 2022er-Ausbauziele wurde schon vor einiger Zeit angekündigt, die Eröffnung des Verfahrens kommt also nicht überraschend", erklärte ein 1&1-Sprecher gegenüber heise online. "1&1 wird im Rahmen der Anhörung gegenüber der Behörde Stellung beziehen."

Es ist das erste Mal, dass die Regulierungsbehörde wegen solcher Verzögerungen ein Bußgeldverfahren einleitet. Alle Netzbetreiber hatten in der Vergangenheit die mit LTE-Frequenzzuteilungen verbundenen Auflagen zur Netzabdeckung mehr oder weniger knapp verfehlt. Dies hatte die Bundesnetzagentur gerügt und auf Nachbesserung bestanden. Auch Telefónica, das die Ausbauziele vergleichsweise deutlich verpasst hatte, wurde nicht zur Kasse gebeten. Die Auflagen aus der jüngsten Frequenzauktion haben alle Netzbetreiber außer 1&1 aber weitgehend erfüllt.

1&1 hat hochfliegende Pläne. Mit den ersteigerten Frequenzen und einem Roaming-Abkommen mit Telefónica Deutschland im Rücken will sich die United-Internet-Tochter als vierter Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland etablieren. Dabei setzt das Unternehmen vollständig auf Open RAN. Damit will 1&1 unabhängiger von klassischen Netzausrüstern wie Huawei, Ericsson oder Nokia sein. Das Netz baut 1&1 zusammen mit Rakuten, die einschlägige Erfahrung aus Japan mitbringen.

Der Netzaufbau gestaltet sich allerdings schwieriger als gedacht. Der Chipmangel und Lieferschwierigkeiten auch bei Standardhardware sorgten für Verzögerungen. Auch die Erschließung von Standorten ging langsamer als erwartet. 1&1 setzt dabei unter anderem auf Vantage Towers, das bis vor Kurzem noch eine Tochter des Konkurrenten Vodafone war. 1&1 hatte Vantage Towers deshalb gezielte Behinderung vorgeworfen. Nach dem Einstieg einer Investorengruppe bei Vantage Towers haben sich die Wogen inzwischen ein wenig geglättet.

Große Fortschritte kann 1&1 noch nicht vermelden. Derzeit sind nach Unternehmensangaben 14 Mobilfunkstandorte im Betrieb. Zahlreiche weitere sind offenbar bereits erschlossen und gebaut, die Inbetriebnahme dauert aber noch ein bisschen. Bisher hat 1&1 auf seinem Netz nur einen Festnetzersatz über Mobilfunk (Fixed Wireless Access, FWA) im Angebot. Im Herbst sollen auch mobile Dienste für Smartphones und andere Geräte folgen.

Branchenkenner Torsten Gerpott hat den Schritt der Bundesnetzagentur erwartet. "Der Ausbaustand des 1&1-Netzes liegt so weit hinter den Auflagen zurück, dass der Aufsichtsbehörde gar nichts anderes übrig blieb", sagte Gerpott der dpa. Den Einwand, die Partner seien für die Verzögerungen verantwortlich, lässt der Professor der Universität Duisburg-Essen nicht gelten. "1&1 hat selbst Fehler gemacht, etwa in der Wahl des Technikpartners." Es sei nun "eine spannende Frage, ob 1&1 überhaupt noch die Kurve kriegt".

(vbr)