3GSM: Telekommunikationsbranche am Scheideweg

Die Branche boomt in sich entwickelnden Ländern, in Europa herrscht dagegen der große Spardruck.

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Von
  • Martin Murphy
  • dpa

Vodafone-Deutschlandchef Fritz Joussen bekommt glänzende Augen, wenn er über die Entwicklung der Mobilfunkbranche redet: Massive Zuwachsraten gebündelt mit neuen Anwendungen wie Handys mit Bezahlfunktion versprechen den Telekommunikationskonzernen eine rosige Zukunft. Allerdings hat Joussen dabei Länder wie den Kongo oder Indien im Blick – weniger den europäischen Markt. In Deutschland und anderen Ländern mit einer hohen Marktsättigung müssen die Unternehmen auf die Kostenbremse treten, um ihre Margen zu sichern. Schrittmacher in Deutschland ist die Düsseldorfer E-Plus, die mit der Ausgliederung ihres Netzes die Kosten deutlich senken will.

"Dem Beispiel von E-Plus werden andere Anbieter folgen", sagt ein Branchenkenner. So befasse sich auch die Deutsche Telekom mit der Idee, ihr Mobilfunknetz von einem Telekommunikationsausrüster betreuen zu lassen. Die Bonner haben bereits eine Netzkooperation mit O2 Deutschland, dem nach Kundenzahlen viertgrößten Mobilfunkanbieter. O2-Deutschlandchef Rudolf Gröger bestätigt entsprechende Überlegungen: "Wir werden uns das anschauen müssen." Die erfolgsverwöhnten Telekommunikationskonzerne sind durch den Preisrutsch unter Druck geraten. Alleine im vergangenen Jahr fielen die Mobilfunktarife um fast elf Prozent. Experten rechnen damit, dass der Trend in diesem Jahr anhalten wird.

Neben Einschnitten auf der Kostenseite wollen die Telekommunikationskonzerne mit neuen Diensten dem Preisverfall entgegentreten. Im Fokus stehen dabei vor allem breitbandige Anwendungen wie das Herunterladen von Musik. Vom Trend zu Breitbanddiensten wollen auch die Festnetzbetreiber profitieren. So verspricht sich Telekom-Chef René Obermann vom DSL-Geschäft eine Stabilisierung der Erlöse in der Festnetzsparte T-Com. Den gleichen Weg schlagen auch France Telecom und Telefonica ein.

Um dem Preisdruck in Europa zu entgehen, baut die britische Vodafone ihr Geschäft in den schnell wachsenden Märkten Asiens und Afrikas aus. Als ein großer Erfolg gilt die mehrheitliche Übernahme der indischen Hutchison Essar. Wie das abgelaufene Quartal zeigt, geht die Strategie von Vodafone auf: Während die europäischen Töchter gerade einmal ein Umsatzplus von knapp einem Prozent schafften, wuchsen die Erlöse in Schwellenländer im zweitstelligen Prozentbereich.

Indien hat sich neben China zum Boommarkt für die Telekomkonzerne entwickelt. Monat für Monat unterschreiben 6,5 Millionen Inder einen Handy-Vertrag. Da die Festnetzstruktur auf dem Subkontinent nur in den Ballungsgebieten ausgebaut ist, werden nach Einschätzung von Experten viele Menschen nur über das Mobilfunknetz in das Internet gehen. Von dem Trend will beispielsweise auch Sony Ericsson profitieren. Mit einem höheren Absatz in Indien will das Gemeinschaftsunternehmen an dem Rivalen Samsung vorbei auf Rang drei der Handy-Produzenten vorrücken. Sony Ericsson folgt damit dem Beispiel von Nokia, das seine Marktführerschaft mit massiven Verkäufen in den Schwellenländern ausbaut.

Die indischen Unternehmen gewinnen angesichts der hohen Wachstumsraten an Selbstvertrauen. Der Mischkonzern Hinduja bekundete Interesse an einem Einstieg bei der Telecom Italia, um die sich ein Bieterwettstreit anbahnt. Mehrheitsaktionär Pirelli bestätigte, dass Gespräche mit mehreren Telekomfirmen – darunter Telefonica – über eine Beteiligung an der Holding Olimpia geführt werden, in der die Anteile an Telecom Italia gebündelt sind. Der Expansion ins Ausland wird sich auch die Deutsche Telekom nicht verschließen können. Experten erwarten daher, dass Vorstandschef Obermann das künftige Wachstum auch mit Akquisitionen schaffen will. (Martin Murphy, dpa-AFX) / (jk)