AOL bietet Breitband-Nutzern Software und E-Mail-Adressen kostenlos an

Die jüngsten Quartalszahlen der Konzernmutter Time Warner bekräftigen die AOL-Chefetage, künftig auf Werbung zu setzen und bisher kostenpflichtige Angebote frei zugänglich zu machen.

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Der US-amerikanische Internet-Provider AOL hat wie erwartet – und bei der europäischen Tochter mit unterschiedlichen Maßnahmen bis hin zum Verkauf des Breitband-Zugangsgeschäfts bereits begonnen – das Ruder umgelegt. Breitband-Nutzer sollen künftig die AOL-Software, E-Mail-Adressen und andere AOL-Angebote wie Kinderschutzsoftware kostenlos nutzen können. In den kommenden Wochen will das Unternehmen weitere kostenlose Produkte frei verfügbar machen, zum Beispiel personalisierte E-Mail-Domains, Sicherheitssoftware und Webspace. Ehemalige AOL-Kunden, die dem Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren den Rücken zukehrten, können voraussichtlich ab September ihre alte E-Mail-Adresse reaktivieren.

Von den momentan 17,7 Millionen US-amerikanischen AOL-Nutzern gehen schätzungsweise fünf Millionen über einen fremden Breitband-Anbieter ins Internet. CEO Jonathan Miller erhofft sich laut laut Mitteilung, die Geschäftsbeziehungen zu diesen Kunden und jenen, die von Schmal- zu Breitband wechseln wollen, zu verfestigen. Dies sei wichtig für den künftigen Erfolg der Firma, die ihr Heil nun im Anzeigengeschäft sucht. Time-Warner-Präsident Jeff Bewkes sieht die neuen Angebote als einen logischen Schritt angesichts der Zunahme der Breitbandnutzung und des Online-Werbevolumens. "Mit dem expandieren Anzeigengeschäft erwarten wir, AOL auf den Wachstumspfad zurückzuführen."

Der jüngste Quartalsbericht (PDF-Datei) von Time Warner dürfte den entscheidenden Impuls für den Kurswechsel bei AOL geliefert haben. Die Internet-Tochter hat im vergangenen Vierteljahr 2,046 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet und damit 51 Millionen weniger als im Vergleichsquartal des Vorjahres. Gegenüber dem Vorquartal gingen 976.000 US-Kunden – AOL nennt sie "Mitglieder" – verloren. In Europa blieben nach einem Schwund von 218.000 rund 5,6 Millionen "Mitglieder" übrig. Die Abo-Einnahmen schrumpften um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 188 Millionen US-Dollar, während die Anzeigeneinnahmen um 40 Prozent auf 129 Millionen US-Dollar wuchsen. Der operative Gewinn der Internet-Sparte ging um 5 Prozent auf 328 Millionen US-Dollar zurück.

AOL ist nicht die einzige Time-Warner-Sparte, die im Vorjahresvergleich einen Umsatzrückgang hinnehmen musste. Im Filmgeschäft ging der Umsatz von 2,636 Milliarden auf 2,363 Milliarden US-Dollar zurück. Time Warner verweist hier auf den außergewöhnlichen Erfolg von Vorjahresangeboten wie die DVD-Ausgabe von Ocean's 12 und die erfolgreiche TV-Vermarktung diverser Harry-Potter-Produktionen hin, wodurch das Ergebnis des zweiten Quartals 2005 schwer zu überbieten gewesen sei. Immerhin hat der am 28. Juni in die USA zurückgekehrte Superman bis zum 31. Juli 320 Millionen US-Dollar in die Kinokassen geschaufelt.

Dieser Rückgang und auch der Umsatzrückgang in der Sparte Publishing wurden durch die Steigerung im Kabelgeschäft von 2,357 Milliarden auf 2,721 Milliarden US-Dollar und in der Fernsehsparte um 215 Millionen auf 2,7 Milliarden US-Dollar mehr als ausgeglichen. Insgesamt stieg der Umsatz bei Time Warner von 10,585 Milliarden auf 10,708 Milliarden US-Dollar. Unterm Strich blieb ein Nettogewinn von 1,01 Milliarden US-Dollar. Vor einem Jahr schrieb Time Warner 409 Millionen US-Dollar in roten Zahlen.

Time Warner und der führende amerikanische Kabelfernsehsystem-Betreiber Comcast haben jetzt die Vermögenswerte der insolventen, fünftgrößten US-Kabelfernseh-Gesellschaft Adelphia Communications Corporation für 17 Milliarden Dollar übernommen. Time Warner Cable, die Kabel-TV-Tochter, erhöht damit die Zahl ihrer Kunden um 3,3 Millionen auf 14,4 Millionen. Comcast, der führende US-Betreiber von Kabelfernsehsystemen, erhält 1,7 Millionen neue Kunden und hat damit 23,3 Millionen Nutzer.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Time Warner in US-Dollar

Quartal Umsatz Netto-Gewinn/
-Verlust
4/00 10,23 Mrd. -1,09 Mrd.
1/01 9,1 Mrd. -1,4 Mrd.
2/01 9,2 Mrd. -0,734 Mrd.
3/01 9,3 Mrd. -0,996 Mrd.
4/01 10,6 Mrd. -4,9 Mrd.
1/02 9,76 Mrd. -54,2 Mrd.
2/02 10,2 Mrd. 0,394 Mrd.
3/02 10,0 Mrd. 0,057 Mrd.
4/02 10,25 Mrd. -44,6 Mrd.
1/03 10 Mrd. 0,396 Mrd.
2/03 10,8 Mrd. 1,1 Mrd.
3/03 10,3 Mrd. 0,541 Mrd.
4/03 10,9 Mrd. 0,638 Mrd.
1/04 10,1 Mrd. 0,961 Mrd.
2/04 10,9 Mrd. 0,777 Mrd.
3/04 10 Mrd. 0,499 Mrd.
4/04 11,1 Mrd. 1,127 Mrd.
1/05 10,48 Mrd. 0,963 Mrd.
(0,915 Mrd.*)
2/05 10,7 Mrd. -0,409 Mrd.**
3/05 10,5 Mrd. 0,897 Mrd.
4/05 11,9 Mrd. 1,366 Mrd.
1/06 10,455 Mrd. 1,455 Mrd.
2/06 10,708 Mrd. 1,007 Mrd.
* Von Time Warner neu herausgegebene Bilanzsummen aufgrund der seit 1. Janur 2006 gültigen Bilanzierungsregeln für Mitarbeiter-Aktienprogramme nach FAS123R
** Time Warner legte im 2. Quartal 2005 3 Mrd. US-Dollar für Rechtsstreitigkeiten zurück.