Anklage sieht Mannesmann als Selbstbedienungsladen

Besonders von der Darstellung des ehemaligen Mannesmann-Chefs Esser, wonach mit den Prämien seine Leistungen honoriert werden sollten, glauben die Ermittler kein Wort.

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Von
  • Frank Christiansen
  • dpa

Die Tage des traditionsreichen Mannesmann-Konzerns waren gezählt, als das Unternehmen nach Überzeugung der Staatsanwälte zum Selbstbedienungsladen seiner Bosse verkam. Nach zweijährigen Ermittlungen haben die Düsseldorfer Staatsanwälte Lothar Puls und Johannes Schroeter einen 460 Seiten starken Wirtschaftskrimi geschrieben -- mit dem brisanten Titel "Anklageschrift". Nun können mehrere der prominentesten Wirtschaftsführer des Landes das Werk studieren, schließlich sind sie darin die Hauptfiguren.

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestätigte die bereits seit Monaten bekannten Namen: Es sind der Chef des größten deutschen Geldhauses, der Vorstandssprecher der Deutschen Bank Josef Ackermann, mit dem Vorsitzenden der IG Metall Klaus Zwickel einer der mächtigsten Gewerkschafter der Welt, der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser sowie sein Vorgänger, der spätere Aufsichtsrats-Chef Joachim Funk. Allen wird schwere Untreue in mehreren Fällen vorgeworfen -- diese Straftat wird mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet.

Gemeinsam mit dem Betriebsrat Jürgen Ladberg und Personalchef Dietmar Droste sollen sie zwischen umgerechnet 39 bis 57 Millionen Euro aus der Konzernkasse in illegale Prämien und Pensionen verwandelt haben. Mit 61 Zeugen, 252 Urkunden, 31 Aktenordner Gerichtsakten und zahlreichen Umzugskartons voll weiterer Unterlagen wollen die Staatsanwälte dies vor Gericht belegen.

Schon die Ermittlungen hatten in Teilen der Wirtschaft Empörung ausgelöst. Hatten doch viele Mannesmann-Aktionäre durch den Übernahme-Poker und den drastisch steigenden Aktienkurs hohe Gewinne einfahren können -- warum sollten die scheidenden Manager nicht einen kleinen Bruchteil dieser Summen abbekommen?

Dem Vorwurf, das Verfahren sei Ausdruck von Missgunst und Neid vergleichsweise schlecht bezahlter Ermittler, trat der Chef der Ermittlungsbehörde, Hans-Reinhard Henke, nun vehement entgegen: "Die Annahme, wir hätten uns ein Verfahren dieser Dimension aus Lust und Laune auf den Schreibtisch geladen, ist abwegig." Stattdessen sind die Ankläger überzeugt, dass die geheimen Finanz-Transaktionen in den letzten Tagen des Konzerns "allein der Bereicherung der Begünstigten" dienten und "bewusste Schädigungen des Gesellschaftsvermögens" seien.

Besonders von Essers Darstellung, wonach mit den Prämien seine Leistungen honoriert werden sollten, glauben die Ermittler kein Wort. Esser, der insgesamt mehr als 60 Millionen DM erhalten hatte, und Funk hätten sich vielmehr ihre Zustimmung zu einer "freundlichen" Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone mit erheblichen Summen vergolden lassen. Das könne man durchaus auch "Käuflichkeit" nennen, bemerkte Henke. Dafür hätten die Beteiligten bewusst das Aktienrecht missachtet und ihre Kompetenzen überschritten. Zwickel und Ackermann hätten die Beschlüsse mit durchgesetzt, obwohl sie ebenfalls von deren Rechtswidrigkeit gewusst hätten.

Alle Betroffenen bestreiten das vehement. "Geständnisse gibt es nicht", bedauert Henke. Das Düsseldorfer Landgericht hat den Verteidigern eine zweimonatige Frist für Stellungnahmen eingeräumt und will danach entscheiden, ob die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird. Dann wäre der Weg frei für einen der spektakulärsten Wirtschafts-Strafprozesse der Bundesrepublik. (Frank Christiansen, dpa) / (anw)