Anschub fürs vor sich hindümpelnde IPv6 erhofft

Unter anderem von neuen Medientechniken und von Microsoft werden IPv6-Fortschritte erwartet. Windows Vista bringt IPv6 als Standard, sagte der Cheftechniker von Microsoft Western Europe auf einer EU-Konferenz zur neuen Generation des Internet-Protokolls.

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Von
  • Monika Ermert

Alle Komponenten in Microsoft Vista werden IPv6, die nächste Generation des Internetprotokolls, unterstützen. Das betonte Jonas Persson, CTO von Microsoft Western Europe, bei der von der EU-Kommission, der Telekom Austria, dem IPv6 Forum und der europäischen IPv6-Taskforce gemeinsam veranstalteten IPv6- Expertenkonferenz in Wien, die unter dem Motto "Convergence: New Opportunities for Accelerating the IPv6 Momentum" stand. "Alle Komponenten sind IPv6-fähig, einige sind IPv6-only", sagte Persson. Die IPv6-Unterstützung werde als Standardeinstellung ausgeliefert. Sogar an der Integration für mobiles IPv6 werde intensiv gearbeitet, versicherte Persson auf Nachfragen.

Außer eingebauten Sicherheitsfeatures bietet IPv6 vor allem dank seiner 128-Bit-Adressen wesentlich mehr Spielraum. Freie Adressen des derzeitigen IPv4 drohen knapp zu werden, da beispielsweise Asien momentan nur neun Prozent der 32-Bit-IPv4-Adressen belegt, aber die Hälfte der Erdbevölkerung ausmacht. Die 3,4 × 1038 IPv6-Adressen sollten allerdings für ein Weilchen ausreichen. Weitere Merkmale von IPv6 sind ein besseres Routing sowie Verbesserungen bei der Netzwerkadministration und dem mobilen Wireless-Betrieb.

Mobilanwendungen für IPv6 werden als gute Einsatzmöglichkeit für die neue Protokollversion gesehen, die durch die von 32 auf 128 Bit erweiterten IP-Nummern eine Vervielfachung des Adressraumes ermöglicht. "Mobiles IPv4 ist ziemlich knifflig," sagt Gert Döring, IPv6-Experte vom Münchner Provider SpaceNet. Microsoft würde damit an den ebenfalls mit IPv6-Mobile beschäftigten Projekten KAME (BSD) und Usagi (Linux) vorbeiziehen. Allerdings müsse man die letzte Version von Vista erst noch abwarten. Persson wollte sich zumindest beim mobilen IPv6 noch nicht endgültig festlegen.

IPv6-Befürworter erhoffen sich auf jeden Fall einen Anschub für das vorerst noch ziemlich vor sich hin dümpelnde Protokoll. Rudolf Strohmeyer, Kabinettschef von EU-Medienkommissarin Vivianne Reding, sagte in Wien: "Nach Jahren der Forschung und dank der Führung durch europäische Wissenschaftler und durch die Kommission ist die Technologie für den Einsatz bereit. Allerdings sieht es so aus, dass IPv6 in der EU nicht so stark eingesetzt wird wie in anderen Gegenden der Welt." Fünf Prozent des Datenverkehrs in Japan ist nach Aussagen von Hiroshi Isaki reiner IPv6-Verkehr, mit einer deutlich höheren Zahl rechnet der geschäftsführende Direktor des japanischen IPv6 Promotion Council im Backbone von NTT.

Die EU-Kommission, die IPv6 seit Jahren im Rahmen der Forschungsrahmenprogramme unterstützt, eruiert derzeit in einer Konsultation, welche Hürden es für den IPv6-Einsatz in Europa gibt. Die Wiener Konferenz schließt die Konsultation ab, Anfang kommenden Jahres sollen nächste Schritte bekannt gemacht werden. David Wood, Chef des Bereichs Neue Technologien beim Dachverband der Europäischen Rundfunkunternehmen (Euroopean Broadcasting Union, EBU), regte an, auch bei IPv6 über Übergangsfristen nachzudenken. "Beim Übergang aufs digitale Fernsehen im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 gab es die notwendige Führung in Europa, wer wird dasselbe für IPv6 tun?", fragte Wood. Er verwies unter anderem auch auf das im Herbst erstmals zusammentretende UN Internet Governance Forum als mögliches Gremium, das sich mit IPv6 befassen sollte. Die klassische Rundfunkwelt stehe vor der Frage: "Werden die Leute Inhalte via offenem Internet oder via abgeschotteten 'walled garden'-Systemen bekommen?" Sicher sei, dass man "an der Grenze einer neuen Ära der Auswahl von Inhalten" stehe.

Ohne wirtschaftlichen oder politischen Druck zögern Entwickler im Bereich des Rundfunks ganz offensichtlich, IPv6 selbst für neue Standards einzusetzen. DVB-H, einer der Standards fürs mobile Fernsehen, ist dafür nur ein Beispiel. Ulrich Reimers, Professor an der Uni Braunschweig und Chef des "Technischen Moduls" beim Digital Video Braodcasting Projekt (DVB), meinte in Wien: "Ich muss sagen, es gab einfach keine Riesennachfrage nach IPv6." Für DVB-H sei IPv6 diskutiert worden, aber vor allem von nicht-europäischen Partnern verworfen worden. "Daher wird nun IPv4 eingesetzt." Dabei würden mit DVB-H Millionen neuer Geräte angesprochen, eigentlich genau das Szenario, auf das IPv6-Befürworter immer verweisen. Bei IPTV, kommentierte Reimers, wurde IPv6 nicht einmal erwogen.

Anders hat sich laut Ciscos IPv6-Projektmanager Patrick Grossetete die US-Kabelindustrie entschieden: In der neuen Version des Kabelmodemstandards Docsis ist IPv6 bereits integriert. Grope Netzbetreiber kommen an IPv6 auf lange Sicht nicht vorbei, befanden Vertreter von Telekom Austria und dem Mobilfunkableger Mobilkom Austria. Mobilkom Austria will nach eigenen Angaben im Jahr 2009 das Netz umstellen, ohne dass die Kunden davon etwas merken, und später dann auch mit zugehörigen Diensten starten. Helmut Leopold, Direktor Platform and Technology Management bei Telekom Austria, die derzeit bescheidene fünf Kunden mit IPv6 bedient und die Konferenz auch per IPv6 ins Netz überträgt, meinte: "Ich weiß nicht, ob es noch drei Jahre dauert oder fünf, aber IPv6 kommt, das ist sicher. Als Organisation muss ich vorbereitet sein. Wenn ich warte, bis mir einer sagt, da ist die Innovation, dann hab ich verloren."

Für Grundlagen, Spezifikationen und weitere Berichte zu IPv6 siehe:

(Monika Ermert) / (jk)